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Eine Frau und ein Mann pilgern auf dem Jakobsweg. Ein andererMann und eine andere Frau - oder sind es dieselben? - reisen durchdie Rocky Mountains nach Los Angeles. Ein Schwimmer erobertsich einen Waldsee. Erkundungsreisen, in denen sich das ewigeStaunen über das Leben und die Verschiedenheit von Männern undFrauen mit intensiven mitunter surrealen Landschaftsbildernmischen.Inspiriert von der Kunst des Haibun, dessen erzählerische Kraft inaller Schlichtheit unmittelbares Erleben mit Gedankenbildernberühmter Dichter und Mönche aus vergangenen Zeiten in Einklangsetzt, erkundet die große Lyrikerin…mehr

Produktbeschreibung
Eine Frau und ein Mann pilgern auf dem Jakobsweg. Ein andererMann und eine andere Frau - oder sind es dieselben? - reisen durchdie Rocky Mountains nach Los Angeles. Ein Schwimmer erobertsich einen Waldsee. Erkundungsreisen, in denen sich das ewigeStaunen über das Leben und die Verschiedenheit von Männern undFrauen mit intensiven mitunter surrealen Landschaftsbildernmischen.Inspiriert von der Kunst des Haibun, dessen erzählerische Kraft inaller Schlichtheit unmittelbares Erleben mit Gedankenbildernberühmter Dichter und Mönche aus vergangenen Zeiten in Einklangsetzt, erkundet die große Lyrikerin Anne Carson die Kraft dersuchenden Bewegung. Ihre Worte und Gedanken fließen, sprudeln,rauschen und stauen sich, hüpfen und verlieren sich wieder. Dieintensiven Momentaufnahmen, in denen Carson ganz nebenbei eineAnthropologie der Geschlechter unternimmt, offenbaren die Spannweiteder Dichterin: die Klangkraft ihrer Poesie, die erzählerischeKonkretion der Prosa, den subtilen Humor und den Atem des Denkens.
Autorenporträt
Geboren 1950 in Toronto, zählt im englischsprachigen  Raum zu den bedeutendsten Dichterinnen der Gegenwart. Zudem ist sie Altgräzistin, Homer-Spezialistin,  Sappho-Über- setzerin und Sophokles-Kennerin. Ihr von Formwillen und Durchlässigkeit geprägtes umfangreiches poetisches Werk wurde mit den bedeutendsten Preisen ausgezeichnet, darunter mit dem T.S. Eliot-Preis für Poesie (2001). Marie Luise Knott lebt als freie Autorin, Kritikerin und Übersetzerin in Berlin. Zuletzt erschien: 370 Riverside Drive, 730 Riverside Drive. Hannah Arendt und Ralph Ellison, das mit dem Tractatus-Preis für philosophische Essayistik ausgezeichnet wurde. Knott ist Mitherausgeberin von John Cage. Empty Mind zusammen mit Walter Zimmermann, Berlin 2012. Übersetzerin von Anne Carson, Anthropologie des Wassers und dies., Albertine. 59 Liebesübungen. Kürzlich erschien Dazwischenzeiten. 1930 ¿ künstlerische Wege in der Erschöpfung der Moderne. In dem Internet-Kulturmagazin »www.perlentaucher.de« hat sie eine Kolumne für zeitgenössische Lyrik unter dem Titel: Tagtigall. Marie Luise Knott lebt als freie Autorin, Kritikerin und Übersetzerin in Berlin. Zuletzt erschien: 370 Riverside Drive, 730 Riverside Drive. Hannah Arendt und Ralph Ellison, das mit dem Tractatus-Preis für philosophische Essayistik ausgezeichnet wurde. Knott ist Mitherausgeberin von John Cage. Empty Mind zusammen mit Walter Zimmermann, Berlin 2012. Übersetzerin von Anne Carson, Anthropologie des Wassers und dies., Albertine. 59 Liebesübungen. Kürzlich erschien Dazwischenzeiten. 1930 ¿ künstlerische Wege in der Erschöpfung der Moderne. In dem Internet-Kulturmagazin »www.perlentaucher.de« hat sie eine Kolumne für zeitgenössische Lyrik unter dem Titel: Tagtigall.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.03.2015

