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Familiengeschichte ist - wenn man sie richtig zu lesen versteht - ein Buch der Schicksale, der zufälligen Begegnungen und notwendigen Folgen, der Kreuzung von großer und alltäglicher Geschichte, des menschlich Besonderen und Folgenreichen. Kaum einer der jüngeren Autoren kann so elegant und detailreich über dieses Thema schreiben wie Fridolin Schley: Verbunden sind die fünf langen Erzählungen von 'Schwimmbadsommer' durch sechs kleine Variationen über den Vater; Miniaturen, die Schleys poetisches Deutungsvermögen und seinen Witz in Reinform zeigen. Der Autor versteht es, unserem scheinbar…mehr

Produktbeschreibung
Familiengeschichte ist - wenn man sie richtig zu lesen versteht - ein Buch der Schicksale, der zufälligen Begegnungen und notwendigen Folgen, der Kreuzung von großer und alltäglicher Geschichte, des menschlich Besonderen und Folgenreichen.
Kaum einer der jüngeren Autoren kann so elegant und detailreich über dieses Thema schreiben wie Fridolin Schley: Verbunden sind die fünf langen Erzählungen von 'Schwimmbadsommer' durch sechs kleine Variationen über den Vater; Miniaturen, die Schleys poetisches Deutungsvermögen und seinen Witz in Reinform zeigen. Der Autor versteht es, unserem scheinbar friedlichen Alltag die dramatischen Spannungen abzulauschen, nebenbei wunderschöne Liebesgeschichten schreibt, wie die Tennisgeschichte, bei der der Matchwinner doch der eifersüchtige Verlierer ist.
Autorenporträt
Fridolin Schley wurde 1976 in München geboren. Er studiert an der dortigen Hochschule für Fernsehen und Film, sowie Germanistik, Politik und Geschichte an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität. Im Wintersemester 1999 und im Sommersemester 2000 nahm er am neugegründeten Studiengang für Creative Writing der LMU München teil. Er wurde mehrfach ausgezeichnet, u. a. mit dem Bayerischen Staatsförderpreis.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.06.2003

Hauptberuf Sohn
Satzball vergeben: Fridolin Schley erzählt vom Erwachsenwerden

Er ist ein ziemlich braver Bursche, der Erzähler in Fridolin Schleys zweitem Buch, das biographisch anmutende Kurzgeschichten enthält. Ein braver Sohn einer ebenso braven, bildungsbürgerlichen Familie. Die Eltern, beide ehemalige Philosophie-Studenten, lesen gemeinsam mit ihm die Gerechten von Albert Camus "im Wohnzimmer mit verteilten Rollen", bis die Mutter "nach dem Rollbraten sehen" muß. Auch sonst sind die Positionen klar verteilt in Schleys wohlhabendem Münchner Vorstadtkosmos: Die Familie ist Mitglied im örtlichen Tennisverein, kredenzt dem Sprößling vor den Vereinsmeisterschaften "Haferbrei, so wie immer, wenn etwas Wichtiges bevorstand" - und bringt ihm zum Finale "das kleine Handtuch" vorbei.

Der Sohn wiederum bedankt sich bei den Eltern mit einem Pokal, mit einem "Einserabi", mit einer Reportage über Jugendliche im zerbombten Sarajevo, mit der er sich Hoffnungen auf einen Förderpreis für junge Journalisten macht. Und avanciert spätestens dann zum Traum jeder Schwiegermutter, als er beim Schäferstündchen mit der Freundin artig aus Weischedels Philosophischer Hintertreppe vorliest: "Jedesmal, wenn er bei ihr blieb, einen Philosophen." Schleys Rückblick auf ein westdeutsches Heranwachsen in besseren Kreisen wirkt tatsächlich so heile und unangekränkelt von jedweder Anfechtung, als hätte ihm dabei der Drehbuchautor einer "Traumschiff"-Folge für Philosophie-Erstsemester zur Seite gestanden.

