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Das siebenjährige Mädchen Sonnenblume wird während der Kulturrevolution mit ihrem Vater aufs Land verschickt. Ihr Vater, ein Künstler, soll dort in der Kaderschule Siebter Mai im sozialistischen Sinne umerzogen werden. Bei einem tragischen Unfall etrinkt er. Sonnenblume wird von der ärmsten Familie des Dorfes aufgenommen. In ihrem taubstummen Ziehbruder Bronze findet sie einen Freund.Dieses Märchen für Erwachsene stellt mit seiner schönen, langsamen Sprache, die vor dem Leser einen Bilderteppich aus dem ländlichen China der 1960er Jahre entrollt, ein Stück lokaler Zeitgeschichte dar, das auf bezaubernde Weise eingefangen wurde.…mehr

Produktbeschreibung
Das siebenjährige Mädchen Sonnenblume wird während der Kulturrevolution mit ihrem Vater aufs Land verschickt. Ihr Vater, ein Künstler, soll dort in der Kaderschule Siebter Mai im sozialistischen Sinne umerzogen werden. Bei einem tragischen Unfall etrinkt er. Sonnenblume wird von der ärmsten Familie des Dorfes aufgenommen. In ihrem taubstummen Ziehbruder Bronze findet sie einen Freund.Dieses Märchen für Erwachsene stellt mit seiner schönen, langsamen Sprache, die vor dem Leser einen Bilderteppich aus dem ländlichen China der 1960er Jahre entrollt, ein Stück lokaler Zeitgeschichte dar, das auf bezaubernde Weise eingefangen wurde.
Autorenporträt
Cao Wenxuan, Jahrgang 1954, stammt aus der chinesischen Provinz Jiangsu. Er hat bereits mehr als 50 Romane und Erzählungen verfasst und zählt heute zu den herausragendsten Schriftstellern der chinesischen Gegenwartsliteratur. Er hat zahlreiche Preise gewonnen und seine Bücher werden an Schulen als Pflichtlektüre eingesetzt, viele von ihnen gelten bereits als Klassiker.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Dass es das Abgründige in der Kinderliteratur gibt, weiß Steffen Gnam spätestens seit der Lektüre von Cao Wenxuans Jugendbuch, das im chinesischen Original bereits 2005 erschienen ist. Es erzählt vom Stadtmädchen Sonnenblume und ihrer Freundschaft zu einem stummen dörflichen Wahlverwandten zur Zeit der Kulturrevolution. Für Gnam handelt es sich um einen poetischen, zugleich verstörenden Bilderbogen über den Gegensatz zwischen Stadt und Land, Kaderschule und Dorf und den Einbruch der Katastrophe (Brände, Hungersnöte) in den Alltag. Magisch nennt Gnam Wenxuans Bildlichkeit, die das Buch für ihn in ein konfuzianisches Märchen verzaubert.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.10.2014

Glühwürmchen und Irrlichter
Cao Wenxuans Roman einer dörflichen Jugend zur Zeit der Kulturrevolution

China in den 1960er Jahren: In der Kulturrevolution werden die städtische Intelligenz und Künstler zur körperlichen Arbeit auf Umerziehungsanstalten verschickt. Darunter auch ein verwitweter Bildhauer, dessen Tochter Sonnenblume ihn auf die Reise in eine Kaderschule im Schilfgebiet gegenüber des Dorfs namens Gerstenfeld begleitet.

Das in China 2005 erschienene Jugendbuch von Cao Wenxuan, der an der Universität Peking Chinesische Literatur unterrichtet und dessen Kinderbücher selbst oft zu Klassikern geworden sind, ist nun auch in deutscher Sprache erhältlich. In poetischen Bilderbögen vereinen sich darin Natur, Evolution und Revolution: "In diesem Frühjahr war ein Schwarm Reiher aufgescheucht worden. Mit lauten Flügelschlägen hatten sich die Vögel aus dem Schilf erhoben, aus dem jahrhundertelang kein Laut gedrungen war."

