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Für kaum eine andere europäische Nation war das 20. Jahrhundert eine solche Herausforderung wie für die Polen: Der Kampf um die Wiedererlangung der staatlichen Souveränität, der Erste Weltkrieg, die unruhigen Zwischenkriegsjahre, in denen der Aufbau des neuen Staates mit dem Heraufziehen des Faschismus in Europa einherging, der Zweite Weltkrieg, der das Land völlig verwüstete, die 45-jährige Ära des Kommunismus, die seinen wirtschaftlichen Ruin mit sich brachte, und schließlich die Zeit nach der Wende, in der es galt, moderne Strukturen des öffentlichen Lebens zu schaffen - all das setzte sich…mehr

Produktbeschreibung
Für kaum eine andere europäische Nation war das 20. Jahrhundert eine solche Herausforderung wie für die Polen: Der Kampf um die Wiedererlangung der staatlichen Souveränität, der Erste Weltkrieg, die unruhigen Zwischenkriegsjahre, in denen der Aufbau des neuen Staates mit dem Heraufziehen des Faschismus in Europa einherging, der Zweite Weltkrieg, der das Land völlig verwüstete, die 45-jährige Ära des Kommunismus, die seinen wirtschaftlichen Ruin mit sich brachte, und schließlich die Zeit nach der Wende, in der es galt, moderne Strukturen des öffentlichen Lebens zu schaffen - all das setzte sich zu einem sehr bewegten Kapitel der polnischen Geschichte zusammen und fand freilich auch seinen Niederschlag in der Literatur: Nicht nur in der Zahl literarischer Werke und in der Themenwahl, sondern auch darin, daß die im Laufe des Jahrhunderts wechselnden Zentren des literarischen Lebens einen unterschiedlichen Charakter hatten. Mal war er Folge der politischen Situation, mal Ausgeburt einer Mode, mal resultierte er aus der geographischen Eigenart des jeweiligen Hinterlandes. Und immer und überall - ob in Warschau, Krakau, Zakopane, Lemberg, Wilna, Danzig oder Paris, dem Exilmekka der Polen - wurde er von einer oder mehreren Literatenpersönlichkeiten geprägt.
Das neue Buch von Marta Kijowska ist eine Reise durch diese wechselnden Zentren, bei der sie die wichtigsten dieser "Literaturlandschaften" charakterisiert. Es geht ihr nicht darum, alle Erscheinungen, Richtungen, Moden und Stile zu schildern, geschweige denn eine vollständige "Geschichte der polnischen Literatur des 20. Jahrhunderts" zu schaffen. Sie erzählt vielmehr die mit einem Ort und einer bestimmten Zeitspanne verbundenen literarischen Ereignisse und zeigt dabei die historischen, politischen und kulturellen Zusammenhänge und Querverbindungen.
Autorenporträt
Marta Kijowska, geb. 1955 in Krakau, studierte Germanistik und lebt in München. Sie hat als Dozentin, Übersetzerin und Lexikonredakteurin gearbeitet, wurde mit Preisen und Stipendien ausgezeichnet und ist als Journalistin seit vielen Jahren für große Zeitungen, Hörfunk und Fernsehen vor allem zu Themen der polnischen Kultur und Geschichte tätig.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Marta Kijowskas Streifzug durch die polnische Literatur hat Rezensent Thomas Medicus ziemlich enttäuscht. Den Anspruch, Orientierung zu geben über die Literatur des östlichen Nachbarlandes und Lust auf die Lektüre zu machen, kann die Autorin zu seinem Bedauern nicht einlösen. Medicus scheint die ausschließlich die Literatur des 20. Jahrhunderts abhandelnde Darstellung in keiner Weise überraschend oder anregend, eher sogar bieder. Er hält Kijowska vor, die zahlreichen möglichen Anknüpfungspunkte für das deutsche Lesepublikum, die Medicus sich vorstellen kann, nicht zu nutzen. Insgesamt kritisiert er das Buch der seit Jahrzehnten in Deutschland lebenden Autorin als "ideenlose Plichtübung".