Zur pubertären Herausforderung wird hier bereits ein titelspendender "Schwimmbadsommer", in dem der Neuntkläßler die großen Ferien ausnahmsweise einmal daheim verbringen muß: "Abscheulich, dieses Gefühl, im August zuhause aufzuwachen, wie vergessen, wie zum Sommer nicht eingeladen", erinnert sich der junge Mann jammervoll. Ja, abscheulich - doch gibt es nicht größere Probleme? Etwa der für Teenager übliche Generationskonflikt? Schlechte Noten? Zukunftsangst? Gar nagender Liebeskummer? Keine Silbe davon erfährt man von Schleys "Erinnerungstourist" bei der Analyse des eigenen Werdegangs. Wirklich eklige Pickelprobleme haben hier stets andere, deren kleinere und größere Bruchlandungen er dann schildert wie ein Voyeur mit gehörigem Sicherheitsabstand. Als sich etwa ein Klassenkamerad kurz vor dem Abitur mit dem Auto zu Tode rast, entfährt dem Erzähler: "Schon seltsam, die Sache mit der Trauer . . . Bald würde man die Freude über das Einserabi unterdrücken müssen." Es sind solche blasierten Bemerkungen, die Schleys Erzählerfigur schnell als Streber diskreditieren, der kaum persönliche Mängel eingestehen kann.

Ganz offensichtlich ist er an der zentralen Aufgabe des Erwachsenwerdens - der Abnabelung von den Eltern - gescheitert. Nicht weniger als gleich fünf der zehn Kapitel sind im Buch dem Vater gewidmet, unter der wiederkehrenden Überschrift: "Vater ist . . . ". Das klingt nicht umsonst wie "Liebe ist . . .", jener in den achtziger Jahren unter Pärchen beliebten Aphorismen-Serie. Denn egal, mit welchem früheren Idol der Sohn seinen alten Herrn auch vergleicht, ob er nun den Indianerhäuptling Tecumseh heranzieht, den Tennisspieler Ivan Lendl, den Fußballer Frank Mill, James Dean oder John F. Kennedy: Vati ist und bleibt für ihn immer noch der Größte. Neben einem "Schelmencharme", einer Ähnlichkeit mit "dem fabelhaften Robert Redford", bundesligareifen Fußballerqualitäten und anderen Heldentaten billigt der Filius ihm sogar die Befähigung zu, zu "küssen, als hätte er die entsprechende Fakultas mit Prädikat erworben". Kurzum: Dieser Vater wirkt wie aus dem California-Dreamboy-Kalender entsprungen.

Und die übertriebene Hommage des Sohnes an ihn ist leider gar nicht ironisch gemeint. Schließlich hat Schley, Jahrgang 1976, nachweislich ein Faible dafür, den Biographien von Eltern und Großeltern nachzuspüren. Schon sein Debütroman "Verloren, mein Vater" war der Bericht eines Sohnes, der das unverhoffte Verschwinden des Vaters nutzt, um seiner Herkunft genauer auf die Schliche zu kommen. Doch war Schleys Tonfall damals längst nicht so dünkelhaft wie diesmal, wo sein Erzähler explizit "stolz" darauf ist, von einem "dollen Studenten" abzustammen. Man fragt sich im Zweitling unwillkürlich, wie ein Lektor eigentlich so viel an Selbstgefälligkeit überlesen konnte, die um so ärgerlicher anmutet, als der bereits mehrfach prämierte Nachwuchsautor durchaus Schreibtalent besitzt.

Das wird besonders in "Schöner Ball" deutlich, der einzig wirklich gelungenen Geschichte des Bandes. Endlich bekommt der berichtende Sohn einmal den altklugen Kopf aus den Büchern und kassiert überdies eine echte Niederlage. Auch wenn er das Juniorenfinale der Gautinger Tennismeisterschaften noch bravourös gewinnt, weil er plötzlich jene "Rückhand von Stefan Edberg" beherrscht, um die er andere sonst nur beneidet, geht der Erfolgsverwöhnte diesmal als Verlierer vom Platz: Denn nach dem "Spielrausch" holt ihn die bittere Erkenntnis ein, daß es immer noch etwas "anderes auf der Welt gibt, das Eifersucht verdient". Dieses Etwas heißt in seinem Fall Martina, ist "eine gänzlich andere Form von Mensch" - und dummerweise nicht in ihn, sondern seinen geschlagenen Gegner verliebt.

