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Johannes Kunisch über den Preußen-König
Nach seiner glänzenden und hoch gelobten Biographie Friedrichs des Großen legt Johannes Kunisch jetzt einen Sammelband vor, in dem Themen aufgegriffen und vertieft werden, die in einer chronologisch angelegten Lebensgeschichte in dieser Ausführlichkeit nicht zur Sprache kommen können. Neben Beiträgen zur Rezeptionsgeschichte gehen die Essays auf widersprüchliche Aspekte im Denken und Handeln des preußischen Königs ein und präsentieren neue Erkenntnisse der Forschung, die unser Bild Friedrichs vervollständigen. Thomas Mann und Friedrich der Große Der…mehr

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Produktbeschreibung
Johannes Kunisch über den Preußen-König

Nach seiner glänzenden und hoch gelobten Biographie Friedrichs des Großen legt Johannes Kunisch jetzt einen Sammelband vor, in dem Themen aufgegriffen und vertieft werden, die in einer chronologisch angelegten Lebensgeschichte in dieser Ausführlichkeit nicht zur Sprache kommen können. Neben Beiträgen zur Rezeptionsgeschichte gehen die Essays auf widersprüchliche Aspekte im Denken und Handeln des preußischen Königs ein und präsentieren neue Erkenntnisse der Forschung, die unser Bild Friedrichs vervollständigen.
Thomas Mann und Friedrich der Große Der Historikerstreit über den Ausbruch des Siebenjährigen Krieges Das Begräbnis eines Unsterblichen? Friedrich der Große, Friedrich Wilhelm II. und das Problem der dynastischen Kontinuität im Hause Hohenzollern > Friedrich der Große und die preußische Königskrönung von 1701
"Ein großer Wurf ... nicht weniger als ein glänzend erzähltes Epochengemälde."
Arne Karsten, Frankfurter Rundschau
Autorenporträt
Johannes Kunisch war bis zu seiner Emeritierung o. Professor für Neuere Geschichte an der Universität zu Köln. Er ist Vorsitzender der Preußischen Historischen Kommission in Berlin. Zahlreiche Fach-Veröffentlichungen.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 14.10.2008

