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Jonathan Littell erzählt in klassischer Manier die alte Geschichte vom Drama des Menschseins in einem labyrinthischen und abgründigen Text, der eine Reise von Traum zu Traum, von Alptraum zu Alptraum ist. Der unbestimmte Ich-Erzähler, lässt sich von seinen Fantasien und Lüsten treiben und zerstört seine Familie und sich selbst. Mal Mann, mal Frau, mal Täter, mal Opfer, ist er aber auch eine Personifizierung des menschlichen Unbewussten, das sich in unzähligen Spiegeln dieses kunstvollen Textes selbst erzählt. Durch Türen, Gänge und Hotelzimmer wandert der Ich-Erzähler und stößt immer wieder…mehr

Produktbeschreibung
Jonathan Littell erzählt in klassischer Manier die alte Geschichte vom Drama des Menschseins in einem labyrinthischen und abgründigen Text, der eine Reise von Traum zu Traum, von Alptraum zu Alptraum ist. Der unbestimmte Ich-Erzähler, lässt sich von seinen Fantasien und Lüsten treiben und zerstört seine Familie und sich selbst. Mal Mann, mal Frau, mal Täter, mal Opfer, ist er aber auch eine Personifizierung des menschlichen Unbewussten, das sich in unzähligen Spiegeln dieses kunstvollen Textes selbst erzählt. Durch Türen, Gänge und Hotelzimmer wandert der Ich-Erzähler und stößt immer wieder Türen in neue Abgründe seiner Fantasmen auf. In Gewalt, Sex und Macht bricht sich das Prinzip des Lebens Bahn bis es sich selbst zerstört; sexuelle Identitäten lösen sich hier auf wie der Erzähler selbst, der sich durch einen Sprung in klares kaltes Wasser vor sich selbst rettet, bevor er neue orgiastische Räume voll überhitzter Sexualität, Perversion und extremer Gewalt betritt. Begleitet vonMusik, die der Erzähler hört und Bildern, die er sich wie dem Leser ins Gedächtnis ruft, gerät der Text gleichsam ins Schweben. In Wiederholungen, die wie Déjà-vus wirken, und eigene Bilder, die Erinnerungen evozieren, wird der Leser zu den Spiegeln und Blicken dieser Erzählung, und nimmt die ewiggleichen Tableaus der Gewalt und Perversion auf, die so menschlich sind.
Autorenporträt
Jonathan Littell, geb. 1967 in New York, ging in Paris zur Schule und absolvierte ein Studium in Yale. Der vielsprachige Übersetzer, Journalist und Schriftsteller schreibt auf Französisch. Für seinen Roman Die Wohlgesinnten wurde er u.a. mit dem Prix Goncourt ausgezeichnet.

Hainer Kober, 1942 geboren, übersetzt Literatur und Belletristik aus dem Englischen und Französischen. Er studierte Germanistik und Romanistik und übersetzte u. a. Bücher von Stephen Hawking, Brian Greene, Antonio Damasio und Oliver Sacks. 2015 wurde Kober mit dem Heinrich Maria Ledig-Rowohlt-Preis für deutschsprachige Übersetzer ausgezeichnet. Für seine Arbeit erhielt er 2015 den Heinrich Maria Ledig-Rowohlt-Preis für deutschsprachige Übersetzer.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.06.2016

Der Doppelmond des Gesäßes
Fahler als nur fahl: Jonathan Littells Fingerübung

Wenn man von Michel Houellebecqs Roman "Unterwerfung" allen Witz, alle Hellsichtigkeit, alle politische Brisanz und die zynisch-treffende Analyse spätmoderner Liebesbeziehungen abzöge - dann bliebe wohl das übrig, was Jonathan Littells neues Buch auszeichnet: derber Sex in allen Variationen, minutiös geschildert mit dem Ziel, möglichst oft die Wörter "Schwanz", "Arsch" und "Eier" unterzubringen.

Formal interessant an dem schmalen Bändchen mit dem Titel "Eine alte Geschichte" ist immerhin, dass es zwei etwa gleich lange Traum-Erzählungen enthält, die anscheinend auf demselben Realitätsmaterial beruhen: Ein Schwimmbadbesuch, dunkle Gänge, ein Stromausfall und ein Kind könnten karge Indizien aus der Lebenswelt des namenlosen Erzählers sein. Zwischen diesen sieht man ihn übergangslos von Bett zu Bett taumeln, mal als Aggressor, mal von einer Frau mit umgeschnalltem Phallus genotzüchtigt. Dass er sich während dieser Akte auch noch dauernd selbst in Spiegeln beobachtet, rückt das Ganze in die Nähe schlechter Genreliteratur.

