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Nichts ist heutzutage so wenig selbstverständlich wie die Liebe, und nichts wird mit so vielen Erwartungen und Hoffnungen auf Sinn beladen wie eben sie. Da sie in unserer technisierten und verwalteten Welt zum einzigen Freiraum für den einzelnen geworden ist, suchen die Menschen dort weniger die Beziehung zum anderen als vielmehr die vollkommene Selbstverwirklichung. Da die Liebe keinen gesellschaftlichen Regeln und Bräuchen mehr zu dienen braucht, da sie nicht mehr politischer und ökonomischer Vernunft gehorchen muss, ist ihre Basis das Schwankendste und Vergänglichste überhaupt geworden, das…mehr

Produktbeschreibung
Nichts ist heutzutage so wenig selbstverständlich wie die Liebe, und nichts wird mit so vielen Erwartungen und Hoffnungen auf Sinn beladen wie eben sie. Da sie in unserer technisierten und verwalteten Welt zum einzigen Freiraum für den einzelnen geworden ist, suchen die Menschen dort weniger die Beziehung zum anderen als vielmehr die vollkommene Selbstverwirklichung. Da die Liebe keinen gesellschaftlichen Regeln und Bräuchen mehr zu dienen braucht, da sie nicht mehr politischer und ökonomischer Vernunft gehorchen muss, ist ihre Basis das Schwankendste und Vergänglichste überhaupt geworden, das bloße Gefühl. Zwischen Privatleben und Gesellschaft findet, was die Liebe anbelangt, kein Austausch mehr statt. Was kann man da tun? Das Erste und Wichtigste ist wohl, so klug, differenziert und gleichzeitig allgemein verständlich über die Liebe und alles, was mit ihr zusammenhängt, nachzudenken, wie dies der italienische Psychoanalytiker und Philosoph Umberto Galimberti in seinem Buch getan hat. In den neunzehn Kapiteln seines Leitfadens geht es um Begehren, Geld und Einsamkeit, um Idealisierung, Verführung und Scham oder um Verrat und Eifersucht, und so wird der Dschungel der Liebe Stück für Stück gelichtet. Dabei lässt Galimberti gleichzeitig durch viele Zitate und Hinweise die Geschichte der Auseinandersetzung mit der Liebe Revue passieren, von Platon und Rousseau bis zu Freud und Sartre. Am Ende lieben wir vielleicht nicht besser, aber klüger.
Autorenporträt
Umberto Galimberti, geboren 1942 in Monza, ist Anthropologe, Psychoanalytiker und Professor für Philosophiegeschichte und Psychologie an der Universität Ca Focari in Venedig. Seit 1995 schreibt er für La Repubblica. 2002 wurde Galimberti mit dem Preis Maestro e traditore della psicoanalisi ausgezeichnet. Er veröffentlichte u.a.: 'Heidegger, Jaspers e il tramonto dell'Occidente' (1975), 'Gli equivoci dell'anima' (1987, dt.: 'Die Seele. Eine Kulturgeschichte der Innerlichkeit', 2005), 'Orme del sacro' (2000, Premio nazionale Corrado Alvaro 2001) und 'I vizi capitali e i nuovi vizi' (2003).

Annette Kopetzki studierte Philosophie und Germanistik und arbeitete als Lektorin in Italien. Sie übersetzt italienische Literatur und Lyrik, u.a. P.P. Pasolini, Norberto Bobbio, Antonella Andedda und Eri de Luca. Für C.H.Beck übersetzte sie 'Sehnsucht nach Orta' von Laura Pariani (2002) und 'Die blaue Gasse' von Giuseppe Bonaviri (2005).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 31.05.2006

Jeder schreibe sein Gedicht
Umberto Galimberti sammelt Fragmente einer Sprache der Liebe

Wie schön klingt dieses Versprechen, vom Beck-Verlag in Großbuchstaben auf rotem Einband gegeben: "Liebe. Eine Gebrauchsanweisung", verfaßt von dem Philosophen und Psychoanalytiker Umberto Galimberti. Schnell zugreifen, durchlesen, verinnerlichen, und die Zukunft gleicht einem Blütentraum der Erfüllung. Denn nach der Lektüre wird man ja wohl wissen, wie es geht mit der Liebe. Einer Liebe, die alle Menschen entweder suchen oder, und das sind schon die Glückskinder, vorsichtig festhalten; dabei spürend, daß nicht einmal Ketten und Mauern sie halten könnten. Eine Anleitung zum Umgang mit diesem hohen Gut wäre einiges wert. Aber leider handelt es sich nicht um einen Videorecorder, bei dem man nur bestimmte Knöpfe bedienen muß: einschalten, abspielen, Kassette auswerfen.

