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Das expressionistische Jahrzehnt zwischen 1910 und 1920 traf deutsche Kunst und Dichtung wie ein Kometenhagel in dunkler Nacht. Walter Rheiner war einer der besonders glühenden Splitter jener Zeit. Sein ebenso intensives wie kurzes Leben steht exemplarisch für eine Künstler-Generation, die auf Messers Schneide jonglierend, dem Abgrund immer näher war als dem strahlenden Olymp. Einige wenige Namen von Lyrikern dieser Zeit, wie Else Lasker-Schüler oder Gottfried Benn, sind noch heute ein Begriff. Walter Rheiner indes zählt nicht dazu. Armut, Lebensangst und Drogensucht zerfraßen Walter Rheiners…mehr

Produktbeschreibung
Das expressionistische Jahrzehnt zwischen 1910 und 1920 traf deutsche Kunst und Dichtung wie ein Kometenhagel in dunkler Nacht. Walter Rheiner war einer der besonders glühenden Splitter jener Zeit. Sein ebenso intensives wie kurzes Leben steht exemplarisch für eine Künstler-Generation, die auf Messers Schneide jonglierend, dem Abgrund immer näher war als dem strahlenden Olymp. Einige wenige Namen von Lyrikern dieser Zeit, wie Else Lasker-Schüler oder Gottfried Benn, sind noch heute ein Begriff. Walter Rheiner indes zählt nicht dazu. Armut, Lebensangst und Drogensucht zerfraßen Walter Rheiners Leben wie Säure und doch gelang es ihm in kürzester Zeit ein Werk zu schaffen, das durch seine Intensität ein bis heute seltenes Beispiel gibt für Kunst als Lebensnotwendigkeit.
Ebenso einfühlsam wie erschreckend autobiografisch beschreibt Walter Rheiner in der 1918 erschienenen Novelle "Kokain" das Elend eines in seiner Kokainpsychose versinkenden Süchtigen, dessen Leben vom immer stärker werdenden Drang nach der Droge und der Angst vor "Enttarnung" geprägt ist, bis die empfundene Ausweglosigkeit im Suizid mündet. Walter Rheiners tragisches Schicksal macht auch exemplarisch deutlich, dass die vielfach als "Goldenen Zwanziger" verklärten Jahre des letzten Jahrhunderts für die nicht privilegierte, breite Masse der Menschen vor allem Not und Elend bedeuteten.
Autorenporträt
Helmut Krauss ist Theater- und Fernsehschauspieler, Kabarettist, Hörbuch- und Rundfunksprecher und die unverwechselbare deutsche Stimme von Marlon Brando, John Goodman und Samuel L. Jackson. Seine tiefe, markante Stimme verleiht "Enzo" große Wärme und Intensität.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 20.08.2010

