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"Mein Wort an die Menschen" Albert Schweitzer
"Nachdenklich machen ist die tiefste Art zu begeistern", so formuliert Albert Schweitzer wiederholt das Leitmotiv seiner publizistischen Arbeit. Es gilt nicht nur für die großen Monographien, sondern gerade auch für die vielen kleineren Arbeiten. Die in diesem Band versammelten philosophischen und theologischen Beiträge aus den Jahren 1900 bis 1965 bezeugen dies klar, prägnant und mit großer Aktualität. Ihre Spannweite reicht von wissenschaftlichen Texten bis zu elementaren Orientierungsangeboten für den Alltag. Schon 1936 hatte Schweitzer…mehr

Produktbeschreibung
"Mein Wort an die Menschen"
Albert Schweitzer

"Nachdenklich machen ist die tiefste Art zu begeistern", so formuliert Albert Schweitzer wiederholt das Leitmotiv seiner publizistischen Arbeit. Es gilt nicht nur für die großen Monographien, sondern gerade auch für die vielen kleineren Arbeiten. Die in diesem Band versammelten philosophischen und theologischen Beiträge aus den Jahren 1900 bis 1965 bezeugen dies klar, prägnant und mit großer Aktualität. Ihre Spannweite reicht von wissenschaftlichen Texten bis zu elementaren Orientierungsangeboten für den Alltag.
Schon 1936 hatte Schweitzer kulturkritisch befunden: "Das Können des Menschen ist größer geworden als seine Vernünftigkeit." Auf diesem Befund beruht seine Zeitdiagnostik der zwanziger, dreißiger und vierziger Jahre, die er nach dem Zweiten Weltkrieg angesichts neuer Aufgaben und Probleme fortgesetzt und konkretisiert hat. Der vorliegende Band enthält Beiträge zu einem breiten Themenspektrum von der Ethik in der Wissenschaft über den wissenschaftlichen und technischen Fortschritt, den Weltfrieden und die Aufgabe der Schule bis hin zum Vegetarismus und zum Stierkampf. Nicht zuletzt präzisiert Schweitzer hier einige seiner Leitbegriffe und verleiht seiner Deutung der Geistesgeschichte neue Akzente.
Autorenporträt
Der Herausgeber:
Claus Günzler, geb. 1937, ist Professor für Philosophie an der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe und Leiter des Hodegetischen Instituts ebenda sowie Vorsitzender des Vorstands der Stiftung Deutsches Albert Schweitzer-Zentrum in Frankfurt am Main.
Ulrich Luz, geb. 1938, ist Professor für Neues Testament an der Universität Bern. Er ist geschäftsführender Herausgeber von Albert Schweitzers Werken aus dem Nachlaß.
Johann Zürcher, geb. 1926, war Pfarrer und von 1972 bis 1979 wissenschaftlicher Assistent an der Evangelisch-theologischen Fakultät der Universität Bern. Seit 1979 widmet er sich ganz der Herausgabe des Schweitzerschen Nachlasses.

Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.06.2003

Tut er es heute nicht, tut er's nie

1903 veranstaltet der "Protestantisch-liberale Verein" in Straßburg Vorträge über "Das Wesen und Werden des Protestantismus". Vor gebildeten Bürgern und Bürgerinnen spricht im Februar Albert Schweitzer zum Thema "Der Protestantismus und die theologische Wissenschaft". Der achtundzwanzig Jahre alte Privatdozent für Neutestamentliche Theologie feiert die Einheit von protestantischer Religion und kritischer Wissenschaftskultur. Eine selbständige theologische Wissenschaft sei zwar schon bei den Renaissance-Humanisten entstanden; aber durch die Reformation habe die theologische Wissenschaft eine qualitativ neue Bedeutung gewonnen. Luther, Melanchthon und Calvin hätten ihren "Protest gegen die römische Lehre" nur durch strengste wissenschaftliche Argumentation begründen können. "Damit geht der Protestantismus eine auf alle Zeiten unlösliche Verbindung mit der theologischen Wissenschaft ein."

Prägnant skizziert Schweitzer die Geschichte protestantischer Universitätstheologie, die seit dem achtzehnten Jahrhundert dogmatische Lehre und religionsphilosophische Spekulation durch historisch-kritische Erforschung der jüdischen und christlichen Religionsgeschichte abgelöst habe. Indem die historische "Revolution" in der Theologie alte heilige Überlieferungen zerstört habe, sei Bewegungsfreiheit erschlossen worden. Im Mut zu autonomer Wissenschaftlichkeit liege die religionskulturelle Identität des modernen Protestantismus. Radikaler Wahrhaftigkeit erkennt Schweitzer eine konstitutive Bedeutung für die Bildung zukünftiger Pfarrer zu: Nur in der konstruktiven Auseinandersetzung mit den Krisen, die aus den tiefen Spannungen zwischen überlieferten religiösen Gehalten und moderner wissenschaftlicher Rationalität resultierten, lasse sich eine "persönliche Überzeugung", eine reife individuelle Christlichkeit gewinnen. Verrate der Protestantismus dieses "Bündnis mit der Wissenschaft", so zerstöre er sein Wesen. "In dem Augenblick, wo der Protestantismus von der Wissenschaft ließe, wäre er gerichtet und vernichtet."

