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Der Nobelpreisträger und große Schriftsteller Ivo Andric wird mit diesem Buch als Dichter entdeckt und stellt damit seine Vielseitigkeit unter Beweis. Still und leise sind seine Beobachtungen, die in Bildern der Wehmut und der Sehnsucht sein Leben begleiten. Liebeslieder, die an die porösen Balkanfelsen und Klippen erinnern, an die Zweifel und die sich immer wieder stellende Frage: Wer bin ich, wohin gehe ich und warum suche ich immerzu den Weg über die Brücke?Im vorliegenden Band werden Frühwerke der Lyrik und Prosa von Andric vorgestellt, die er im Gefängnis von Maribor und während seiner…mehr

Produktbeschreibung
Der Nobelpreisträger und große Schriftsteller Ivo Andric wird mit diesem Buch als Dichter entdeckt und stellt damit seine Vielseitigkeit unter Beweis. Still und leise sind seine Beobachtungen, die in Bildern der Wehmut und der Sehnsucht sein Leben begleiten. Liebeslieder, die an die porösen Balkanfelsen und Klippen erinnern, an die Zweifel und die sich immer wieder stellende Frage: Wer bin ich, wohin gehe ich und warum suche ich immerzu den Weg über die Brücke?Im vorliegenden Band werden Frühwerke der Lyrik und Prosa von Andric vorgestellt, die er im Gefängnis von Maribor und während seiner Verbannung in die bosnische Provinz geschrieben hat, und tragen starke autobiographische Züge. Zentrales Thema bildet der Zyklus Ex ponto, indessen erstem Gedicht es heißt:Zahlreich sind auch die unterschiedlichenSchmerzen, die Menschen auf dieser Welt erleiden,wo man mit einer schöneren Seele tiefer schluchzt;wer auch nur von einem dieser wahrhaftigen, großenSchmerzen heimgesucht wurde, der ist mein Bruderund mein Freund.
Autorenporträt
Ivo Andric, geb. 1892 in Travnik/Bosnien, gestorben 1975 in Belgrad gestorben, studierte Slawistik und Geschichte in Zagreb, Wien, Krakau und Graz, wo er auch promovierte. 1921 trat er in den diplomatischen Dienst ein. Er vertrat sein Land in Rom, Bukarest, Triest, Genua, Madrid und Berlin. 1939 war er jugoslawischer Botschafter in Berlin. Im Ersten Weltkrieg saß er wegen seiner politischen Tätigkeit in einem österreichischen Gefängnis, im Zweiten Weltkrieg haben ihn die Deutschen interniert. Seine berühmten Romane "Wesire und Konsuln" (I945) und "Die Brücke über die Drina" (I945) schrieb er während seiner Internierung im Zweiten Weltkrieg.
In Belgrad arbeitete er später zurückgezogen an seinen großen Romanen. 1961 erhielt er den Nobelpreis für Literatur.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.01.2013

Er mochte kein Eisbär sein

Aller Anfang ist schwül: Ivo Andrics frühe Schriften lassen schon die Spuren der Stoffe des späteren Literaturnobelpreisträgers erkennen - aber eben nur manchmal.

Im Sommer 1962 verglich der Literaturkritiker Werner Ross den im Vorjahr mit dem Nobelpreis ausgezeichneten jugoslawischen Schriftsteller Ivo Andric in einer enthusiastischen Lobrede, die die Wochenzeitung "Die Zeit" abdruckte, mit Tolstoi, Stendhal und Proust, nannte den jugoslawischen Autor gar, als sei das noch nicht genug, einen "Homer Bosniens". Doch auch ein Homer hat mal klein angefangen. Davon zeugt das Frühwerk Andrics, das jetzt in einer umfassenden Auswahl erschienen ist.

Dem Buch mit Lyrik und lyrischer Prosa ist eine Einführung von Peter Handke vorangestellt, der Andrics frühe Veröffentlichungen als Beleg dafür sieht, wie einer "aus notwendigem Hin- und Hergerissenwerden schmerzhaft als Schreiber geboren wurde, der später nicht anders konnte, als von anderen und wieder anderen, weg von sich selber, zu erzählen". Andric, so zitiert Handke aus einer bemerkenswerten Statistik, sei "einer der neun bis elf großen Epiker des 20. Jahrhunderts" gewesen.

Abgesehen von der anfechtbaren Zahl (es weiß doch inzwischen jedes Kind, dass das zwanzigste Jahrhundert zehn bis zwölf große, vier mittelgroße und einen kleinen Epiker hervorbrachte), hat Handke in seinem Vorwort auf diplomatische und respektvolle Weise zum Ausdruck gebracht, dass Andric kein frühreifer Meister war. In den ersten veröffentlichten Schreibversuchen, zum Teil aus dem Ersten Weltkrieg, als Andric sich in österreichischer Festungshaft befand und "bis zur Erschöpfung und bis zum Wahnsinn" auf die Tür seiner Gefängniszelle starrte, steckt viel Kampf: um gedankliche und sprachliche Präzision, um Rhythmus, Ton und Tempi. Es ist ein Kampf, den der junge Andric oft verlor.Dass er später als berühmter, in alle Weltsprachen übersetzter Autor an sein Frühwerk nicht gern erinnert wurde und Neuauflagen oder Übersetzungen seiner Gedichte untersagte, überrascht nicht. Der junge Andric, mit Trauerflor im Dichterwappen, schrieb einiges, was sich der späte versagt hätte.

