Marktplatzangebote
8 Angebote ab € 2,99 €
  • Gebundenes Buch

2 Kundenbewertungen

Wie gerät ein ganzes Volk in die Fänge des Extremismus und was denken ganz normale Menschen darüber?
Immer wieder reist die in England lebende Ernestine Amy Buller nach Deutschland und führt hier, insbesondere zwischen 1934 und 1938, intensive Gespräche mit Menschen unterschiedlicher Gesellschaftsschichten. Sie möchte verstehen, warum in einem so kultivierten Land so viele Menschen der Nazi-Ideologie verfallen konnten. Ihre Gespräche mit Offizieren, Studenten, Hausfrauen, Beamten, Pastoren, aristokratischen Großgrundbesitzern u.v.a. veröffentlicht sie 1943 in England unter dem Titel…mehr

Produktbeschreibung
Wie gerät ein ganzes Volk in die Fänge des Extremismus und was denken ganz normale Menschen darüber?

Immer wieder reist die in England lebende Ernestine Amy Buller nach Deutschland und führt hier, insbesondere zwischen 1934 und 1938, intensive Gespräche mit Menschen unterschiedlicher Gesellschaftsschichten. Sie möchte verstehen, warum in einem so kultivierten Land so viele Menschen der Nazi-Ideologie verfallen konnten. Ihre Gespräche mit Offizieren, Studenten, Hausfrauen, Beamten, Pastoren, aristokratischen Großgrundbesitzern u.v.a. veröffentlicht sie 1943 in England unter dem Titel Darkness over Germany. Die Stimmen dieser Zeitzeugen sind weitaus differenzierter, als wir vielleicht annehmen würden. Das Buch nimmt uns mit auf eine Reise in die Vergangenheit und lässt uns an Diskussionen teilhaben, als hätten wir sie selbst erlebt. Eine echte Entdeckung!
Autorenporträt
Buller, Ernestine AmyErnestine Amy Buller, (1891-1974) studierte Geschichte am Birkbeck College in London. Ab 1912 zahlreiche Reisen nach Deutschland. Sie engagierte sich in der christlichen Studentenbewegung und arbeitete mit dem Historiker Allan Bullok zusammen. 1944 Leiterin eines Frauencolleges. 1947 wird sie vom englischen Königshaus darin unterstützt, ein eigenes College zu gründen. 1949 Eröffnung von Cumberland Lodge, einem Begegnungsort für Studenten aus aller Welt.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Bereits 1943 in England erschienen, liegt Ernestine Amy Bullers eindrucksvoller Band "Finsternis in Deutschland" nun erstmals auf Deutsch vor, informiert Gina Thomas. Die hier veröffentlichten Gespräche mit Regimegegnern und Hitler-Anhängern, die von Buller einst mit der Intention einer Umerziehung der Bevölkerung nach der Kapitulation geführt wurden, sind noch heute "ergreifende" Dokumente, versichert die Kritikerin. Sie liest hier etwa, wie ein jüdischer Junge seinen Vater blutig schlägt, nachdem er aufgrund seiner Herkunft aus der Hitlerjugend ausgeschlossen wurde oder wie Mütter zuhause versuchten, ihren Kindern die Nazi-Indoktrinationen wieder auszutreiben und in Folge inhaftiert wurden. Vor allem erhält die Rezensentin hier tiefe Einblicke in den Alltag der Deutschen unter Hitler. Dass die christliche Universitätsangestellte Buller weder stilistisch noch intellektuell besonders anspruchsvoll schreibt, sieht Thomas ihr gerne nach. Das dröge Vorwort des britischen Journalismus-Professors Kurt Barling, meint die Rezensentin, wird Buller allerdings nicht gerecht, die von der beeindruckten britischen Königin immerhin als "furchterregend" bezeichnet wurde.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.08.2016

Sie ahnten noch nicht, was wirklich kommen würde
Die Engländerin Ernestine Amy Buller führte in Nazideutschland Gespräche mit Regimegegnern und Hitler-Anhängern, die nun zum ersten Mal auf Deutsch erscheinen