Gut, daß Umberto Galimberti sich dessen im Gegensatz zu seinem deutschen Verlag bewußt ist. Der Originaltitel lautet "Le cose dell'amore", die technisch anmutende Unterzeile wurde hierzulande nachträglich angefügt. Dem Autor geht es gerade nicht um eine "Gebrauchsanweisung", die der Umschlag vollmundig verspricht, eher um den großen und kleinen Wahnsinn der Liebe, die dort in Verwirrung stürzt, wo sie hinfällt. Ganz rational will der Autor erklären, warum der liebende Mensch sich oft so irrational verhält.

Beim Verweben der Aspekte kommt Galimberti gelegentlich der rote Faden abhanden, doch die erstaunlich apodiktische Essenz seiner Überlegungen liefert er gleich in der Einführung: "Was in der Liebe gesucht wird, ist nicht der andere, sondern die Selbstverwirklichung durch den anderen." Hieb- und stichfeste Belege für diese etwas abgelatschte These, die ja das Thema des Autors zum Verschwinden brächte, sucht man allerdings vergebens. Statt dessen wird oft und gerne gestikuliert, über die Sexualität beispielsweise raunt es folgendermaßen durch das Buch: "Denn jenseits der bestehenden Ordnung spürt die Sexualität, daß die Totalität flüchtig ist, daß der Un-Sinn den Sinn unterminiert, daß das Mögliche das Wirkliche in beängstigendem Maße übersteigt und daß jeder Versuch, sie zu begreifen, implodiert und einen unauslotbaren Abgrund erschafft, der Chaos ist, Öffnung, Aufreißen, schwindelerregende Bereitschaft aller Sinne." So wolkig hört es sich an, wenn man in Ekstase über die Ekstase schreibt. Wenn es um die wilde Metaphysik der Liebe geht, macht der kontrolliert exzessive Georges Bataille doch allemal eine bessere Figur als ein kopfloser Umberto Galimberti.

Überlange und umständlich konstruierte, von keinem Lektor behelligte Sätze wie den eben zitierten findet man viele in diesem liebestollen Buch. Hoch anrechnen muß man dem Autor jedoch, daß er konsequent auf Ratschläge verzichtet. Das ist ja das Grundmißverständnis der Gattung Liebessachbücher: als könne man jemandem in Liebesdingen raten, als müsse nicht jeder seine eigenen Gedichte schreiben, jeder sich selbst auf das Eis des Genres Liebesbrief begeben. "Wenn ein Brief größere Wirkungen erzielt als die reale Anwesenheit des Schreibers, läuft etwas falsch, und die Aussichten sind schlecht." Das ist der einzige handfeste Ratschlag des Buches. Man nimmt ihn gerne an, ist doch das Buch selbst schon ein schlagender Beleg für die Unzulänglichkeit der Sprache gegenüber der Liebe.

Das schließt nicht aus, daß man natürlich neugierig ist auf die Weisheiten der Alten zum Thema, auf Weisheiten, die Umberto Galimberti verdienstvollerweise ausführlich zu Gehör bringt. Von Augustinus über Descartes bis zu Meister Tung-hsüan kommen Fragmente einer Sprache der Liebe zu Wort. Im Kapitel "Liebe und Geld" erwähnt Galimberti das Kantische Ideal, nach dem jeder "sich selbst und alle anderen niemals bloß als Mittel, sondern jederzeit zugleich als Zweck an sich selbst behandeln solle" - ein Wink aus Königsberg, der nicht nur durch die hier angesprochene Prostitution mißachtet wird, sondern in gewisser Weise eben auch durch die Meinung des Autors, jeder suche in der Liebe ja doch nur sich selbst.

Das Buch reizt in jedem Fall zum Selbstexperiment: Welche der versammelten Liebesweisheiten würde man heute mit einem Ausrufezeichen markieren, über die man übermorgen dann nur noch den Kopf schüttelt? Denn so wie sich die Lebensprioritäten verschieben, so wird jeder in unterschiedlichen Lebensphasen andere Kapitel für sich entscheidend finden. Einen besseren Grund, ein Buch immer wieder zu lesen, gibt es nicht.

JULIA BÄHR

Umberto Galimberti: "Liebe". Eine Gebrauchsanweisung. Aus dem Italienischen von Annette Kopetzki.Verlag C.H. Beck, München 2006. 220 S., geb., 14,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Die Liebe hat gewonnen, frohlockt Rezensentin Julia Bähr, über die Schwächen der Sprache im Allgemeinen und Umberto Galimbertis Sprache im Besonderen. Neben verquast umständlichen Sätzen im entrückten Zustand ekstatischer Liebesbeschreibung gebe der Autor beispielsweise auch eine "abgelatschte" These zum Besten wie die von der apriorischen Selbstliebe in der Liebe zum Anderen. Immerhin verzichte Galimberti auf jedwede Ratschläge, und auch die vielen Weisheiten von Augustinus bis zu chinesischen Weisen , die ausgiebig zitiert würden, laden zumindest sie zu häufiger Lektüre ein, so ihr versöhnliches Fazit zu diesem im Endeffekt wohl doch liebenswerten Buch.

© Perlentaucher Medien GmbH