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 23.10.2007

Die Welt zwischen Danzig und Krakau
Ein leider nicht sehr inspirierter Streifzug durch die polnische Literatur: Marta Kijowskas „Polen, das heißt nirgendwo”
Eine polnische Literaturgeschichte auf dem neuesten Stand, gut lesbar, innovativ und informativ, das wäre etwas. Die auf dem aktuellen Buchmarkt greifbaren Titel sind entweder schon vor vielen Jahren erschienen, betrachten bestimmte Zeitabschnitte (etwa die Nachkriegszeit), ausgewählte Autoren oder widmen sich Teilaspekten. Ein populärer Gesamtüberblick liegt nicht vor. Umso dankbarer greift man zu Marta Kijowskas „Streifzug durch Polens literarische Landschaften”. Das klingt vielversprechend, zumal die Autorin einleitend darauf hinweist, dass sich polnische Schriftsteller trotz des Länderschwerpunktes „Polen” der Frankfurter Buchmesse 2000 beim deutschen Lesepublikum nicht in wünschenswertem Umfang durchsetzen konnten. Kijowska möchte das Vorurteil aus der Welt schaffen, die Literatur unseres östlichen Nachbarlandes sei hermetisch, will Zusammenhänge, aufzeigen, Orientierungshilfe geben und Sympathien wecken. Damit allerdings scheitert sie gründlich.
Von einem Streifzug wird niemand eine systematische Gesamtdarstellung erwarten, von einem Essay erhofft man jedoch zumindest Originalität. Auf überraschende Einfälle wartet man hier allerdings vergebens. Brav chronologisch wird, von wenigen Abschweifungen abgesehen, allein das zwanzigste Jahrhundert abgehandelt. Das ist schade, die hierzulande noch immer weitgehend unbekannten Nationaldichter Mickiewicz und Slowacki hätte man getrost ausführlich würdigen können. Henryk Sienkiewcz, erster polnischer Nobelpreisträger 1905 und bei den Nationalkonservativen à la Kaczynski derzeit wieder hoch im Kurs, kommt gar nicht erst vor. Ohne ein Verständnis für die Bedeutung der Nation wie des Nationalstaats, der den Polen seit Ende des 18. Jahrhunderts vorenthalten wurde, lässt sich die Literatur dieses Landes kaum darstellen.
Auch die avisierten Landschaften kommen zu kurz. Gewiss, es werden Krakau und Warschau erwähnt, aber von einem Flanieren in den literarischen wie aktuellen Topographien dieser beiden oder auch anderer Städte kann nicht die Rede sein. Stattdessen wird in Form eines ausufernden Namedropping abgehandelt, was aus Czeslaw Milosz’ „Geschichte der Polnischen Literatur” (1985) bekannt ist oder jüngst in Karl Dedecius’ passionierten Erinnerungen zu lesen war (siehe SZ vom 26.6.2006).
Zug zu den Rändern
Warum die seit Jahrzehnten in München lebende Autorin sich mit einer derart ideenlosen Pflichtübung bescheidet, bleibt unerfindlich. Nur in Umrissen wird bei ihr die Veränderung der literarischen Topographie seit 1989 greifbar. Dabei hätte es eine gute Grundidee sein können, Polens Literatur neu zu kartographieren. Mit Pawel Huelle und Stefan Chwin in Danzig, Andrzej Stasiuk in Südostpolen und Olga Tokarczuk in Schlesien hat sich eine deutliche Verschiebung an die Ränder und hin zur Prosa vollzogen. Ein guter Anknüpfungspunkt für ein deutsches Lesepublikum, schließlich sind die genannten Autoren hierzulande längst keine Unbekannten mehr. Überdies beschäftigen sich Huelle, Chwin und Tokarczuk mit ehemaligen deutschen Gebieten, die beiden Danziger lassen in ihre Werke häufig die Vertrautheit mit der deutschen Literatur einfließen.
Eine deutliche Betonung hätte auch der Antitotalitarismus der polnischen (Exil-) Literatur während des Kalten Krieges verdient. Hier hätte sich ein literaturpolitischer Leitfaden auslegen, aber auch die martyriologische Dimension der Literatur Polens bis 1989 erläutern lassen. Die überragende Bedeutung der Lyrik wäre ebenfalls ein Thema gewesen. Hätte, könnte, würde – über diesen Streifzug lässt sich nur im Irrealis reden. Der Kompass der Inspiration war kein Richtungsgeber. THOMAS MEDICUS
MARTA KIJOWSKA: Polen, das heißt nirgendwo. Ein Streifzug durch Polens literarische Landschaften. Verlag C. H. Beck, München 2007. 220 S., 19,90 Euro.
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