Vieles an den frühen Schriften besteht aus Jungmännerarroganz und Geniegehabe samt handelsüblichem Welt- und Menschenekel, hier und da von etwas Gottesschwärmerei durchwirkt. Hinzu kommen ein wenig "Also sprach Zarathustra"-Bühnennebel, jähes Naturlob und fünf Prozent Elastan. Wenn der junge Andric, "eine Beute von Zweifeln und Leidenschaften", der Welt seine zum Bersten gefüllte Innerlichkeit entgegenhält, klingt das zum Beispiel so: "Immer wieder pochte ich vergeblich an die Türen der Menschen und saß dann lange mit blutigen Händen auf einem Stein." Wo jegliche Ironie fehlt, entsteht unfreiwillige Komik: "Am Äquator weinen kleine Kinder, und in Grönland winseln kleine Eisbären."

Großzügig setzt Andric die Schlüsselworte lyrischer Weltzerknirschtheit ein: Das "Geheimnis" kommt in Abwandlungen fünfzehnmal vor, die "Seele" gar 110 Mal, unter anderem als Seelengespräch, Seelenschmerz, Seelentiefe und Seelengewölbe. Immerhin 92 Mal ist irgendetwas "dunkel" oder zumindest "halbdunkel": das Wasser, eine Fichte, eine Mahnung, eine Ahnung, ein Herz, das Meer, die Berge, die Wolken, eine Bauernstube, ein Schauder, eine Straße, das himmlische Feuer, ein Rätsel, der Kosmos, die Worte, der Sinn, ein Schatten und, nicht zu vergessen, die Nacht.

Bestünde das Buch allein aus solchen Aufzeichnungen eines von der falschen Seite gegen das Leben anrennenden jungen Mannes, hätte man sich die Veröffentlichung oder zumindest diese Rezension sparen können. Aber so ist es nicht. In einigen Stücken ist schon der skeptische, geduldige, illusionslose, chirurgisch genaue, dabei aber keineswegs kalte Blick zu erkennen, mit dem Andric später in der "Brücke über die Drina" und anderen beeindruckenden Romanen die Welt beschreibt. Es sind meist tagebuchartige Notizen: "Ihr schreit: Sieg, aber es gibt keinen Sieg, sondern eine kleine blutige Lüge und ein großes Unglück ... Es gibt keine Siege und keine Niederlagen, sondern gleichermaßen immer und überall bei den Besiegten und bei den Siegern nur den geschundenen, erniedrigten Menschen."

Oft wird Andric später die verzweifelte Angst vor der Langeweile in der bosnischen Provinz ähnlich beschreiben wie hier: "Diese Angst ist der bestimmendste Faktor in einem Spießbürger-Leben. Sie ist der Grund für die aberwitzige Sehnsucht nach sozialem Kontakt. Sie treibt die Menschen an, zu heiraten, sich zu duellieren, Sprachen zu lernen, sich mit Politik zu beschäftigen, Fische zu fangen oder Käfer zu sammeln. Sie grinst aus ihrem bösartigen Gerede und ist hellwach bei ihren trostlosen Saufgelagen." Dabei gehört Andric nicht zu jenen, die ihren schonungslosen Blick nur auf andere richten. Er nimmt sich selbst nicht aus: "Wie oft denken wir beim Kennenlernen: Da haben wir einen neuen Freund, doch schon nach einem Tag freundschaftlicher Beziehung glotzen einen das hungrige Ich und die merkwürdige widerwärtige Selbstsucht an."

Manche Szenen finden sich in abgewandelter Form in den Romanen wieder. Da ist die nur wenige Sätze kurze Miniatur einer namenlosen Frau, die aus den Qualen anderer Befriedigung zieht und sich deshalb zur gleichen Zeit mit Hunderten von Leuten verabredet. Und während die Versetzten an verschiedenen Ecken der Stadt vergeblich auf die Frau warten, "steht sie irgendwo am Stadtrand hinter dem Fenster und schaut mit ruhigem Gesicht regungslos auf die Felder im Dämmerlicht". Aus.

Das sind meisterliche Bruchstücke, aus denen Andric später - prägnant, unaufgeregt, ohne ein überflüssiges Wort - seine Prosastücke zusammensetzte. Darum also sollten wir den späten Ivo Andric lesen, den jungen aber den Literaturwissenschaftlern überlassen. Die wollen schließlich auch leben.

MICHAEL MARTENS

Ivo Andric: "Ex ponto". Lyrik und lyrische Prosa.

Aus dem Serbokroatischen von Milos Okuka und Gero Fischer. Wieser Verlag, Klagenfurt 2012. 184 S., geb., 21,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Ein Buch eher für die Literaturwissenschaft, meint Michael Martens, der sich selbst lieber mit dem späteren Werk des jugoslawischen Schriftstellers Ivo Andrić befasst als mit dessen hier in Auszügen vorgestellten Frühwerk, Lyrik mit viel Seele und Dunkelheit darin und dichterischer Weltzerknirschtheit sowie tagebuchartigen Stücken, wie Martens erklärt. Gerade in letzteren hält der Rezensent vor allem nach den Funken Ausschau, aus denen später das Feuer für die Romane des Autors entsteht, Miniaturen, die den skeptischen, genauen Blick des späten Andrić bereits vorfigurieren und dessen Meisterschaft.

© Perlentaucher Medien GmbH