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1911 wird über Libyen zum ersten Mal in der Weltgeschichte eine Bombe aus einem Flugzeug abgeworfen. Genau hundert Jahre später fallen im Zuge des NATO -Einsatzes wieder Bomben auf das Land. Zurück bleibt ein zerfallener Staat, der im Chaos versinkt. Zwischen diesen beiden Angriffen liegt ein Jahrhundert der Zerstörung und des Schreckens aus der Luft: Guernica, Coventry, Dresden und Hiroshima sind traumatische Brandmale unserer Zivilisation, die von dem revolutionären Charakter des Bombenkriegs zeugen. Thomas Hippler schildert in seiner fulminanten und Maßstäbe setzenden Globalgeschichte des…mehr

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Produktbeschreibung
1911 wird über Libyen zum ersten Mal in der Weltgeschichte eine Bombe aus einem Flugzeug abgeworfen. Genau hundert Jahre später fallen im Zuge des NATO -Einsatzes wieder Bomben auf das Land. Zurück bleibt ein zerfallener Staat, der im Chaos versinkt. Zwischen diesen beiden Angriffen liegt ein Jahrhundert der Zerstörung und des Schreckens aus der Luft: Guernica, Coventry, Dresden und Hiroshima sind traumatische Brandmale unserer Zivilisation, die von dem revolutionären Charakter des Bombenkriegs zeugen. Thomas Hippler schildert in seiner fulminanten und Maßstäbe setzenden Globalgeschichte des Kriegs aus der Luft die Entwicklung dieser apokalyptischen Kampfform, die erstmalig die gesamte Bevölkerung ins Visier nimmt und den Krieg als Kollektivstrafe im bittersten Sinne des Wortes demokratisierte. Erprobt in den Kolonialkriegen, findet diese Strategie im Zweiten Weltkrieg auch in den westlichen Zentren ihre tödliche Anwendung, um dann in Vietnam und mithilfe von Marschflugkörpern und Drohnen im Irak und in Pakistan wieder in die Peripherie zu wandern. Der Bombenkrieg soll es möglich machen, überall und jederzeit einzugreifen und die Welt so als Ganze zu regieren. Mit fatalen Folgen: Als Resultat der angestrebten Weltordnung regiert das globale Chaos. Die Regierung des Himmels, die darauf verzichtet, den Boden zu befrieden, markiert den Beginn der Kriege ohne ein Ende, die wir heute überall beobachten können.
Autorenporträt
Hippler, Thomas
Thomas Hippler, geboren 1972, studierte Geschichte, Philosophie und Musik in Berlin, Paris, Florenz und Berkeley. Nach Stationen in Oxford und Lyon lehrt er als Professor an der Universität der Normandie in Caen.

Fastner, Daniel
Daniel Fastner, 1976 geboren, promovierte über materialistische Ansätze der Sprachtheorie. Seit 2005 übersetzt er aus dem Englischen und Französischen. Er lebt in Berlin, in den vergangenen Jahren auch zeitweise in China.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.11.2017

Permanenter Luftkrieg niedriger Intensität

Dem Militäreinsatz von Flugzeugen widmet sich Thomas Hippler- vom klassischen Bombardement bis zur strategischen Lähmung gegnerischer Systeme.

Von Rolf-Dieter Müller

Mit seiner kleinen Schrift zu einem großen Thema zielt der an der Universität in Caen lehrende Historiker und Philosoph auf nicht weniger als eine Entschlüsselung des modernen Krieges. Gemeint ist allerdings ein Beitrag zur aktuellen Debatte um Lufteinsätze gegen terroristische Bedrohungen und "Schurkenstaaten" im Mittelmeerraum und im Nahen Osten. In fesselnd geschriebenen kurzen Essays erzählt Thomas Hippler zunächst die Geschichte des Bombenkriegs seit 1911 und ordnet die einzelnen Kapitel in die zeitgenössischen Kriegstheorien ein. Dabei stützt er sich hauptsächlich auf den Italiener Giulio Douhet (1869-1930), um eine Philosophie der Bombe zu ergründen.

Ausgehend von Italiens Kolonialkrieg in Nordafrika, beschreibt der Autor die Entwicklung bis zu den strategischen Bombardements im Zweiten Weltkrieg. Das zentrale Glied in der Genealogie des Krieges während des 20. Jahrhunderts bilde der Vietnam-Krieg der Vereinigten Staaten von Amerika, meint Hippler. Die Luftwaffe sei in den Mittelpunkt der Verteidigungspolitik gerückt. Nordvietnam habe man strategischen Bombardements nach der Logik des totalen Krieges unterworfen. Im Süden kam das klassische Muster des Kolonialkriegs zur Anwendung. Anders als beim kolonialen police bombing der zwanziger und dreißiger Jahre hätten die Amerikaner aber nicht das Ziel verfolgt, sich das Territorium anzueignen, sondern einen geostrategischen Vorteil zu erlangen. Deshalb setzten sie auf eine Strategie der rücksichtslosen Auslöschung jeglichen Widerstands durch den Einsatz von Luftstreitkräften. "In all seinen Zügen deutet der Vietnam-Krieg bereits die Entwicklung des Kriegs an, wie wir ihn heute kennen", ist Hippler überzeugt.

