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"Kultur" ist in aller Munde. Aber was ist Kultur? Eine Magazin-Rubrik oder die "Einheit des künstlerischen Stils eines Volkes" (F. Nietzsche); "erlesenes Getue" (L. Marcuse) oder ganz einfach eine "künstlich erzeugte Illusion" (W. B. Yeats)? Dieses Buch führt ein in die unterschiedlichen Aspekte, was uns Kultur bedeutet, was wir mit Kultur anderen bedeuten wollen, und welchen Unterschied es macht, von der Kultur einen Blick auf andere Kulturen zu werfen. Es gibt einen Überblick über die Geschichte des Begriffs, diskutiert die Gründe für die aktuelle Überbetonung und versucht einen…mehr

Produktbeschreibung
"Kultur" ist in aller Munde. Aber was ist Kultur? Eine Magazin-Rubrik oder die "Einheit des künstlerischen Stils eines Volkes" (F. Nietzsche); "erlesenes Getue" (L. Marcuse) oder ganz einfach eine "künstlich erzeugte Illusion" (W. B. Yeats)? Dieses Buch führt ein in die unterschiedlichen Aspekte, was uns Kultur bedeutet, was wir mit Kultur anderen bedeuten wollen, und welchen Unterschied es macht, von der Kultur einen Blick auf andere Kulturen zu werfen. Es gibt einen Überblick über die Geschichte des Begriffs, diskutiert die Gründe für die aktuelle Überbetonung und versucht einen Kulturbegriff zu entwickeln, der sich nicht an dominant hochstehend und banal, klassisch und unterhaltend orientiert.
Autorenporträt
Terry Eagleton, geb. 1943 im englischen Salford, ist Professor für Englische Literatur an der University of Manchester und Fellow der British Academy.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.10.2017

Das Konzept der Höflichkeit ist politischer Natur

Vielfalt hat einen erschreckend hohen Preis: Terry Eagleton meidet akademische Gummibegriffe, wenn er Kultur als gelingende Zivilisation beschreibt.

Von Magnus Klaue

Ein Akademiker, der ein nur zweihundert Seiten umfassendes Bändchen mit dem Titel "Kultur" auf den Markt bringt, muss entweder sehr mutig oder sehr naiv sein. Der vierundsiebzigjährige Literaturtheoretiker Terry Eagleton verkörpert die glückliche Personalunion beider Eigenschaften. Absolvent einer Klosterschule in Manchester und Schüler von Raymond Williams, dem Doyen der Kulturwissenschaften in Großbritannien, bekennt sich Eagleton ebenso selbstverständlich zu seiner Prägung durch den Katholizismus, wie er sich im postkommunistischen Zeitalter als Marxist bezeichnet. Die kindliche Spontaneität, die in solchem Festhalten an historisch überholten Erfahrungen zum Ausdruck kommt, prägt auch seine theoretischen Schriften. Was deutschen Geisteswissenschaftlern in ihrem Bemühen, Popularität und akademischen Konformismus in Einklang zu bringen, regelmäßig zur Peinlichkeit missrät, gelingt Eagleton mit der scheinbaren Leichtigkeit eines Zauberkünstlers.

Schon in früheren Veröffentlichungen über "Ästhetik" (1990), "Ideologie" (1991) und "Die Illusionen der Postmoderne" (1996) hat Eagleton die Fähigkeit bewiesen, einen zugleich überblickshaft-orientierenden und polemisch-urteilenden Blick auf gängige Gummibegriffe des akademischen Betriebs zu werfen. Mit "Kultur" widmet er sich in seinem neuesten Buch dem vielleicht beliebtesten unter ihnen. Seine zentrale These, dass "Kultur" als "eine Art soziales Unbewusstes" fungiere und dass in dieser Irreduzibilität aufs Bewusstsein ebenso das bedrohliche wie das zivilisierende Potential von Kultur liege, entlehnt Eagleton bei Williams. Dabei behält er die Differenz zwischen dem angloamerikanischen Kulturbegriff, der Kultur als alltägliche gesellschaftliche Praxis versteht, und dem deutschen, der sie zum die Gesellschaft transzendierenden Wert stilisiert, im Blick. In Opposition zu "Zivilisation" bezeichne "Kultur", vor allem in der deutschen Tradition, meist vormodern konnotierte "Werte", die vom gesellschaftlichen Fortschritt zerstört zu werden drohten.