Die Mischung aus Säure und Gefühl muss stimmen
Die Schrift des Pilgerstabs: Bashô und Anne Carson sind mit Haikus im Gepäck unterwegs

So viel Aufhebens wie Axel Hacke oder Hape Kerkeling haben Pilger früherer Jahrhunderte kaum von ihren Reisen gemacht. Doch lenkt die Renaissance des Jakobswegs und anderer alter Routen auf eine noch zu entdeckende Anthropologie der Pilgerschaft, an deren Höhepunkt das Unsagbare schlechthin erschien: die Erleuchtung, Gott, der epiphanische Moment. Unter den Strapazen der Fußreise vom pfingstlichen Levitationszustand ergriffen, wird der Pilger seine Mitteilsamkeit zunächst allerdings auf ein Mindestmaß oder rein formelhafte Wendungen beschränkt haben.

Im alten Japan bot die Form des Haikus den entsprechenden Rahmen, das Aha-Moment in einer festen Form über das Papier zu tuschen. Bashô, der Wandermönch des späten siebzehnten Jahrhunderts, wurde im Fernen Osten zum Inbegriff einer Form, bei der das rituelle Pilgern sich unter dem Pinsel des Kalligraphen in Schrift verwandelt. Jede Etappe der Wanderschaft ist in wenigen Strichen flüchtig angedeutet, manchmal nur in vermeintlich nebensächlichen Details wie Blüten am Wegrand, Wind und Wolken, Stand von Mond und Sonne vergegenwärtigt, bevor eine Sentenz, meist zum Haiku-Dreizeiler oder Auftakt eines gemeinschaftlich weitergedichteten Renga komprimiert, das Erlebnis verewigt.

Seine in Japan stilbildende Pilgerfibel "Auf schmalen Pfaden durchs Hinterland" hat die Mainzer DVB jetzt in ihrer neuen, wunderbar gestalteten Handbibliothek Dieterich auf sepiabraunem Leinen im Taschenformat neu herausgegeben. Dazu gesellen sich auf frühlingsgrünem Leinen in der ebenso sorgfältigen wie lesbaren Übersetzung und Kommentierung des Japanologen Ekkehard May die Haibun Bashôs, eine mit der Pilgerreise korrespondierende meditative Gattung, die von der skizzenhaften Prosa direkt ins Haiku fließt - das Haibun liefert den Akt der Betrachtung, welcher der Niederschrift der Verse vorangeht, gleich mit.

Man stelle sich vor, ein Lyriker würde hierzulande zu seinen Gedichten immer gleich die Geschichte ihres Entstehungsprozesses mitliefern - das gibt es nur in Poetikvorlesungen und neuerdings der Frankfurter Anthologie, gewöhnlich wartet die Nachwelt noch immer auf postumen Einblick in Notizbücher, um hinter das Rätsel von Gedichten zu kommen. Bashô macht kein Rätsel aus seinen Haikus, und doch bleibt es ein Geheimnis, wie eine derartig anspielungsreiche, auf die lyrischen Meister der chinesischen Tang- und Sung-Dynastie zurückreichende Tradition so unmittelbar, wie hochgradig symbolverhaftete Bilder so unverbraucht und alltäglich wirken können.

Eine Kulturgeschichte des alten Japans versteckt sich hinter unscheinbaren Zeilen wie diesen: "Die ganze Nacht hindurch besorgt, ob der Himmel klar bleiben würde oder ob Wolken aufziehen könnten. Daher der Gedanke: Wolken von Zeit zu Zeit / gönnen den Menschen Rast / beim Mondbetrachten!"