An einem Sommerabend kurz nach Hitlers Machtergreifung ließ sich eine britische Besucherin in Sachsen das Dilemma eines oppositionellen Lehrers schildern, der hin- und hergerissen ist zwischen Gedanken an die innere oder äußere Emigration, zwischen der offenen Konfrontation, die mit Sicherheit ins Gefängnis führe, oder dem Lippenbekenntnis, das ihm erlaube, seinen Schülern unauffällig das geistige Rüstzeug zu vermitteln, um das Regime zu hinterfragen. Das Gespräch beginnt auf dem Balkon, wird jedoch vorsichtshalber bei geschlossenen Türen und Fenstern drinnen fortgesetzt, aus Sorge, belauscht zu werden. Der Lehrer ist einer von zahlreichen mit ihrem Gewissen hadernden Menschen, deren Gedanken Ernestine Amy Buller bei regelmäßigen Deutschland-Aufenthalten in den dreißiger Jahren aufgezeichnet und 1943 in dem für die Zeit bemerkenswerten Buch "Darkness over Germany" in England veröffentlicht hat. Jetzt liegt es erstmals in deutscher Übersetzung vor.

Die 1891 in London geborene Autorin war eine christlich engagierte Universitätsangestellte, die als junge Frau eine Affinität zu Deutschland verspürte und bereits in den Jahren unmittelbar vor dem Ersten Weltkrieg dort enge Freundschaften knüpfte. Mit ihrem Buch hoffte sie mitten im erbitterten Kampf gegen Deutschland der alles über einen Kamm scherenden Wahrnehmung des Feindes entgegentreten zu können; aus der Analyse der Umstände, die Hitler an die Macht gebracht hatten, wollte sie Lehren ziehen für die Nachkriegswelt. Amy Buller war überzeugt, dass der quasi religiöse Eifer, mit dem die deutsche Jugend angesichts ihrer aussichtslosen Perspektiven dem Nationalsozialismus erlegen war, nicht zuletzt auf das Versagen der Hochschulen zurückzuführen sei, die es versäumt hätten, kritisches Urteilsvermögen zu vermitteln.

In den Jahren vor dem Kriegsausbruch 1939 hatte Amy Buller als Organisatorin von deutsch-britischen Studientagungen auf ein tieferes Verständnis zwischen den Ländern hingewirkt, in der Hoffnung, dass der Krieg noch zu vermeiden sei. Ihr Buch schrieb sie mit Blick auf eine Zukunft, in der sich die Finsternis gelichtet haben würde. Es stellt, wie damals mehrere britische Publikationen und Regierungsinitiativen, Weichen für die Umerziehung der Bevölkerung nach der bedingungslosen Kapitulation. Amy Buller war der Auffassung, dass die Heilung den Deutschen nicht von den Siegermächten aufgezwungen werden durfte, sie musste von innen kommen.

Aus heutiger Sicht liegt der Wert des Buches weder in den christlich geprägten Zukunftshoffnungen der Autorin noch in der Beurteilung Hitlers und seiner Bewegung, sondern in den authentischen Stimmen, die Amy Buller zu Wort kommen lässt. Ihre Gesprächspartner, deren Identität die Autorin unkenntlich gemacht hat, stehen mitten im Geschehen. Mehrere bekennen, sich nicht rechtzeitig organisiert zu haben, um die Gefahr zu bannen. Einige sind nicht von Hitlers Friedenswillen überzeugt und fürchten den Krieg, weil dieser die Nation hinter Hitler einen werde. Andere sehen darin die Chance, nicht nur das Regime zu beseitigen, sondern auch "dafür zu sorgen, dass Frankreich und England nicht noch einmal über unser Schicksal bestimmen".

Viele ahnen Böses, können aber nicht wissen, dass alles noch viel schlimmer kommen wird, als sie befürchten. Das macht ihre Zeugnisse umso ergreifender. Obgleich Amy Buller auch regimetreue Funktionäre und glühende Hitler-Anhänger vernimmt, die sie mit britischer Bodenständigkeit zur Räson zu bringen versucht, widerlegt das Potpourri der Aussagen das Bild einer Nation von willigen Vollstreckern. Die Einzelschicksale veranschaulichen vielmehr, unter welch schwierigen Umständen normale Bürger, die dem "Nazispuk" kritisch gegenüberstehen, ihren Alltag bestreiten, oft unter erheblichem persönlichem Risiko. Selbst der Kreis von Akademikerinnen, die eine Bekannte zum Tee versammelt hat, um Amy Buller zu berichten, wie sich die Frauen gegen die Propaganda im Bildungssystem zur Wehr setzen, achtet darauf, auf getrennten Wegen zur Verabredung zu kommen.

