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Das rasche Wachstum der Weltbevölkerung gehört zu den größten Herausforderungen der Zukunft. Dieser Band informiert über die demogrphische Situation der Weltbevölkerung am Ende des 20. Jahrhunderts und über die Wachstumsprognosen für das 21. Jahrhundert. Das Verhältnis zwischen "Erster" und "Dritter" Welt, die Entwicklung der Megastädte und die Zusammenhänge zwischen Bevölkerungs- Entwicklungs- und Umweltpolitik kommen darin ebenso zur Sprache wie Fragen des ethischen Umgangs mit dem Weltbevölkerungswachstum.

Produktbeschreibung
Das rasche Wachstum der Weltbevölkerung gehört zu den größten Herausforderungen der Zukunft. Dieser Band informiert über die demogrphische Situation der Weltbevölkerung am Ende des 20. Jahrhunderts und über die Wachstumsprognosen für das 21. Jahrhundert. Das Verhältnis zwischen "Erster" und "Dritter" Welt, die Entwicklung der Megastädte und die Zusammenhänge zwischen Bevölkerungs- Entwicklungs- und Umweltpolitik kommen darin ebenso zur Sprache wie Fragen des ethischen Umgangs mit dem Weltbevölkerungswachstum.
Autorenporträt
Herwig Birg ist Professor für Demographie und Direktor des Instituts für Bevölkerungsforschung und Sozialpolitik der Universität Bielefeld. Er gehört zu den weltweit renommiertesten Experten für Bevölkerungsfragen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.11.1996

Der Mensch als Art und Zahl
Ein instruktives Buch über das Wachstum der Weltbevölkerung

Herwig Birg: Die Weltbevölkerung. Dynamik und Gefahren. Beck'sche Reihe Wissen 2050. Verlag C.H. Beck, München 1996. 144 Seiten, 14,80 Mark.

Was kann es Interessanteres geben als die Beschäftigung des Menschen mit seiner eigenen Art und Zahl? Doch die Bevölkerungswissenschaft steht zumindest in Deutschland nicht besonders hoch im Kurs. Der Verfasser des hier vorgestellten Buches, einer der wenigen Demographen in der Bundesrepublik, Direktor des Instituts für Bevölkerungsforschung und Sozialpolitik an der Universität Bielefeld, beklagt mit Recht, daß die Öffentlichkeit zum Beispiel den Prognosen, die Demographen bei einer Anhörung des Bundestages vor der Enquête-Kommission "Demographischer Wandel" Anfang dieses Jahres abgaben, nur wenig Aufmerksamkeit schenkte.

Das Thema ist vielen Leuten offenbar lästig, vielleicht auch zu kompliziert, ganz gleich, ob es sich um Fragen des raschen Wachstums der Weltbevölkerung handelt oder um Sonderprobleme, die entstehen, wenn in einigen Ländern Westeuropas die Bevölkerung schrumpft. Birg hat sich immer wieder bemüht, dieser Verdrängung mit seinen Veröffentlichungen entgegenzuwirken. Möglicherweise waren sie zu fachlich-wissenschaftlich. Diesmal ist es ihm gelungen, eine Form zu finden, die es Lesern ohne demographische Vorkenntnisse leichtmacht, sich in kurzer Zeit einen Überblick über den gegenwärtigen Stand der Forschung und ihrer praktischen Auswertung zu verschaffen. Man muß es nur wollen.

Wer sich dazu durchringt, wird es nicht bereuen. In zehn kurzen, allgemeinverständlichen Kapiteln wird der Leser umfassend über alles Wissenswerte auf dem Gebiet der Bevölkerungswissenschaft unterrichtet, auch über die Geschichte der Bevölkerungstheorie. Insbesondere lernt er die wichtigsten Grundbegriffe der Demographie kennen: die Fertilität (ein Wort, das mit "Fruchtbarkeit" nur unzureichend zu übersetzen ist), die Mortalität, die Geburtenrate, die Nettoreproduktionsrate, die Altersstruktur und noch einiges mehr. Wer diese Fachausdrücke so gut erklärt bekommt wie in diesem Buch, wird ihre Bedeutung wohl kaum jemals wieder vergessen. Auch vor dem von Birg ausgebreiteten Zahlenmaterial, seinen Schaubildern und Tabellen braucht sich niemand zu fürchten. Mehr als das unbedingt Notwendige wird dem Leser nicht zugemutet.

Was die im Untertitel erwähnte Dynamik des Wachstums der Weltbevölkerung angeht, so lehnt Birg das Wort "Bevölkerungsexplosion" ab. Es treffe nicht, sagt er, "weil das Bevölkerungswachstum einem lawinenartig anschwellenden Vorgang von hoher Regelhaftigkeit gleicht und nicht einem punktuellen, chaotischen Ereignis". Das klingt einleuchtend. Es rollt also eine Lawine. Und wie sie rollt. Sie ist im jetzt zu Ende gehenden Jahrhundert dramatisch angeschwollen.

In nur siebzig Jahren, nämlich von 1926, als die zweite Menschen-Milliarde erreicht wurde, bis heute, hat sich die Weltbevölkerung verdreifacht. Das Tempo, in dem das geschah, wird besonders deutlich, wenn man sich vergegenwärtigt, daß bis zur dritten Milliarde noch 34 Jahre vergingen (1960), bis zur vierten nur noch 14 Jahre (1970) und bis zur fünften nur noch 13 (1987). Vermutlich 1998, also nach nur elf Jahren, wird die sechste Milliarde erreicht sein. Aber das ist noch nicht das Ende. Es geht weiter mit dem raschen Wachstum fast bis zur Mitte des nächsten Jahrhunderts. Erst dann wird sich die Schrittfolge wieder etwas vergrößern, bevor nach allen Prognosen der Fachleute Mitte des zweiundzwanzigsten Jahrhunderts das Wachstum allmählich in einen stationären Zustand übergehen wird.