Es sind genau solche, fast unmerkliche Umschlagspunkte, die aus Biographien unverhofft Schicksale machen - und aus Pubertätsgeschichten mit einem Mal Literatur. Doch Schreiben so ganz ohne Risiko, so ganz ohne Preisgabe seiner selbst und vor allem ohne dabei die Hand des Vaters jemals ganz loszulassen, geht eben einfach nicht.

GISA FUNCK

Fridolin Schley: "Schwimmbadsommer". Erzählungen. Verlag C. H. Beck, München 2003. 240 S., geb., 17,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 04.04.2003

Gute Nacht,
John-Boy!
Anti-Popliteratur: Fridolin
Schleys „Schwimmbadsommer”
Das Grundgefühl der achtziger Jahre war Fatalismus, eine seltsame Form von Schicksalsergebenheit. Zumindest für diejenigen, die jung waren, Kinder oder Teenager. Die Zeit schien gefroren, der Atomkrieg unausweichlich, der Regen sauer, die Umwelt zerstört – und niemand konnte sich vorstellen, dass es einen Notausgang geben könnte aus dieser apokalyptischen Endlosschleife. 1987 fühlte sich an wie 1988, auch das Jahr 1989 brachte, trotz Mauerfall, keine Wende, und als die neunziger Jahre begannen, waren die Achtziger, rein stimmungsmäßig, noch lange nicht zu Ende. Und jährlich grüßt das Murmeltier!
Keine Ahnung, wie wir es geschafft haben, da lebend rauszukommen. Irgendwann war es jedenfalls doch vorüber, dieses unendlich scheinende Jahrzehnt, doch aus unerfindlichen Gründen entstand schon bald das Bedürfnis, die Epoche wiederzubeleben. So genannte Revival-Bewegungen werden virulent, wenn die Kinder und Teenager von einst, mit Mitte zwanzig, der erste Nostalgieschub ihres Lebens ereilt. Meist fängt es in der Popmusik an, geht im Kino weiter und kurz bevor die Welle ausläuft, erreicht sie gelegentlich auch die Literatur, das in dieser Hinsicht schwerfälligste Medium. Der Schriftsteller Fridolin Schley ist 26 Jahre alt. In seinem Erzählungsband „Schwimmbadsommer” wird Mezzo-Mix getrunken, mit Playmobil-Figuren gespielt, ein C-64-Computer bedient und sehr viel Tennis gespielt. Eine ganze Geschichte ist um die Bewunderung für Stefan Edberg herum gebaut, der mit seiner stoisch- schwedischen Art und seinem Effizienz-Tennis in den achtziger Jahren zur Leitfigur wurde, zur Verkörperung des Prinzips „Leistung muss sich wieder lohnen”.
„Schöner Ball” heißt die Erzählung, in der ein Underdog den Titelverteidiger beim Finale der Gautinger Tennismeisterschaften im Junioren- Einzel schlägt, doch am Ende wird der Verlierer von seiner schönen Freundin abgeholt – der Sieger bleibt allein zurück auf dem Sandplatz und wird schwer melancholisch. Er erkennt, wie falsch es war zu glauben, dass im Leben „allein Stefan Edbergs Rückhandslice Eifersucht verdiene”. In seiner empfindsamen Wahrnehmung fügen sich die Spielabläufe zu einer Initiationsgeschichte, er sieht das Ende seiner Kindheit gekommen. Adoleszente Männer neigen ja manchmal zu einer etwas dramatischen Sicht der Dinge, auch wenn es nur um Tennis geht, und da auch nur um die Würmtal-Liste, nicht um die Weltrangliste.
Vanille-Prosa
Dem Autor Fridolin Schley, 1976 in München geboren, scheint es wichtig, seine Erzählungen geographisch genau zu erden, in Gauting und Planegg und Stockdorf, er will jugendliche Heimatgeschichten aus Bayern schreiben und Familiengeschichte. Das Buch besteht aus fünf längeren Stories, dazwischen stehen Porträt-Skizzen, dem Vater gewidmet, in denen der Ich-Erzähler ihn wahlweise als James Dean, John F. Kennedy und als – schon wieder Tennis! – Ivan Lendl imaginiert. Schley schreibt offenbar gern über Väter, sein erster, im Jahr 2000 erschienener Roman trägt den Titel „Verloren, mein Vater”. Er wurde zu einer Zeit veröffentlicht, als die spontane Begeisterung für die „Pop- Literatur” einem ebenso unreflektierten Verdruss an ihr gewichen war. „Dieses Buch ist so gar nicht popmodern”, gratulierte der Schriftsteller Uwe Timm. „Es kümmert sich nicht um Labels, Partygeschwätz, Karrierebestrebungen. Keine Medienfuzzis, so gut wie keine schicken Leute. Der Roman wirkt nicht trendy, sondern auf eine geradezu altmodische und damit ganz neue Weise nachdenklich.”
