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Nicht nur die Kinder der Täter des NS-Regimes, sondern auch die der Opfer haben eine schwere Last mit sich herumgetragen. Die in diesem Buch versammelten Lebensgeschichten dokumentieren die tiefgreifenden Probleme der Folgegeneration, mit der schwierigen Erbschaft der Eltern umzugehen. Behutsam werden in den vorliegenden Interviews die seelischen Wunden aufgedeckt und ihre Ursachen hinterfragt.
Die Autoren dieses Bandes haben mit Menschen gesprochen, deren Eltern im Widerstand gegen den Nationalsozialismus aktiv waren. Die Kinder von Eltern aus dem militärischen, liberalen, konservativen,
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Produktbeschreibung
Nicht nur die Kinder der Täter des NS-Regimes, sondern auch die der Opfer haben eine schwere Last mit sich herumgetragen. Die in diesem Buch versammelten Lebensgeschichten dokumentieren die tiefgreifenden Probleme der Folgegeneration, mit der schwierigen Erbschaft der Eltern umzugehen. Behutsam werden in den vorliegenden Interviews die seelischen Wunden aufgedeckt und ihre Ursachen hinterfragt.

Die Autoren dieses Bandes haben mit Menschen gesprochen, deren Eltern im Widerstand gegen den Nationalsozialismus aktiv waren. Die Kinder von Eltern aus dem militärischen, liberalen, konservativen, kommunistischen oder kirchlichen Widerstand legen in den hier vorliegenden Interviews eindrucksvoll Zeugnis ab von ihrer Geschichte und der ihrer Eltern. Der Leser erfährt viel von den inneren und äußeren Belastungen der Widerstandsfamilien im Krieg und in der Nachkriegszeit - vom Kampf ums Überleben, um Anerkennung, und was es bedeutete, als Kind eines 'Verräters' gebrandmarkt oder eines 'Helden' gefeiert zu werden. Die Spuren der NS-Zeit haben sich tief in die Seelen der Befragten eingegraben; sie offenbaren das Weiterwirken von Schuld und Trauma durch die Generationen.
Autorenporträt
Joachim Scholtyseck, geb. 1958, ist Professor für die Geschichte der Neuzeit an der Universität Bonn.
Forschungsschwerpunkte: Geschichte des "Dritten Reiches", Faschismus und Nationalsozialismus im Vergleich, Italienische Geschichte im 19. und 20. Jahrhundert, Geschichte des deutschen Widerstands gegen Hitler, Geschichte der DDR, Ideengeschichte des Terrorismus in der Bundesrepublik Deutschland, Geschichte des Kalten Krieges.

Dr. Eva Madelung, geboren 1931 als Tochter von Robert Bosch, erlebte das Dritte Reich als Jungmädel in der sogenannten Hitlerjugend. Sie studierte Germanistik und Philosophie und verbrachte 1953 ein Jahr in Indien. Nach Heirat und der Geburt von zwei Kindern absolvierte sie eine psychotherapeutische Ausbildung und war im Anschluss jahrzehntelang als Familientherapeutin und in der Fortbildung tätig. Sie ist Autorin und Koautorin mehrerer Bücher.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 05.01.2009