Diese Tradition, die in der Kritik der englischen Romantiker am "Industriekapitalismus" fortwirke, wird von Eagleton nicht einfach verworfen. Vielmehr sind seine Referenzautoren - Johann Gottfried Herder, Edmund Burke und T. S. Eliot - in vieler Hinsicht der romantischen Zivilisationskritik verpflichtet. Nur liest Eagleton ihre Kritik nicht nostalgisch, sondern mit historisch-materialistischem Blick. Den aus der romantischen Zivilisationskritik entstandenen "romantischen Nationalismus" lehnt er ab - im Gegensatz zum "bürgerlichen Nationalismus", der die Nation, statt sie der Kultur zu subsumieren, als Agens von Zivilisation ansehe. Zugleich aber macht Eagleton in der Kulturemphase der englischen Romantik, etwa bei Thomas Carlyle und John Ruskin, den Impuls aus, durch "Verbreitung von Freude und Vernunft" die Allianz von Triebunterdrückung und Fortschritt im Namen diesseitigen Glücks zu zerschlagen.

Damit diene der romantische Kulturbegriff zwar "ganz unverhohlen der Verhinderung des Klassenkampfes", indem er mit dem ebenfalls auf Versagung beruhenden Fortschrittsbegriff der Arbeiterbewegung im Widerspruch stehe. Zugleich erinnere er jedoch daran, dass Zivilisation nur gelingt, wenn sie sich nicht in verordneten politischen Regeln erschöpft, sondern den Individuen zum selbstverständlichen Gestus wird.

Festgehalten ist dieser Überschuss des Kulturbegriffs für Eagleton in der "Höflichkeit", die einer spezifischen historischen Konstellation entsprungen sei: "Der Impuls, der dem Konzept der Höflichkeit zugrunde lag, war politischer Natur. Das postrestaurative England war bestrebt, eine neue öffentliche Sphäre als Gegengewicht zu Kirche und Hof zu schaffen. Auf diesem Schauplatz sollten traditionelle aristokratische Tugenden (Noblesse, Umgänglichkeit, Eleganz, verfeinerte Umgangsformen) der entstehenden städtischen Mittelschicht vermittelt werden." In den Clubs, Parks, Theatern und Zeitschriften, die im England des achtzehnten Jahrhunderts zu "Austragungsorten eines aufgeklärten Mittelschichtsdiskurses" wurden, habe sich die Höflichkeit vom aristokratischen Privileg zum demokratischen Habitus emanzipiert.

Jener Habitus, der die bürgerliche Gesellschaft jenseits ihrer ökonomischen und juristischen Form auszeichne, fasse sich im Begriff der Kultur zusammen. Indem Eagleton "Kultur" als Ergebnis gelungener Zivilisation bestimmt, nimmt er dem Begriff das Pathos, das ihm vor allem in der deutschen Tradition innewohnt und das Eagleton im Ethnopluralismus der Postmoderne fortleben sieht. Als Symptom dieser Tendenz erkennt er die Neigung, "kulturelle Diversität zu preisen, ohne über ihren erschreckenden Preis zu reden". Begegnet werden könne dem Kulturalismus freilich nur im Beharren darauf, dass Kultur auch die glückliche Kehrseite der Zivilisation, Zweckfreiheit und sinnliche Erfüllung, verkörpere. Es ist die überraschendste Pointe von Eagletons Essay, dass er diesen Gehalt des Kulturbegriffs vor allem in irischstämmigen Briten wie Edmund Burke und Oscar Wilde verkörpert sieht, die in ihrem Alltag zwischen der von ihnen geliebten irischen "Kultur" und britischen "Zivilisation" zu vermitteln gezwungen waren.

Wildes zwischen Ironie und Identifikation schwankende Fähigkeit als "geschickter Imitator" hat für Eagleton größeres kritisches Potential als jede Klassenkampfrhetorik. Dass er dessen Schrift "Die Seele des Menschen unter dem Sozialismus" ein eigenes Kapitel widmet, ist insofern konsequent. Es erinnert daran, dass die radikalsten Gedanken oft am Rand der bürgerlichen Gesellschaft entstehen.