Mit diesem emphatischen Urteil über den Vorgänger wird jetzt offensiv für Fridolin Schleys zweites Buch geworben. Und „Schwimmbadsommer” ist in der Tat so etwas wie das Gegenteil von Popliteratur. Das Buch liest sich, als hätte dem Autor beim Schreiben jemand über die Schulter geschaut und zugeflüstert: „Ja, jung soll es sein, aber um Himmels willen kein Pop!” Das Gegenteil von Pop ist in Deutschland leider oft Innerlichkeit, Lebensferne. So antwortet bei Fridolin Schley der Vater seinem Sohn auf die Frage, warum er Philosophie studiert habe: „Ja, das ist interessant, nicht wahr? Ich vermute, ich war fasziniert davon und bin es noch immer, dass man einfach nicht aufhören kann, sich Fragen zu stellen, die man nicht beantworten kann.” Auch die Schüler im Freibad reden in diesem Buch so, als hätten sie zu viel Feuilleton gelesen.
Einmal spielt die ganze Familie im Wohnzimmer das Stück „Die Gerechten” von Albert Camus nach, wobei die Mutter mehrmals ihren Einsatz verpasst, weil sie „im Ofen nach dem Rollbraten sehen” muss. Eine Szene wie bei den „Waltons”, idyllisch und spießig, man wartet förmlich darauf, dass es dunkel wird und jemand ruft: „Gute Nacht, John-Boy” ... „Gute Nacht, Fridolin”.
Die Welt, die Fridolin Schley beschwört, wird von nachdenklichen Leisetretern bevölkert, es geht unendlich diskret und dezent zu. So sehr, dass man sich fast nach Partygeschwätz, Karrieregeilheit, Medienfuzzis sehnt – nach Pop. Bei den Pop-Literaten wurden Scout-Rucksäcke als Zeichen ihrer Zeit ernst genommen, bei Schley dienen sie nur als Geschmacksverstärker in einer ziemlich laschen Vanille-Prosa.
OLIVER FUCHS
FRIDOLIN SCHLEY: Schwimmbadsommer. C.H. Beck Verlag, München 2003. 239 Seiten, 17,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Als erstaunlich harmlos und "ungewöhnlich affirmativ" schildert Sebastian Domsch die Prosa von Fridolin Frey, der seines Erachtens zu der Generation der jüngeren Schriftsteller zählt, denen die Eltern keine Feindbilder mehr darstellen und die diesbezüglich entsprechend wenig Konfliktstoff empfinden. Mit "affirmativ" meint Domsch denn auch die liebevolle Ehrung des Vaters allgemein, denn zwischen die fünf längeren Erzählungen hat Frey kleine Miniaturen geklemmt, die den Vater - stets positiv - in den verschiedensten Rollen zeigen: als Lehrmeister und Spielgefährten, als Indianerhäuptling, Ivan Lendl oder auch JFK. Diese liebevollen Skizzen gefallen Domsch, weil sie "gänzlich unpathetisch" ausfallen, wie er sagt. In den eigentlichen Erzählungen käme dagegen manchmal etwas Leerlauf auf, da es Frey doch an Reibung mit seiner Umgebung zu fehlen scheine. Was passieren könnte, wenn sich Frey von der privaten Vergangenheitsbewältigung, wo es ja nicht viel zu bewältigen gilt, wie es scheint, freigeschrieben hat, deutet sich für Domsch in der vorletzten Erzählung "Bis Hicki kommt" an. Hier verlässt Frey das Münchener Milieu und gerät in den deutschen Osten: unglaubhaft, befindet Domsch, und viel zu harmlos.

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