Ein gewisser interpretatorischer Reiz mag noch darin liegen, im Vergleich der beiden Phantasiegebilde weitere Rückschlüsse auf das ihnen zugrundeliegende Erlebte zu ziehen, also, mit Freud gesprochen, die Traumquelle zu finden. Aber da man über die Figuren sonst gar nichts erfährt, bleiben die geschilderten Sex- und Gewaltszenen merkwürdig effektlos, sie wirken, wenn schließlich in einer Art Kriegsgefangenenlager Körper mit Gewehrkolben zu Brei geprügelt werden, wie lauter Versatzstücke, die besonders aus Filmen schon hinlänglich bekannt sind und daher auch - leider - längst zur Abstumpfung geführt haben.

Littell, der mit seinem gewaltpornographischen Roman "Die Wohlgesinnten" (deutsch 2008) über einen fiktiven SS-Offizier weltweite Literaturdebatten auslöste, auch im virtuellen Lesesaal dieser Zeitung, legt mit diesem Büchlein eine unmotivierte Fingerübung vor, die für ordentlichen Surrealismus zu langweilig und für Schockeffekte viel zu konventionell ist. Das offenbar Höchste an Poesie, was er sich unter den derben Umständen abringen kann, ist eine Metapher wie der "Doppelmond meines Gesäßes", den der arme Erzähler dann auch noch als fahles Spiegelbild in der Fensterscheibe entdecken muss.

JAN WIELE

Jonathan Littell:

"Eine alte Geschichte".

Aus dem Französischen

von Hainer Kober. Verlag Matthes & Seitz, Berlin 2016. 128 S., geb., 17,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Bevor Rezensent Christopher Schmidt zum finalen Vernichtungsschlag ausholt, resümiert er kurz die Handlung dieser als Skandal konstruierten, kurzen Traumnovellen-Version. In immer krasseren Wendungen und Variationen lässt Jonathan Littell seinen ich-erzählenden, spießbürgerlichen Familienvater in schwer verdauliche, "exzessive" Gewaltfantasien abgleiten - als Mann, Frau, Täter, Opfer oder Voyeur erlebt dieser "brutale" Gangbangs in Schwulenclubs oder wird von einem Stricher zusammengeschlagen, informiert der Kritiker. Dass Littell all das schön säuberlich stilistisch ästhetisiert und "desinfiziert" und dabei immer weiter verkitscht, erlaubt dem Rezensenten nur ein Urteil: "Hardcore mit Häkeldeckchen".