Terry Eagleton: "Kultur".

Aus dem Englischen von Hainer Kober.

Ullstein Verlag, Berlin 2017. 208 S., geb., 20,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 22.09.2001

Feuer und Flamme für die Kultur
Für welche Zivilisation würde man sein Leben lassen? – Terry Eagleton demonstriert intellektuelle Virtuosität
Dass einer mit dem Schlachtruf, es lebe die Europäische Union, auf die Barrikaden geht oder ins Feld zieht, scheint im Augenblick – aller geistigen Mobilmachung zum Trotz – ziemlich unwahrscheinlich. Nachdem die großen westlichen Ideologien – Kommunismus, Liberalismus, Faschismus – an Auszehrung zugrunde gegangen sind, entwickeln sich die verlässlichsten Bindungskräfte aus nackten materiellen Interessen. Und dann gibt es da noch „unsere Kultur”, wie es unbestimmt beschwörend heißt, eine schillernde, allgegenwärtige, aufgeblasene Idee, auf die man dennoch schwer wird verzichten können.
Die Konflikte der Gegenwart, behauptet seit Jahren Samuel P. Huntington, seien kultureller Art. In den Kulturkriegen, schreibt der marxistische Oxford-Professor Terry Eagleton, benötige der Westen idealiter „eine Version der Kultur, für die das Volk vor lauter Anhänglichkeit sein Leben lassen würde”. Der Name dieser Anhänglichkeit war ursprünglich Religion.
Man hat in Europa mehrfach gehofft, Kultur könne die Funktion der Religion übernehmen, Volk und Intellektuelle, praktische Moral und Idealismus verbinden. Als Religionsersatz aber ist, wie auch Eagleton weiß, Kultur eine recht „beklagenswerte Alternative”. Versteht man sie im engen, künstlerischen Sinn, bleiben ihre Segnungen auf wenige beschränkt. Versteht man Kultur im sozialen Sinne, als Summe all dessen, was eine Lebensform auszeichnet, im Sinne von Nationalität, Sexualität und Ethnizität, befindet man sich unverzüglich auf vermintem Gelände. „Je praktischer die Kultur wird, desto weniger ist sie imstande, eine versöhnliche Rolle zu spielen, und je versöhnlicher sie wird, desto wirkungsloser wird sie.”
Für pointierte Sätze wie diesen wird Terry Eagleton geschätzt. Sein jüngstes Buch erschien im vergangenen Jahr unter dem Titel „The Idea of Culture” in Oxford und eröffnete eine Reihe von Einführungen zu häufig gebrauchten Begriffen. Dem Wort „Kultur” fehlt zum Begriff freilich die Bestimmtheit. Es ist so komplex, dass Eagleton reichlich Gelegenheit hat, seinen Scharfsinn zu demonstrieren und den Leser durch eine nicht abreißende Kette von Aphorismen und Paradoxien zu verblüffen. Auf jeder Seite ist die Lust am intellektuellen Virtuosentum zu spüren, die Freude am Unterscheiden und am unvermittelten Springen von Beispielen zu Verallgemeinerungen.
Ein geschulter Dialektiker
Auch teilt Eagleton die Vorzüge des angelsächsischen Marxismus, der nie bolschewistisch verkürzt wurde. So fragt Eagleton gut marxistisch, warum alle Kreativität auf Lyrik und Musik beschränkt scheine, welche Entfremdung nach solchem Ersatz verlange. Allerdings sind die Kulturen der Häuslichkeit, des Alltags und der Naturwissenschaften längst beschrieben und allseits anerkannt. Die Anspielung auf Marx wirkt leicht kokett, dient sie doch hauptsächlich der Distinktion im akademischen Milieu, dessen Lieblingsvorstellungen und Modetorheiten Eagleton Revue passieren lässt.
Peinigend sind dann gern beklatschte Behauptungen wie die, dass Kultur in dieser Welt große Bedeutung besitze, weil das Vermögen der drei reichsten Menschen genauso hoch sei wie das der 600 Millionen ärmsten – was doch in erster Linie eine ökonomische Frage sein dürfte. Eagleton nimmt sie ohnehin nicht ganz ernst. Wie Kultur hier helfen könne, verrät er nicht. Umso eindrücklicher beschreibt er – Huntington verschweigend – die Kulturkriege der Gegenwart. Sie werden in unserer Mitte bereits geführt und zwar zwischen verschiedenen Auffassungen, was Kultur denn sei.