Immer Kind
Das Los der Nachkommen von Nazi-Widerstandskämpfern
Da die Zahl der Menschen, die sich gegen Hitler und das Nazisystem stellten, verhältnismäßig gering war, gehören noch heute die Nachkommen zu den Außenseitern; welcher Art, verrät schon der Titel dieses Buchs: Heldenkinder, Verräterkinder. Zwar hat sich die Geschichtswissenschaft dem Thema Widerstand in all ihren Facetten gewidmet. Die Kinder der Nazi-Gegner aber wurden bisher in der Forschung kaum berücksichtigt. Man liest das Buch deshalb mit Gewinn. Das hat auch mit seinem interdisziplinären Ansatz zu tun: Geschichte und Psychologie. Es ist bewegend zu erfahren – bei vielem, was die Nachkommen verbindet –, wie unterschiedlich dennoch Wahrnehmungen, Beurteilungen und Verhaltensweisen sind. Zu Wort kommen unter anderem: Mechthild von Kleist, Tochter von Ewald von Kleist-Schmenzin, Katharina Christiansen, Tochter von Julius Leber, Sozialdemokrat mit Kontakten zu verschiedenen Widerstandsgruppen, Heinz Hermann Niemöller, Sohn von Martin Niemöller, streitbarer Kirchenmann und Wortführer der „Bekennenden Kirche”.
Einer der beiden Herausgeber, der Historiker Joachim Scholtyseck, versäumt in seiner methodischen Betrachtung nicht, auf die Nachteile und möglichen Gefahren der Herangehensweise aufmerksam zu machen. Etwa eine zu starke Subjektivierung von Geschichte (was für Zeitzeugen allgemein zutrifft) und die mangelnde Professionalität bei der Anwendung psychologischer Kriterien für die Geschichtswissenschaft, wo „je nach Standort moralisiert und ideologisiert” wurde. Doch gibt er zu Recht dieser Arbeit ein gutes Zeugnis, denn hier hätten historisch Interessierte den familientherapeutischen Aspekten ausreichend Aufmerksamkeit geschenkt und umgekehrt Therapeuten die geschichtswissenschaftlichen Implikationen reflektiert.
Die Mitherausgeberin, die Familientherapeutin Eva Madelung, hatte selbst einen Vater im Widerstand (den Industriellen Robert Bosch, dessen Kreis politisch und rassisch Verfolgten Unterstützung bot). Als er 1942 starb, da war die Tochter elf Jahre alt. Seine Verbindung zu Carl Goerdeler und den Männern des 20. Juli wurde nicht entdeckt, sodass der Familie die Verfolgung durch die Nazis erspart blieb. Wie manche der Interviewten wusste auch sie nichts von den politischen Aktivitäten ihres Vater und bekennt, dass sie keineswegs immun gegen die Nazi-Propaganda gewesen sei und es gut nachvollziehen könne, dass nur wenige widerstanden hätten. Zwei der Interviewten haben auch ihrerseits selbst Gespräche mit Nachkommen von Widerständlern geführt: Christine Blumenberg-Lampe und Petra Schneiderhenze.
Die Erstgenannte war eine Zeitlang Geschäftsführerin der „Forschungsgemeinschaft 20. Juli”. Das Gespräch mit ihr zeigt eine Frau, die sich völlig mit dem, was der Vater tat, identifiziert. Adolf Lampe war Nationalökonom, der dem „Freiburger Kreis” nahestand. Sie wuchs mit dem Gefühl auf, der Elite anzugehören, und sah ihren Vater als leuchtendes Vorbild. Den Preis des Widerstandes trägt sie mit imponierender Fassung – der Vater wurde von der Gestapo eingesperrt und starb 1948, erst 50 Jahre alt, vermutlich an den Folgen der Haft. Dass sie selbst in Freiburg nach dem Krieg als Verräterkind abgestempelt wird, erhöht nur ihren Stolz auf die Eltern. Geborgenheit und Vertrauen aber, das sagen viele der Befragten, würden sie meist nur unter ihresgleichen finden, in den entsprechenden Vereinigungen wie etwa der „Forschungsgemeinschaft 20. Juli” oder „One by One”, einer Gruppe, die Workshops und Konferenzen mit Täter- und Opferkindern veranstaltet.
Petra Schneiderhenze wiederum blickt auf einen Vater zurück, der im kommunistischen Widerstand aktiv war. Sie wuchs in der DDR auf, wo ihr Vater hoch geachtet war. Nach der Wende veränderte sich für sie die Situation. So wenig man in der DDR, was auch sie kritisiert, den bürgerlichen oder den militärischen Widerstand in Ehren hielt, so wenig hält sie es für gerechtfertigt, dass viele Schulen und Straßen, die nach linken Widerständlern benannt worden waren, nach der Vereinigung neue Namen erhielten. Sie erkannte spät, welche starke Prägung sie durch ihren Vater erfahren hatte. Ihr wurde bewusst, wie sie dessen Leben nachgelebt hatte. Ihre Depression mit Suizidgedanken, Schuldgefühlen, noch am Leben zu sein, und dem starkem Empfinden des Ausgegrenztseins verschwand.
Und so weist das Buch – ganz nebenbei – auch darauf hin, was die Geschichtswissenschaft im Verhältnis der Bewertung von Widerstand im Osten und im Westen noch zu leisten hat. ELKE NICOLINI
EVA MADELUNG, JOACHIM SCHOLTYSECK: Heldenkinder, Verräterkinder. Wenn die Eltern im Widerstand waren. C. H. Beck, München. 308 Seiten, 38 Abbildungen, 24,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

In einzelnen Aspekten immer wieder interessant, insgesamt jedoch eher durchwachsen findet Rezensentin Gabriele von Arnim diesen Band mit Gesprächen, die eine Familientherapeutin und ein Historiker mit 15 Kindern von Widerstandskämpfern gegen den Nationalsozialismus führten, und zwar aus militärischem, konservativem, aristokratischem, christlichem und kommunistischem Widerstand. Denn so sehr sich manche Sätze und Symptomatiken immer wieder beim Lesen "einbrennen", leide das Buch aus ihrer Sicht an der Grundproblematik, dass Kinder von interessanten Eltern nicht per se selbst interessante Menschen seien, oder etwas zu sagen hätten. Auch scheint ihr manches, was hier dem Widerstandshintergrund zugeordnet wird, doch eher Phänomen des guten alten Generationskonflikts zwischen Eltern und Kindern zu sein. Und außerdem stellt sie mal wieder "mit Schrecken" fest, dass der Mord an den europäischen Juden als Grund für den Widerstand gegen Hitler kaum eine Rolle spielte.

© Perlentaucher Medien GmbH