Scharfer Raubtiergeruch über Potsdam
Boshaft, verschlagen, rücksichtslos: Friedrich II. wurde zum Helden Europas, weil er ein Mann der neuen Freiheit war, der Subjektivität, des Sturm und Drang. In einer Sammlung von Essays stellt Johannes Kunisch den Preußenkönig in seine Zeit
Friedrich II., der Große, hasste den Aufwand des höfischen Lebens, die Zeremonien, die Verschwendung von Zeit und Geld. Der Musenhof der Rheinsberger Jugendzeit, der auf Entfaltung in großem Rahmen spekuliert hatte, wurde enttäuscht. Mit dem Regierungsantritt 1740 stieg der König in die Uniform, den „Sterbekittel” und zog sie nicht mehr aus bis zu seinem Tode 1786. Für den hatte er Dispositionen getroffen. Des Nachts wollte er auf der Terrasse von Sanssouci beigesetzt werden, zwischen seinen Windspielen, ohne irgendwelchen funebren Prunk.
So kam es nicht. Sein Nachfolger, Friedrich Wilhelm II., sorgte für Trauerfeierlichkeiten, die dem europäischen Standard solcher Fälle entsprach. Die Zeremonie gehörte zur Monarchie. An den Zeichen erkannte man die Macht des Königs, so dass selbst aufgeklärte Männer urteilten, es seien Hofstaat und -Zeremonie „nichts überflüssiges, viel weniger etwas tadelhafftes”. Aber es war ganz gegen die Natur des Verstorbenen, der mit Lust alle brüskiert hatte, der selbst zur Siegesfeier nach dem Ende des Siebenjährigen Krieges erst in der Nacht, viel zu spät in Berlin eingetroffen war. Der Historiker Johannes Kunisch hat von „doktrinärer Enge” bei Friedrich gesprochen, einer Borniertheit, die nicht imstande war, die Notwendigkeiten zeichenhafter Politik im 18. Jahrhundert zu begreifen. Und er hat, hier Thomas Mann folgend, das Fehlen der Frauen am Hofe geltend gemacht. Denn Hofleben ist wesentlich Courtoisie den Damen gegenüber.
Und doch: Wie merkwürdig ist die Haltung Friedrichs, wenn man an seine lebenslange Faszination durch die französische Kultur des 17. und 18. Jahrhunderts denkt, die doch eine der glanzvollen Formen ist. Selbst seine Ruhmbegier wurde von den Heroen der klassischen französischen Tragödie befeuert, die ihn sein Leben lang begleiteten.
Nun war seine Nüchternheit gegenüber dem Hofleben nicht ohne Vorbilder. Kunisch weist auf ökonomische Traktate der Zeit hin, die Hausväterliteratur und auch theologische Ideen. Aber etwas eigenes kommt bei Friedrich dazu, wenn er seinen Großvater Friedrich I. kritisiert, der sich unter gewaltigem Aufwand 1701 zum König gekrönt hatte. Ein Fürst schulde seinem Staat Rechenschaft für die Verwendung der Steuern, er treibe sie nur ein, um der Landesverteidigung willen, um Dienste und Leistungen zu belohnen und „ein gewisses Gleichgewicht zwischen Armen und Reichen herzustellen”. Auch dieser Gedanke war nicht ohne Vorgänger. Dass Herrschaft nichts sei als glanzvolle Knechtschaft, heißt es schon in der Antike. Aber bei Friedrich geht die Fixierung auf Staats- und Gemeinwohl einher mit einer von allen Regularien befreiten Geltendmachung der Person des Herrschers. Keine politische Größe des 18. Jahrhunderts hat die Welt – nicht etwa bloß ein borussifiziertes Deutschland – so angespannt und dauerhaft beschäftigt wie Friedrich.
Die letzte große Biographie über ihn erschien vor vier Jahren, ihr Autor ist der emeritierte Kölner Historiker Johannes Kunisch. In Kritik und Buchhandel fand das Buch günstige Aufnahme, es ist umsichtig, auf neuestem Stand, gut geschriebenen, gewiss eine starke Empfehlung, auch wenn eine Frage vielleicht doch offenblieb: Was es eigentlich ist, was das Interesse an dieser Figur heute ausmachen könnte? Nun hat Kunisch fünf Essays zu Friedrich zu einem kleinen Buch zusammengefasst. Drei davon widmen sich Friedrich in seinem Verhältnis zum ancien régime und seinen Regeln. Die zwei Aufsätze aber, die den Band eröffnen, gehen die große, immer wieder angeschnittene Friedrich-Frage an: die nach der Eröffnung des Siebenjährigen Krieges durch den preußischen Einfall in Sachsen 1756.
„Die Empörung gegen Friedrich war grenzenlos”, schreibt Thomas Mann in „Friedrich und die Große Koalition”. Es war Thomas Manns Beitrag zur geistigen Kriegsführung 1914. Einfall in Sachsen 1756, Einfall in Belgien 1914: „Deutschland ist Friedrich”. Später hat Mann sich politisch von dieser Art geistigen Kriegsdienstes distanziert, den „psychologischen Realismus”, die „tragisch-humoristische Schärfe” des Friedrich-Portraits aber verteidigt, und wie Kunisch meint, unbedingt zu recht. Am boshaften, verschlagenen, rücksichtslosen Charakter des Helden lässt Mann keinen Zweifel. Aber er verteidigt dessen Recht, 1756 den Krieg zu eröffnen – und allein, weil auch die gegnerische Partei sittlich bedenklich dastehe. Manns Argument ist eines, das in der deutschen Geistesgeschichte eine große, tief zweifelhafte Rolle spielt: „Sein Recht war das Recht der aufsteigenden Macht, ein problematisches, noch illegitimes, noch unerhärtetes Recht, das erst zu erkämpfen, erst zu schaffen war.”
Im schriftstellerischen Glanze Thomas Manns gipfelt ein historistisches Denken, das dem positiven wie dem Naturrecht das Recht des Lebens, des Entstehens entgegenstellt. Alles Werdende und Wachsende habe ein Recht, in jeder historischen Formation zeige sich ein Gedanke Gottes. Darin liegt eine Harmonisierung von Recht und Macht, die Neigung des deutsche Historismus zu einer Art von sittlich überhöhtem Machtpositivismus. Es ist das, was der Publizist Onno Klopp, ein Mann der katholisch-großdeutschen, also antiborussischen Sicht, im „Historikerstreit” um den Siebenjährigen Krieg, den Kunisch mit Sorgfalt ausgebreitet hat, als die „grausige Lehre” der Zeit bezeichnete: Dass für das Machtstreben des preußischen Staates die Gesetze der Moral „unverbindlich seien”. Und Klopp diagnostizierte, dass ein großer Teil der Gebildeten „von dieser Lehre angefressen” sei.
Das trifft einen faulen Punkt im politisch-historischen Denken der Deutschen – aber wie modern ist das auf der anderen Seite! Das Abstreifen des Formelkrams, die Zurückführung des Staates auf die Interessen seiner Bürger, die Überzeugung von den sozialen Aufgaben der Regierung. Der großartige James Boswell, dessen „Journal” zu den schönsten Büchern des 18. Jahrhunderts gehört, dessen Ehrlichkeit mit sich selbst Zeugnis einer ungeheuren Befreiung des Menschen aus der Konvention ist, James Boswell ist ein Friedrich-Schwärmer wie kaum ein Preuße. 1764, der Siebenjährige Krieg ist gerade zu Ende besucht er Rousseau, und auch der ist ganz durchglüht von Friedrich II.: „Er ist ein ganz besonderer König, ein Sonderfall. Diese Kraft!” Friedrich wurde zum Helden eines Jahrhunderts, weil er, wie sehr er immer den Idealen des französischen Klassik anhing, ein Mann der neuen Freiheit war, der Subjektivität, des Sturm und Drang. Gewiss war die Ausdehnung der eigenen Sphäre der Ehrgeiz aller Fürsten dieser Zeit. Und doch liegt, wie Ludwig Dehio nach dem Zweiten Weltkrieg schrieb, der „scharfe Raubtiergeruch” über der Gestalt Friedrichs. STEPHAN SPEICHER
Johannes Kunisch
Friedrich der Große in seiner Zeit
Essays. Verlag C. H. Beck, München 2008. 268 Seiten, 19,90 Euro.
Ein Fürst schuldet Rechenschaft über die Verwendung der Steuern
„Ein ganz besonderer König, ein Sonderfall. Diese Kraft!”
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