Es erfolgt der Sprung in den Herbst 1990, als sich nach dem Ende des Kalten Kriegs und der Sowjetunion die bipolare Welt grundlegend veränderte. Der irakische Einmarsch in Kuweit habe für den amerikanischen Präsidenten George Bush die Chance eröffnet, eine neue "Weltordnung" zu etablieren und die globale Führung der Welt zu übernehmen. Was idealistisch die Verwirklichung des Traums vom ewigen Frieden verhieß, bedeutete ein Programm des globalen Neoliberalismus unter amerikanischer Hegemonie.

Parallel dazu wurde die Armee durch Outsourcing und Privatisierung umgebaut und auf die zunehmende Fragmentierung der Welt ausgerichtet. Der hegemoniale Kosmopolitismus setze bevorzugt auf eine Kriegführung unter beispiellosem Einsatz der Luftwaffe, und zwar einerseits in der Form eines "imperialen Neudouhetismus" (zum Beispiel im Irak-Krieg 1991) und andererseits durch massiven Rückgriff auf die "Eliminierung" durch bewaffnete Drohnen in direkter Nachfolge früherer Kolonialkriege.

Hippler setzt sich kritisch mit den modernen Theoretikern des Neudouhetismus auseinander (John Warden III, John Boyd), die den Gegner nicht mehr als einheitliche Instanz, sondern als plurales System beschreiben. Wenn sich etwa der Terrorismus als Weltfeind identifizieren lässt, richtet sich dessen Bekämpfung nicht mehr gegen den Volkssouverän. Indem die Zivilbevölkerung scheinbar als Ziel ausgenommen wird, umgeht man die politischen und moralischen Schwierigkeiten des klassischen Bombardements.

Die zweite konzeptuelle Innovation im Luftkrieg sei der "permanente Krieg niedriger Intensität" mit dem Ziel der strategischen Lähmung des gegnerischen Systems. Damit sei eine Aufweichung der Grenze zwischen Krieg und Frieden verbunden, wie sie bereits in früheren Kolonialkriegen zu beobachten war. Im Ergebnis führe das zu der Notwendigkeit, alle Bereiche zu kontrollieren, in denen sich eine Auseinandersetzung entwickeln könne. Die Konzepte einer "Kriegsführung der vierten Generation" umfassen deshalb explizit auch nichtmilitärische Methoden, um sowohl zivile als auch militärische Ziele zu erreichen.

Auf diese Weise würden wir Zeugen einer Radikalisierung militärischen Denkens. Chinesische Strategen haben in diesem Sinne beispielsweise folgendes Angriffsszenario entwickelt: Zunächst werde mittels Börsenspekulation bei einer feindlichen Nation eine Finanzkrise ausgelöst, dann Computerviren gegen die Stromversorgung, die Medien, Telekommunikation, Verkehrslenkung und so weiter eingeschleust. Panik und Aufruhr könnten dann eine schwere politische und soziale Krise auslösen und die Sicherheitskräfte des Gegners überfordern. Der Einsatz militärischer Gewalt durch den Angreifer wäre nur ein zweiter Schritt.

Kriege der Zukunft, so die Prognose, könnten endlos, dezentriert und ohne nationale Grundlage sein sowie potentiell die gesamte Weltbevölkerung einbeziehen. Die wirkliche Neuerung finde sich nicht im Neudouhetismus, sondern im "permanenten Luftkrieg niedriger Intensität". Dafür stehe exemplarisch die Verwendung von Überwachungs- und Kampfdrohnen. Sie bilden das gewalttätige Gegenstück zu dem, was Jürgen Habermas als "Weltinnenpolitik" bezeichne. "Sie sind der tödliche Knüppel des globalen Büttels."

Nach Hippler bildet das police bombing der kolonialen Vergangenheit möglicherweise die historische Matrix für die Kriege der Zukunft. Schon heute spiele sich der Luftkrieg niedriger Intensität auf denselben Schauplätzen wie zwischen den Weltkriegen ab (Libyen, Irak und Afghanistan). Ob er auf anderer Ebene in einigen Jahren die gesamte Welt betreffen wird, lasse sich nicht vorhersagen. Aber in einer "globalen Aufstandsbekämpfungsstrategie" stelle der Drohnenkrieg nur einen Pol dar, der andere werde von der "Totalüberwachung" gebildet. "Und so viel können wir sagen: Letztere erstreckt sich bereits jetzt auf die gesamte Weltbevölkerung."

Als Historiker versteht es der Autor in anregend geschriebenen Skizzen, einige Aspekte der Luftkriegführung im 20. Jahrhundert zu problematisieren. Ob die von ihm entwickelte Genealogie tragfähig für weitreichende Zukunftsprognosen ist, wird sich erweisen müssen. Hier könnte sich der Blick des Philosophen aus allzu hoher Warte als trüb erweisen.

Thomas Hippler: Die Regierung des Himmels. Globalgeschichte des Luftkriegs.

Aus dem Französischen von Daniel Fastner. Verlag Matthes&Seitz, Berlin 2017. 272 S., 24,- [Euro].

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