Eine couragierte Mutter bemüht sich zu Hause, die "Nazilügen" zu korrigieren, die ihren Kindern im Unterricht eingeträufelt werden, und wird wegen ihres Widerstandes inhaftiert; andere Eltern ziehen es vor, die Schüler nicht in Bedrängnis zu bringen, und setzen darauf, dass ihr Beispiel als Korrektiv wirkt. Mitunter ist der Druck der Außenwelt zu stark. Ein Sohn, dem der Ausschluss aus der Hitlerjugend droht, als entdeckt wird, dass er jüdischer Abstammung ist, verübelt dem Vater diesen "Makel" derart, dass er ihn blutig schlägt.

Dann ist da der Priester, der eingesperrt wird, weil er seine Gemeinde dazu anhält, "Grüß Gott" statt "Heil Hitler" zu sagen. Oder die elfjährige Pastorentochter, die darum bittet, das Fenster zu öffnen, wenn die Familie beim Abendgebet "Ein feste Burg ist unser Gott" singt. Das Mädchen ist sich trotz ihres Alters der Symbolik des nach außen dringenden Kirchenliedes bewusst. Ihr argloser kleiner Bruder hingegen, der mit seinen Holzklötzen eine Stadtszene gebaut hat, spuckt beim Spielen plötzlich, weil sein Lehrer der Klasse beigebracht hat, dass man spucken solle, wenn man einen Juden sehe. Herzzerreißend der Besuch bei einer betagten Jüdin, die nicht mehr die Kraft aufbringt, ihren Kindern ins Ausland zu folgen. Sie fürchtet sich nicht vor dem Tod, nur vor dem Warten auf den Tod.

Amy Buller offenbart auch die Trugschlüsse der Regimekritiker. Wie im Fall eines Offiziers, der die Verlängerung der Wehrzeit auf zwei Jahre begrüßt, weil er meint, dass damit mehr Zeit bleibe, um "den Männern den ganzen Nazimist wieder auszutreiben, nachdem sie zuerst in der Hitlerjugend und dann beim Reichsdienst waren".

"Darkness over Germany" brachte es trotz der Kriegslage auf mehrere Auflagen, obwohl es auch Stimmen gab, die Amy Buller als Apologetin Deutschlands sahen. Darauf deutete ein Rezensent, der sein Lob mit der Bemerkung einschränkte, dass die Autorin mit ihrem "alles verstehen" bisweilen an die Grenze von "alles verzeihen" gerate. Dennoch wurde das Buch der Königin empfohlen. Diese war derart beeindruckt, dass sie Amy Buller zu sich rief und sich später mit ihrem Mann, George VI., für das aus der deutschen Katastrophe geborene Vorhaben der Pädagogin einsetzte, einen Tagungsort einzurichten mit dem Ziel, junge Menschen für die moralischen und geistigen Herausforderungen ihrer Zeit zu wappnen. Nach langer Suche stellte das Königshaus sogar Cumberland Lodge, ein Anwesen in Windsor Great Park, zur Verfügung, das bis heute im Sinne der Betreiberin von Hochschulen genutzt wird.

Von der Autorin lässt sich weder behaupten, dass sie eine große Stilistin sei, noch dass ihre eigenen Beobachtungen intellektuellen Anspruch hätten. Dennoch ist dem Verlag zu danken, dass er dieses Buch aus der Versenkung geholt hat. Die Verlegerin konnte der Königin jüngst in Windsor eine Ausgabe überreichen. Amy Buller sei nach Auskunft der Monarchin die furchterregendste Frau gewesen, die ihr je begegnet sei. Man hätte sich schon deswegen ein anschaulicheres Porträt der Autorin gewünscht, als es dem britischen Journalismus-Professor Kurt Barling in seinem arg artigen Vorwort gelungen ist. Bedauerlich auch, dass die Papiere Amy Bullers keinen Aufschluss über ihre Gesprächspartner geben. Wie gerne wüsste man, was aus diesen Menschen geworden ist, die aus Prinzipientreue, Opportunismus, Fanatismus oder Kompromissbereitschaft einen Ausweg aus dem Dilemma des Lebens in der Diktatur suchten.

GINA THOMAS

Ernestine Amy Buller: "Finsternis in Deutschland". Was die Deutschen dachten. Interviews einer Engländerin 1934-1938.