Während Bashô zwischen den Zeilen seiner Haibun über sieben Jahrhunderte hinweg mit Li Bai oder Du Fu ins Zwiegespräch tritt, zeigt die 1950 in Toronto geborene Dichterin Anne Carson in ihrer "Anthropologie des Wassers", wie sie Anleihen bei Bashô und der fernöstlichen Tradition in zeitgenössischen Kontext versetzt. Anne Carson, bei uns mit ihrem im letzten Jahr bei S. Fischer erschienenen Lesebuch "Decreation" noch zu entdecken, ist eine Spezialistin für hybride Textsorten. Nicht nur Lyrik und Prosa, auch naturwissenschaftliche, insbesondere philologische und anthropologische Erkenntnisinteressen mischen sich mit popkulturellen Zitaten, Anspielungen auf verschiedenste Stimmen der Weltliteratur und Plots entferntester Genres, die miteinander zu verbinden bislang kaum jemand auf die Idee gekommen ist. Anthropologie des Wassers zeigt aufs schönste, wie extreme Gelehrsamkeit mühelos in Humor, Sinnlichkeit, Staunen und vice versa umschlägt - manchmal mitten in einem Satz. Anlässe ihrer Anthropologie sind eine Pilgertour nach Santiago de Compostela, eine Zeltwanderung über die Rocky Mountains und die Wasseroberfläche beim Schwimmen in Seen zu verschiedenen Tageszeiten.

Dialogpartner der Protagonistin sind Männer, die wie der Vater und Bruder die Imagination beschäftigen oder wie "Mein Cid" und der "Kaiser" durch Spanien und den amerikanischen Westen als Liebhaber folgen und als Akademiker ein Wissen über China und die Literatur verkörpern, das in ihren Texten widerhallt. Die Reise wird zum Abenteuer der Schrift, deren Etappen in tiefsinnig-kuriose Bilder münden: "Wann ist ein Pilger ein Foto? Wenn die Mischung aus Säure und Gefühl stimmt." Anne Carson gelingen en passant unerhörte Volten der Sprache, bei denen einem die Spucke wegbleibt: "Wie zwei Komponenten eines komplexen Satzes sitzen wir nebeneinander im Auto", "Dass Tinte ins Papier blutet, macht noch keinen Liebesakt" oder "Neon riecht wie Schockbehandlung und hinterlässt eine entsprechende Eispickelscharte im Kopf". Roland Barthes hatte in seinen Vorlesungen zur Vorbereitung des Romans verblüffend das Haiku an den Beginn gestellt. Liest man daraufhin Bashô und Anne Carson, versteht man besser, wie sich um diesen Geistesblitz von drei Zeilen die Geschichte einer ganzen Pilgerschaft verdichtet.

JAN VOLKER RÖHNERT

Anne Carson: "Anthropologie des Wassers".

Aus dem Amerikanischen und mit einem Nachwort von Marie Luise Knott. Verlag Matthes & Seitz, Berlin 2014. 130 S., geb., 19,90 [Euro].

Bashô: "Haibun". Hrsg. und aus dem Japanischen von Ekkehard May. Dieterich'sche Verlagsbuchhandlung, Mainz 2015. 60 S., geb., 29,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Jan Volker Röhnert kennt Anne Carson als Spezialistin für hybride Textsorten. In dieser Funktion tritt die Dichterin dem Rezensenten auch in diesem Band virtuos entgegen. Die Entdeckung wert sind die im Band versammelten Texte, die Lyrik, Prosa, Pop und anthropologische Erkenntnisse miteinander kreuzen, laut Röhnert, da sich Verbindungen ergeben, die dem Leser nicht im Traum einfallen. Gelehrsamkeit und Humor, Sinnlichkeit und Staunen findet er bei Carson, wenn die Autorin persönliche Pilgerreisen und Naturerlebnisse zum Anlass nimmt, um mit "tiefsinnig-kuriosen" Bildern und sprachlichen Volten Geistesblitze zu erzeugen.

© Perlentaucher Medien GmbH