Da gibt es KULTUR als Zivilisiertheit, Eagleton setzt sie in Großbuchstaben. Daneben existieren die besonderen Kulturen, die eine spezifische Identität beanspruchen und verteidigen. Und dann ist da noch die postmoderne, populäre, zur Ware gewordene Kultur. Das ist ein bisschen viel Kultur in wenigen Sätzen, aber der Leser wird Eagletons Unterscheidungen, hat er sich einmal an sie gewöhnt, zu schätzen wissen. Der geschulte Dialektiker hält Distanz zu jeder einzelnen, partikularen Position. Unverkennbar aber gehört seine Vorliebe der KULTUR in Großbuchstaben, dem bürgerlichen Erbe Europas.
Hätte man sonst, halb gähnend, halb amüsiert, die Bosheiten gegen die Postmoderne notiert, interessieren nach dem gleichmachenden Terror vor allem die Bemerkungen über den universalistischen Anspruch der westlichen Kultur.
Deren Witz ist es, dass sie den Menschen nicht an die zufälligen Bedingungen seiner Existenz, Sprache, sexuelle Vorlieben, lokale Gebräuche fesselt, sondern die „Werte des menschlichen Lebens” selbst verkörpert.
Mit der Einbildungskraft, die zwischen dem einzelnen und dem Allgemeinen, zwischen dem Ich und der Welt zwanglos Verbindung stiftet, hat die ästhetische Kultur des Westens ein Vermögen entwickelt, das die Kultivierung des Geistes wie der Gesellschaft auf sanfte Weise ermöglicht.
Trotz dieser Sanftheit steht sie im Krieg und ist seit gut dreißig Jahren „under attack”.Zu ihren Gegnern gehören alle Formen der Identitätspolitik, unabhängig von gravierenden politischen Differenzen.
Vom Standpunkt der KULTUR aus sind die Gemeinsamkeiten zwischen einer Gruppe für Schwulenrechte und einer neofaschistischen Zelle frappierend, weil beide ihre Kultur als kollektive Identität definieren. Erträglich ist Identitätspolitik dort und nur dort, wo sie nicht feste Identitäten verteidigt, sondern allein das Recht, frei über das eigene Leben, über das, was man werden will, zu bestimmen.
Die Auseinandersetzung zwischen dem universalistischen Anspruch der KULTUR und den kulturalistischen Borniertheiten der einzelnen, ehemals unterdrückten Kulturen hat die angelsächsischen Universitäten quälend lange beschäftigt. Sie hat allerdings auch eine geopolitische Bedeutung, repräsentiert sie doch den Unterschied zwischen dem Westen und dessen „Anderem”, zwischen der liberalen Zivilisation und allen Kollektiven: nationalen, fundamentalistischen, familiären.
Geschlossene Kollektive
Identitätspolitik, der Kult des dezentrierten Subjekts und die alles gleichgültig machende Kapitalisierung der Welt bedrohen KULTUR. Die größte Gefahr des Westens aber ist er selbst.
Zivilisation sei dann am besten, wenn man sie am wenigsten spüre, wenn sie den Alltag färbe, ohne sich machtvoll aufzudrängen. Indem sich der Westen – und wie kann er anders, wenn er seine KULTUR ernst nimmt – zum Vorkämpfer der ganzen Menschheit erklärt, läuft er Gefahr sein Gegenüber zu verlieren und somit seine eigene Identität zu schwächen. „Überdehnt, zerreißt Totalität zu einer Staubwolke zufälliger Besonderheiten.” Dann aber scheint der Westen nur eine Kultur unter vielen und nicht mehr der Wächter aller Kulturen im Namen der KULTUR. Das sei die Gefahr, auch wenn der Kampf gegen barbarische Außenseiter und widerständige Staaten, die Identität des Westens für Augenblicke immer wieder stabilisiert.