Hrsg. von Kurt Barling. Elisabeth Sandmann Verlag, München 2016. 352 S., Abb., geb., 24,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 21.11.2016

Stets treu ergeben
Warum viele Deutsche Adolf Hitler dankbar waren
Im Vorwort bringt die Autorin es – vielleicht sogar unabsichtlich – auf den Punkt. Sie will herausfinden, wie sich die Deutschen nach 1933 zu „fanatischen Mitläufern“ einer verbrecherischen Ideologie machen ließen. An solchen Untersuchungen unter „normalen“ Deutschen in der NS-Zeit herrscht wahrlich kein Mangel. Ist es doch auch nach Jahrzehnten der historischen Forschung noch das Hauptziel herauszufinden, wie es soweit kommen konnte. Doch dieses Buch ist anders – die Entstehungsgeschichte, die Herangehensweise, die Präsentation der Erkenntnisse: alles anders und nicht im Geringsten dem wissenschaftlichen Anspruch genügend. Und gerade das macht dieses ungewöhnliche Werklesenswert.
  Ernestine Amy Buller (1891–1974) hat das Buch verfasst, es wurde 1943 in England veröffentlicht – 73 Jahre später ist es nun auf Deutsch erschienen. Die christlich geprägte Historikerin hatte es tatsächlich geschafft, in den Jahren 1934 bis 1938 auf offiziellen Reisen in Deutschland Gespräche zu führen, die nicht von der NS-Führung überwacht wurden. Logischerweise verschweigt die Autorin Namen und Orte dieser Gesprächspartner – denn viele reden erstaunlich offen über die Entwicklung nach der „Machtergreifung“. Diese Nichtidentifizierbarkeit ist natürlich heute ein Manko, ebenso die Tatsache, dass viele Gespräche zwar wörtlich wiedergegeben werden, aber aus der Erinnerung montiert sind. Auch der Eifer der Interviewerin zu erfahren, wieso die Deutschen dem teuflischen Plan Hitlers und seiner Kumpanen auf den Leim gegangen seien, nervt bisweilen, ebenso ihre (vielleicht nur zur Schau gestellte) Naivität. Gleichwohl helfen die Erkenntnisse, die Stimmung dieser Zeit besser zu verstehen.
  Buller spricht mit hochgestellten Persönlichkeiten aus den NS-Ministerien, mit Offizieren, Geistlichen, Akademikern, mit Müttern und Studenten – und sie zeichnet ein Bild einer zerrissenen Generation. Einer Generation, die gelitten hat nach der Niederlage im Ersten Weltkrieg, an Demütigungen durch die Siegermächte, am Bedeutungsverlust des Deutschen Reiches. Buller trifft auf Menschen, die sich danach sehnen, gebraucht zu werden, die etwas gelten wollen in der Familie, in der Stadt, im Reich. Und diese Sehnsucht erfüllt für viele Hitler mit seinem Heilsversprechen. Den „verflixten Dankbarkeitskomplex“, nennt das ein weiser Professor bei Buller.
  Besonders frappierend ist dabei, wie viele Menschen trotz aller Skepsis dem Führer Loyalität zusagten. In den Worten eines Offiziers: „Hitler hat die deutsche Armee zurück ins Herz der Nation geführt, und was noch viel wichtiger ist: Er hat ihr ihre Ehre zurückgegeben. Das dürfen wir nie vergessen. Sosehr wir seine Lehren überall da untergraben, wo sie unserer Jugend schaden, bleiben wir ihm stets treu ergeben.“ Im gleichen Atemzug nennt der den Führer einen Blender und einen Heiden.
  Besonders die jungen Leute sprechen immer wieder davon, wie ihnen der NS-Staat zur Selbstachtung verhalf, einen neuen Lebenssinn verlieh. Spannend zu beobachten ist dabei der immer wieder hervortretende innere Kampf der Menschen mit den „alten“ Werten und dem neuen Versprechen von der Volksgemeinschaft. Viele hofften trotz aller Skepsis mit diesen neuen Werten Erfolg zu haben. Und wenn es Krieg und eventuell sogar den Untergang bedeuten sollte. Alles für die Ehre.
  Bullers Buch zeigt Menschen im inneren Konflikt, Verzweifelte, die keinen Ausweg wissen, Überzeugungstäter und verdammt viele „fanatische Mitläufer“. Von wegen: nix gewusst.
ROBERT PROBST
  
    
Ernestine Amy Buller:
Finsternis in Deutschland. Interviews einer Engländerin 1934–1938, herausgegeben von Kurt Barling. Elisabeth-Sandmann-Verlag München 2016. 350 Seiten. 24,95 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
…mehr
»Dem Verlag ist zu danken, dass er dieses Buch aus der Versenkung geholt hat.« Gina Thomas Frankfurter Allgemeine Zeitung 20160816