Wie sicher sind solche Zahlen? Birgs Antwort: Bevölkerungsvorausberechnungen sind wesentlich zuverlässiger als Wirtschaftsprognosen. Sie sind keine Prophezeiungen, sondern "Wenn-Dann-Aussagen". Das heißt: Wenn die Annahmen über das generative Verhalten der Menschen und ihre künftige Lebenserwartung einigermaßen realistisch getroffen werden können - und das können sie -, dann sind auch die daraus abgeleiteten Prognosen zutreffend. Reine Rechenfehler können ausgeschlossen werden. Für die nächsten Jahrzehnte steht sowieso auf jeden Fall fest, daß alles so kommen wird, wie Weltbank, Vereinte Nationen und die Forschungsinstitute voraussagen, weil sich an der Altersstruktur der Weltbevölkerung, die dafür maßgebend ist, in dieser Zeit wenig ändern wird.

Na und? wird mancher sagen. Es ist doch noch so viel Platz auf der Erde. Das mag, statistisch betrachtet, so aussehen. Doch dorthin, wo angeblich "noch so viel Platz ist", kann man die Menschen nicht bringen, die in den am dichtesten besiedelten Gebieten der Erde leben. 90 Prozent des Bevölkerungswachstums entfallen auf die Entwicklungsländer, die es ohnehin am schwersten haben. Und in dieser Staatengruppe wiederum sind es vor allem die allmählich aus den Fugen geratenen Megastädte, die das größte Wachstum zu verzeichnen haben, mit allen damit verbundenen Gefahren. Was sich in diesen Agglomerationen zusammenbraut, kann man sich leicht ausmalen.

Gewaltige Völkerwanderungen vom Land in die Stadt sind weiterhin im Gange oder stehen bevor. Ohne diese Migrationen wäre die Weltbevölkerung jedoch wahrscheinlich noch stärker gewachsen. "Daß der Anteil der Weltbevölkerung, die in Städten lebt, von 1950 bis 1995 von 29,3 auf 45,2 Prozent gestiegen ist", schreibt Birg, "ist unter den vielen Größen, die die weltweite Abnahme der Geburtenrate verursacht haben, die wichtigste." Die zunehmende Verstädterung der Welt hat also auch eine positive Seite. Bis zum Jahre 2025 wird von den Vereinten Nationen ein weiterer Anstieg der Stadtbevölkerung auf 61 Prozent vorausberechnet. Je höher das Pro-Kopf-Einkommen der Menschen in diesen Regionen ist und je schneller es wächst, desto niedriger ist dort die Fertilität, und desto rascher nimmt sie ab. In den wirtschaftlich am stärksten prosperierenden Agglomerationsräumen Asiens ist die Fertilität bereits unter das Ersatzniveau gesunken. Doch es wird lange dauern, bis sich das zahlenmäßig auswirken kann.

Das Thema Alterung wird daher über kurz oder lang keiner Region erspart bleiben. Die demographische Situation Deutschlands ist da keineswegs singulär. Andere Länder befinden sich in ähnlicher Lage oder sind auf dem Wege dorthin. Wer sich fragt, warum das so ist, findet bei Birg viele sachliche Antworten ohne moralische Bewertung. Sein Fazit: Je größer der individuelle Wohlstand und die kollektive Wohlfahrt sind, desto mehr weicht die Geburtenrate von dem für die Bestandserhaltung der Bevölkerung erforderlichen Niveau ab. Die Lücke muß, wenn die Einwohnerzahl nicht zurückgehen soll, von Zuwanderern gefüllt werden. So geschieht es gegenwärtig bei uns. Wie lange man das fortsetzen kann oder sogar muß, ist vor allem eine politische Frage.

Die durchschnittliche Kinderzahl pro Frau sinkt in der Wohlstandsgesellschaft, weil der Anteil der lebenslang kinderlos bleibenden Frauen zunimmt und die Häufigkeit der Familien mit drei oder mehr Kindern abnimmt. Die Ein-Kind-Familie ist, wie Birg herausgefunden hat, relativ selten. Wenn sich junge Leute zu Kindern entschließen, dann haben sie meist zwei Kinder, selten nur eins. Andere Behauptungen entsprechen nicht den Tatsachen. Instrumente der Familienpolitik reichen nach Ansicht des Verfassers nicht aus, um die deutsche Geburtenrate von jetzt 1,3 auf zwei Kinder je Frau zu erhöhen. Was nötig wäre, schreibt Birg, "ist ein vollständiger, innovativer Umbau der gesamten Geselllschaft". Wie ein solcher Umbau im einzelnen auszusehen hätte, verrät Birg allerdings nicht. Er bezweifelt auch, daß "diese gigantische Aufgabe" jemals bewältigt werden könne, "solange es üblich ist, Geburtendefizite einfach durch Einwanderungen zu kompensieren oder sogar überzukompensieren".

Ein wichtiges, ein gewichtiges Buch, auch wenn es nur ein Taschenbuch ist, wichtiger als viele der wichtigtuerisch daherkommenden, glanzvoll aufgemachten, mit viel Werbeaufwand vorweg hochgelobten dicken Wälzer mit dürftigem Inhalt. Ob wenigstens einige Politiker, an die sich Birg im Schlußkapitel wendet, weil seiner Meinung nach "alle Bevölkerungsprobleme letztlich politische Probleme sind", einen Blick hineinwerfen werden? KLAUS NATORP

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