Zügig gelangt Eagleton auf nicht einmal 200 Seiten vom Ackerbau und der Schweinezucht bis zu T.S.Eliot und Pablo Picasso. Auf seinem Weg durch den Irrgarten unserer Vorstellungen von Kultur häuft er Dilemma auf Dilemma, um abschließend im Tonfall absoluter Gewissheit zu erklären, dass die künftigen Probleme nicht besonders „kulturell” sein werden.
Es gehe weniger um Werte, Sprache Symbolik, Tradition als um Krieg, Hunger, Armut, Krankheit, Verschuldung, Drogen, Umweltverschmutzung, „die Entwurzelung ganzer Völker”. Da sei Kultur schon wichtig, aber nicht so sehr. Sie dürfe nicht zu dicht auf den Leib rücken, nicht zu intim, zwanghaft und unbescheiden werden. Kurz: Man müsse der Kultur den ihr gebührenden Platz zuweisen.
Trotz der verwaltungstechnischen Formulierung liest man diese Verteidigung individueller Freiheit gern, aber wie sie – worauf Eagleton doch so viel Wert legt – praktisch werden soll, bleibt rätselhaft. Ein suhrkamp- Bändchen eingepackt und dann auf die Barrikade, zur Demo oder ins Feld? Diesen Platz hat Kultur schon oft genug eingenommen.
JENS BISKY
TERRY EAGLETON: Was ist Kultur? Eine Einführung. Aus dem Englischen von Holger Fliessbach. Verlag C.H. Beck, München 2001. 190 Seiten, 34 Mark.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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`Eine kluge Stimme im Getriebe des Turbokapitalismus` (The Independent)
Unterricht bei einem originellen Lehrer
Was ist Kultur? Was sich wie der Titel einer Folge des Philosophischen Quartetts anhört, ist in Wahrheit sehr viel unterhaltsamer und gleichzeitig inhaltsreicher als besagtes TV-Format. Nicht umsonst genießt der eloquente Literaturkritiker Eagleton - was ungewöhnlich für Universitätsdozenten ist - auch in nicht-akademischen Kreisen mittlerweile Kultstatus.
Die etwas andere Begriffsgeschichte
Man kann es trotz aller universitärer und publizistischer Meriten, die sich Eagleton bereits erworben hat, als mutig bezeichnen, sich einem so komplexen Begriff wie der Kultur zu nähern. Zuerst ist zu nennen, was uns erspart blieb: Eine um Vollständigkeit bemühte Tour de Force, die alle wichtigen Epochen und Vordenker bemüht, um an Ende doch eklatante Lücken aufzuweisen. Was Eagleton hier vorlegt, ist eine wunderbare Synthese von zwei Dingen, die er virtuos beherrscht: eine amüsante, zuweilen bissige Ironie und die glasklare Darstellung von kulturgeschichtlichen, philosophischen und politischen Zusammenhängen.
Das Konzept von der gelebten Kultur
In drei Teilen (Kultur in der Krise, Kulturkriege, Für eine gemeinsame Kultur) kommen mal Epoche machende, mal bizarre Denker zu Wort, werden Ursprung und Entwicklung, vor allem aber die große Vielfalt des Kulturbegriffes pointiert nachgezeichnet. Die Diskussion der verschiedenen begrifflichen Varianten münden in ein eigenes Konzept einer gelebten Kultur, die jenseits aller Diskurse im Alltäglichen fassbar wird und hier ihre Bestimmung findet.
(Roland Große Holtforth, literaturtest.de)
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Das Buch erschien bereits vor anderthalb Jahren. Kersten Knipp hat es nun nochmals gelesen und bedeutet uns seine frappierende Aktualität, indem er Eagletons Darstellung der Entwicklung von politischem Dogmatismus und religiösem Fundamentalismus innerhalb der Postmoderne nachzeichnet. Wenn Knipp des Autors Ahnungen von einem Kulturkrieg zitiert und seine Furcht vor den "Flammen des Partikularismus", gruselts einem doch ein bisschen.

© Perlentaucher Medien GmbH