Der Stadt-Land-Gegensatz spiegelt sich in den scheinbar unüberbrückbaren Welten dies- und jenseits des Flusses: hier Angehörige der Kaderschule, dort die Dörfler. Nach dem surrealistisch geschilderten Unfalltod des Vaters - der Künstler kommt in einem kleinen Kahn im Wirbelsturm um, wobei sich seine Skizzenblätter von Sonnenblumen mit der Bildseite nach oben auf dem Wasser verteilen - wird das Stadtkind Sonnenblume unter einem Perlschnurbaum im Ort Gerstenfeld zur Adoption feilgeboten. Auf der anderen Seite des Flusses entscheidet es sich anstatt der reichsten für die ärmste und anständigste Familie: Neben den Gasteltern gibt es eine konfuzianisch geprägte Großmutter, den stummen Bruder Bronze, den sie bereits zuvor bei in traumartigen Sequenzen geschilderten Flussüberquerungen kennenlernte und einen mit menschlichen Attributen ausgestatteten Büffel.

Sonnenblumen als Leitmotiv und Ebenbilder des Lebens sind mehr als nur Anleihen bei van Gogh. Die Begegnungsgeschichte zwischen dem Stadtmädchen und dem von der Dorfgemeinschaft gemiedenen Stummen und Wahlverwandten berührt und verstört. Wie selbstverständlich erzählt Cao vom Einbruch der Katastrophe in die alltägliche Lebenswelt durch Schilfbrände, Hungersnöte und Heuschreckenschwärmen.

Caos Prosa vereint Freundschaft und buddhistisch anmutendes kosmisches Verbundensein, preist eine Rückkehr zu den Elementen und dem Elementaren. Jede Tat, Geste und Gebärde wird zur mit Bedeutung aufgeladenen Lebensentscheidung - welchem der Geschwister der Schulbesuch bezahlt wird oder wenn ein Familienmitglied im Krankheitsfall der Großmutter auf die eigene Karriere verzichtet.

Cao beschwört die Ästhetik der Schriftzeichen gegenüber Parolen. Indoktrination und entfesselte Gewalt ziehen den Kürzeren gegenüber der Macht der Phantasie, wenn endloses Schilf ein blutloses Schlachtfeld symbolisiert: "Tausende von Soldaten schwangen grüne Langschwerter, mit denen sie rhythmisch durch die Luft schnitten." Im Werk voller Magie und melancholischer Metaphernwelten wie der nach ihrer Aufgabe vom Schilf überwucherten Kaderschule siegen Natur und Kultur über Illusionen und Ideologien. Es ist ein konfuzianisches Märchen über Verzicht, Leidensfähigkeit und Familienbande. So fängt Bronze bei Stromausfall unbeirrt Glühwürmchen und schließt sie in Kürbisblüten ein, damit die Schwester bei Licht Hausaufgaben machen kann.

In der surrealen Schlussszene holt die Vergangenheit und der Wettstreit um Verhältnisse, Mentalitäten und Ideologien Sonnenblume ein: Der Bürgermeister ihrer Heimatstadt, ein Bewunderer der Kunstwerke ihres Vaters, wirbt für die Rückkehr des Mädchens in die Stadt, was die Dorfbewohner auf den Plan ruft und in Protest vereint.

Die Leuchtkraft der Bilder ist unwiderstehlich: Da sind die saisonalen Rhythmen der Feste Chinas, die Beschreibungen vom Verfertigen der Schilfschuhe, Großereignisse wie der Besuch des Fotografen in der Schule oder Zirkusaufführungen im Nachbardorf. So ist "Bronze und Sonnenblume" eine "Philosophie des Elends", wie Cao im Nachwort schreibt, und darum auch des Glücks. Und vor allem ein großes Plädoyer für das Abgründige in der Kinderliteratur.

STEFFEN GNAM

Cao Wenxuan: "Bronze und Sonnenblume". Aus dem Chinesischen von Nora Frisch. Drachenhaus Verlag, Esslingen 2014. 250 S., geb., 16,95 [Euro]. Ab 14 J.

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