Schweitzers Vortrag über die wissenschaftliche Theologie war selbst vielen Spezialisten nicht bekannt. Er läßt sich nun in einer gelungenen Auswahl von Arbeiten aus den Jahren 1900 bis 1965 lesen (Albert Schweitzer: "Vorträge, Vorlesungen, Aufsätze". Werke aus dem Nachlaß. Herausgegeben von Claus Günzler, Ulrich Luz und Johann Zürcher. Verlag C. H. Beck, München 2003. 421 S., geb., 58,- [Euro]). Kulturphilosophische Essays stehen neben philosophiehistorischen Vorlesungen, theologische Aufsätze neben religiösen "Texten zum Alltag". Sichtbar werden die faszinierend reichen Bildungswelten, die sich der vielseitig begabte fromme Intellektuelle in harter Arbeit erschlossen hatte. Schweitzer schreibt über Goethe, Kant und Schopenhauer, berichtet in elegantem Französisch über die indische Ethik "der Nicht-Anerkennung von Gewalt" und kritisiert die zeitgenössische Psychiatrie mit ihrer Tendenz, religiöse Genies zu pathologisieren. Auch kämpft er gegen Stierkämpfe, in denen Leid und Tod von Tieren zum Vergnügen inszeniert werden, und erzählt von Begegnungen mit Rudolf Steiner.

Der berühmte Autor, der durch seine Arbeit in Lambarene zu einem weltweit verehrten Heiligen gelebter Humanität wird, setzt sich spätnachts noch an den Schreibtisch, um in Leserbriefen an europäische Zeitschriften seine Ethik der "Ehrfurcht vor dem Leben" zu vertreten. Er kritisiert hier die Wiedereinführung der grausamen "Falkenjägerei" in der Schweiz ebenso wie den neuen Kult viriler Körperlichkeit, mit dem linke wie rechte Sturmtruppen in den zwanziger Jahren Härte, Rücksichtslosigkeit und Gewaltbereitschaft zu Idealen neuer politischer Bindung verklären. Schweitzers Ethik ist auf den Grundton einer elementaren Anerkennung auch der Schwächsten gestimmt. Seine Texte spiegeln zumeist Bescheidenheit, Demut und hohe Sensibilität im Umgang mit Leidenden. Bisweilen zeigt er aber auch akademischen Dünkel. In der "Selbstdarstellung seiner theologischen Entwicklung", die er 1926 für einen jungen deutschen Theologiestudenten schrieb, entfaltet er bestechend klar werkgeschichtliche Zusammenhänge zwischen seinen großen theologischen Büchern und seiner Kulturphilosophie. Jesu Lehre und Wirken will er sehr viel klarer als jeder andere Neutestamentler der Zeit erfaßt haben. Auch sei seine "lebendige Popularphilosophie" der Denkakrobatik in den philosophischen Hörsälen überlegen.

Die repräsentative Auswahl aus Schweitzers Gelegenheitstexten läßt die faszinierende lebensgeschichtliche Konsequenz sichtbar werden, mit der der Kantianer das Wissen um die Grenzen theologischer Vernunft in einen Habitus praktischer Christlichkeit überführte. Als ihn das "Neue Wiener Journal" 1931 um einen Beitrag zur Umfrage nach der "letzten Wahrheit meines Lebens" bittet, beschreibt er die "Ehrfurcht vor dem Leben" als "ethische Mystik": "Ich wage es, alles Rätselhafte der Welt und unseres Daseins als unlösbar dahingestellt zu lassen und mich, um meinem Leben einen Sinn und Wert zu geben, an das einzige, was wir erkennen können, zu halten: daß Liebe Licht und Nicht-Liebe Finsternis ist." Die Übersendung des Textes verbindet der Autor mit einem kleinen Zusatz: "Dies ist abends auf dem Äquator in feuchter, dumpfer Luft nach der Arbeit im Spital geschrieben. Tue ich es heute nicht, so weiß ich nicht, wann ich dazu komme." Im asketisch strengen Arbeitsethos des Arztes in Lambarene gewinnt der radikale Wahrheitsernst Gestalt, durch den er die wissenschaftliche Theologie des Protestantismus geprägt sieht.

FRIEDRICH WILHELM GRAF

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

"Herrlich intellektuell", begeistert sich Friedrich Wilhelm Graf, tritt dem Leser Albert Schweitzer in den hier versammelten Texten, einer "gelungenen Auswahl" von Arbeiten aus den Jahren 1900 bis 1965, gegenüber. Schweitzer schreibt da, erfahren wir vom Rezensenten, über Goethe, Kant und Schopenhauer, berichtet in elegantem Französisch über die indische Ethik der "Nicht-Anerkennung von Gewalt" und kritisiert die zeitgenössische Psychiatrie ebenso wie den Stierkampf. Außerdem enthalte der Band einen wichtigen Vortrag Schweitzers zum Zusammenhang von Protestantismus und Wissenschaftlichkeit aus dem Jahr 1903, der, schreibt Graf, "selbst vielen Spezialisten" bislang noch nicht bekannt war.

© Perlentaucher Medien GmbH