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 03.07.2019

Siebenmal leben
Jonathan Littells neuer Roman wiederholt immer wieder aufs Neue die gleiche Sequenz
Ein paar letzte Schwimmzüge, dann ein energischer Schwung aus dem Wasser auf den Beckenrand und die Figur steht wassertriefend vor uns. Kaum getrocknet und angekleidet, macht sie sich davon durch einen grauen Flur und verschwindet durch eine Tür in ihrer Lebenswelt: ein Haus mit Garten, ein Hotelzimmer, eine belebte Straße, ein Niemandsland. Und dies siebenmal nacheinander.
Siebenmal hintereinander folgen wir in diesem Buch demselben Ereignisablauf. Auftauchen aus dem Wasserbecken des Hallenbads, Losrennen durch einen Flur, Ankommen im Haus mit den zur Schlacht aufgestellten Bleisoldaten im Kinderzimmer, einer Katze, die um die Beine streicht, einer Reproduktion von Leonardos „Dame mit dem Hermelin“ an der Wand, Musik „Don Giovannis“ aus dem Salon. Und doch gelangt man jedes Mal in eine andere Geschichte. Mal ist die Erzählfigur ein Mann, mal eine Frau, mal ist sie älter, mal jünger. Mal befindet sie sich zu Hause sofort beim Liebesakt im Bett, mal im Ehekrach. Mal ist Krieg, mal Frieden.
Es ist in diesem Buch, als würde ein einziger Erzählstrang in ein Spektrum unterschiedlicher Fäden aufgedröselt. Ein festes Lebensmuster verrutscht zur offenen Kombinatorik, eine Figur läuft Stafette durch ihre möglichen Lebensläufe. Ein Roman macht sich zum Hologramm seiner selbst. Ist das nun ein literarisches Experiment? Ein Spiel mit den Formen in der Art Arno Schmidts oder Georges Perecs? Der Versuch eines kubistischen Erzählstils mit Vielfachperspektive?
Es ist der erste Roman Jonathan Littells seit seinem internationalen Bestseller „Die Wohlgesinnten“ über den SS-Offizier Maximilian Aue von 2006. Nicht aber sein erstes erzählendes Buch. Unter demselben Titel „Eine alte Geschichte“ erschien 2012 ein Band von ihm. Er enthielt bereits zwei Sequenzen des Emporsteigens aus dem Schwimmbecken und des Losrennens ins eigene Leben.
Nach dem Erscheinen jenes Bandes habe sich jedoch herausgestellt, dass der Stoff für ihn noch nicht erledigt sei, dass er weiter in ihm rumorte, erklärte der Autor beim Erscheinen dieser „neuen Version“. So habe er nicht anders gekonnt, als sich noch einmal hinzusetzen und weiterzuschreiben, nicht einfach als Fortsetzung, sondern als Weiterschreiben der ganzen Geschichte.
Was ändert es aber, ob eine jeweils immer wieder andere Figur zweimal oder siebenmal aus dem Wasser steigt? Der Unterschied ist vergleichbar mit dem zwischen einem zwei- und einem siebenflügeligen Tafelbild. Was sich ändert, ist der Gesamteindruck. Man hat nicht mehr einen Doppelflügel, sondern ein Panorama vor sich. Gleichzeitig erinnern die Sequenzen in der mehrfachen Wiederholung an ein Daumenkino mit dem immer selben Bewegungsablauf. Und in dieser Spannung zwischen einer kinematografisch sich jagenden Bilderflucht und der Statik eines Flügelbilds oszilliert der ganze Roman.
Man glaubt hinter dem Dauerspurt durch die austauschbare Alltagswelt die Schablonen unserer individuellen Selbstverwirklichungswünsche zu erkennen: Fit bleiben, elterliche Verantwortung tragen, Berufsziel erreichen, amouröse oder sonstige Eskapaden ins Leben einbauen. Plötzlich erstarrt die Bewegung durch die stete Wiederholung aber im Abstrusen, Fremdartigen, Grotesken.
Das vermeintlich Eigene ist nur die wechselnde Spielform eines Verhaltensmusters mit dem Gewinde eines ewigen Umgangs. So könnte man sich die tiefere Bedeutung dieses seltsamen Buchs zusammenreimen. Vorgeführt wird ein Stück vorgestanzter Lebenszeit, das durchzogen ist von jähen Anläufen zum Ausbruch, wie die Zuckungen eines Hundes an der Leine beim immer selben täglichen Rundgang.
Das könnte reizvoll sein wie das Abhören einer altbekannten Melodie auf der Schallplatte, auf der die Nadel manchmal ein paar Rillen verrutscht. Dieser in die Länge sich ziehende Roman neigt jedoch in der Wiederholung mitunter zur Monotonie. Statt der Zuckungen des Ungewissen drängt sich beim Lesen der Eindruck von Gleichförmigkeit auf. Der siebenfache Parcours der Erzählfigur führt eher ins Klischee als in den Horizont einer Geschichte. Obwohl die Figur in der Ich-Form spricht, wirkt sie, als wäre sie ferngesteuert. Alles, was mit ihr geschieht, erscheint wie durch ein Mikroskop oder durch ein Fernrohr betrachtet: faktisch, klinisch, kalt. Das durchgehende Imperfekt verstärkt diesen Effekt, als verfolgten wir die fortlaufende Genmutation eines Lebewesens der Gattung „Mensch“, das so etwas wie Verworrenheit und Geheimnis nicht kennt und das für die Erfahrung von Schicksal unempfänglich bleibt.
Dank dem Übersetzer liest sich das in der sprachlich subtil aufgerauten deutschen Fassung etwas lebendiger als im glatten französischen Original, die Sache bekommt sogar Profil. So dreht man, bald vorwärts, bald rückwärts blätternd, weiter am Gewinde dieses seltsamen Romans und staunt, wie viel Ungeheuerlichkeit nach wie vor in einer so alten Geschichte wohnt.
JOSEPH HANIMANN
Obwohl die Figur in
der Ich-Form spricht, wirkt sie
wie ferngesteuert
Für seinen vor allem in Deutschland kontrovers aufgenommenen Roman „Die Wohlgesinnten“ erhielt er 2006 den Prix Goncourt: der französisch-amerikanische Autor, Journalist und Filmemacher Jonathan Littell
Foto: ANNE-CHRISTINE POUJOULAT/AFP
Jonathan Littell: Eine alte Geschichte. Neue Version. Roman. Aus dem Französischen von Hainer Kober. Hanser Berlin, 2019. 334 Seiten. 26 Euro.
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