DAS HÖRBUCH
O, Nacht!
„Sich selbst ein Abscheu“:
Walter Rheiners „Kokain“
Am 12. Juni 1925 nahm sich der Dichter Walter Rheiner in einer schäbigen Absteige in der Berliner Kantstraße durch eine Überdosis Morphium das Leben. Es war ein angekündigter Tod. Seiner Mutter – er war 1895 als Walter Heinrich Schnorrenberg in Köln geboren worden – hatte er kurz zuvor geschrieben, er wolle entweder bis zum 15.6. eine Stellung finden, die ihn ernähre, oder sich „selbst die gute Ruhe des Todes“ geben. In seiner Novelle „Kokain“ erschießt sich der süchtige Tobias – besitzlos, krank, erschöpft, einsam – in echt Kleistscher Manier, so wie es sich für einen expressionistischen Helden gehört. Das bis heute immer wieder aufgelegte Werk erschien erstmals 1918, versehen mit sieben Zeichnungen Conrad Felixmüllers. Der hielt auch das Ende des Freundes im Bild fest: Auf dem Gemälde „Tod des Dichters W. Rheiner“ hat dieser, über einer Stadtlandschaft schwebend, in der linken Hand eine Kokainspritze, mit der rechten greift er in einen Gardinenschleier. Rheiner hatte 1914 versucht, sich durch Simulation einer Drogensucht dem Kriegsdienst zu entziehen. Es wurde sein Verhängnis und half wenig. Man schickte ihn an die russische Front, wo er dann wegen Drogenkonsums verhaftet wurde. Später suspendierte man ihn als untauglich. In seinem Werk – Gedichte, die Novelle „Kokain“, Prosaskizzen – findet man die expressionistischen Lieblingsmotive versammelt: Sturz, Schrei, Aufruhr und Empörung, Großstadtrausch und Verruchtheit.
Das Hörbuch der Edition Apollon setzt dem unglücklichen, jung verstorbenen Dichter ein Denkmal, wie man es sich schöner kaum hätte wünschen können. Zur Einführung dient eine ausführliche Biographie, nebst Gedichten und Briefen – großartig gelesen von Marc Bator und Ulrich Tukur. Die Gedichtrezitationen von Helmut Krauss treffen das jugendlich Ungestüme dieser Aufschwungs- und Untergangspoesie nicht ganz, aber wie er „Kokain“ liest, dem Stimmungswechsel und der psychotischen Weltverengung, der Angst und der Nüchternheit gleichermaßen Stimme verleiht, das wird man so schnell nicht vergessen – auch dank des Klangteppichs von Ingo Tito. Hier nervt die Musik einmal nicht, sondern dient dem Text. Sie erzeugt und verstärkt das Grundgefühl, der Welt abhanden gekommen zu sein.
Als „letztes Gedicht“ firmiert dieses: „Komm, holder Schnee! Verschütte dies schwere Herz! / Mit deiner Gnade zaubre die Träne starr, / so aus der ewigen Quelle rinnet, / täglich geboren, geliebt noch immer. / O gib, daß mir aus dieser verlorenen Qual, / der bittern, werde das große, das ernste Grab, / darin ich mich zur Ruhe finde: / weinende, liebend erlöste Seele.“ Nicht nur in diesen Versen, in jeder Zeile Rheiners erklingt eine uns ganz fremd gewordene Erlösungssehnsucht.
JENS BISKY
WALTER RHEINER: Kokain. Biographie, Lyrik, Prosa, Briefe. Gelesen von Helmut Krauss, Marc Bator, Ulrich Tukur und Isabella Lewandowski. Edition Apollon, Königs Wusterhausen 2010. 2 CDs, 127 Min, 17,99 Euro.
„Nacht hing groß in
den Bäumen der Allee und tropfte
auf seine Schultern nieder  . . . “ 
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Ebenso verdienstvoll wie gelungen findet Alexander Cammann dieses Hörbuch, das einem vergessenen Frühvollendeten der deutschen Literatur gewidmet ist, dem expressionistischen Dichter Walter Rheiner, der unter dem Einfluss von Johannes R. Becher mit Drogen experimentierte und 1925 gerade 30-jährig an einer Überdosis Morphium starb. Im Mittelbuch dieser Doppel-CD steht Cammann zufolge die "erschütternd hoffnungslose" Novelle "Kokain" des Dreiundzwanzigjährigen, von Helmut Krauss "in vielleicht etwas zu schicksalhafter Reife" vorgetragen und "leider mit einem expressiven Klangteppich unterlegt". Trotzdem ist der Gesamteindruck positiv. Ausführlich werde auch Rheiners Biografie erzählt, Gedichte und Prosaskizzen gelesen. Höhepunkt ist aus Sicht des Kritikers der von Ulrich Tukur und Isabella Lewandowski gelesene Briefwechsel von Walter Rheiner und seiner Frau, die an ihrem Mann verzweifelt, der mit seiner Sucht sich und die Familie zu Grunde richtet.

© Perlentaucher Medien GmbH