10,00 €
inkl. MwSt.
Versandkostenfrei*
Liefertermin unbestimmt
Melden Sie sich für den Produktalarm an, um über die Verfügbarkeit des Produkts informiert zu werden.

payback
0 °P sammeln
  • Broschiertes Buch

"Als sie in San Francisco lebte, zwei Jahre lang, wusste sie nicht, dass sie glücklich war. Gemerkt hat sie es erst, als sie wusste, dass sie bald nicht mehr in der Stadt leben würde. Jetzt lebt sie schon seit über zehn Jahren nicht mehr in San Francisco. Deshalb will sie versuchen, den Bildern das erlebte Glück abzugewinnen. Hat sie das erlebte Glück überhaupt erlebt?" Das Gefühl des Glücks, dem Daphne, die Protagonistin in Alexander García Düttmanns erster Prosaveröffentlichung, nachspürt, entzieht sich nicht erst im Nachhinein der bewussten Vergegenwärtigung. Weil die Bedingung seiner…mehr

Produktbeschreibung
"Als sie in San Francisco lebte, zwei Jahre lang, wusste sie nicht, dass sie glücklich war. Gemerkt hat sie es erst, als sie wusste, dass sie bald nicht mehr in der Stadt leben würde. Jetzt lebt sie schon seit über zehn Jahren nicht mehr in San Francisco. Deshalb will sie versuchen, den Bildern das erlebte Glück abzugewinnen. Hat sie das erlebte Glück überhaupt erlebt?" Das Gefühl des Glücks, dem Daphne, die Protagonistin in Alexander García Düttmanns erster Prosaveröffentlichung, nachspürt, entzieht sich nicht erst im Nachhinein der bewussten Vergegenwärtigung. Weil die Bedingung seiner Gegenwart Unwissenheit ist, übt sich Daphne in der Kunst der Naivität: das Glück in denjenigen "imitations of life" erfahrbar zu machen, die mit ihrem Leben in San Francisco verbunden sind. Ihre Kunst ist eine Kunst der Verwandlung: Daphne baut ihre Erfahrung der Stadt wieder auf, sie schichtet Erinnerungsstein auf Erinnerungsstein, bis ihr dargestelltes Leben als das einer "Mrs. San Francisco" erscheint - als singuläres Bild des Lebens der Stadt selbst. Der erste Prosatext, der in der Kleinen Edition erscheint, trägt der Tatsache Rechnung, dass "Theorie" nicht an die Form des theoretischen Textes gebunden ist. Ihre Einsichten entfalten sich auch dort, wo die Eigenart ihres Gegenstandes - die Nachträglichkeit des Glücks - eine ihm entsprechende Artikulationsform erfordert: eine zugleich prosaische und "naive" Kunst.
Autorenporträt
Alexander García Düttmann ist Professor für Philosophische Ästhetik, Kunstphilosophie, Kulturtheorie und Kunsttheorie an der Universität der Künste in Berlin.

Christoph Menke ist Professor für Philosophie am Institut für Philosophie der Goethe-Universität Frankfurt am Main.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Alexander Garcia Düttmanns neues Buch "Naive Kunst" ist ganz "große Literatur" schwärmt Rezensent Andreas Platthaus - auch wenn er sich nicht ganz sicher ist, wie er das Werk des deutschen Philosophen bezeichnen soll. Denn obwohl er selten ein so schönes, topografisch und soziologisch genaues Porträt über San Francisco gelesen hat, ist die Geschichte um die Philosophiedozentin Daphne, die sich hier über fast fünfzehn Jahre hinweg an ihren zweijährigen Aufenthalt in der kalifornischen Metropole erinnert, kein Reiseführer. Zugleich, so Platthaus, sei das Buch aber auch kein Traktat - trotz des Untertitels "Ein Versuch über das Glück" und der deutlich spürbaren Vorliebe des Autors für Adorno. In jedem Fall lobt der Kritiker die Kunstfertigkeit dieser Erzählung. Wer "Eleganz, Einfallsreichtum und Präzision" schätzt, sollte diesen Band unbedingt lesen, rät der eingenommene Rezensent.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.05.2012

Sucht nach Versuchung
Alexander García Düttmanns Schreibkunst

Dieses Buch ist kein Roman, es ist keine Erzählung, keine Novelle. Und doch ist es all das auch und vor allem große Literatur. "Naive Kunst" verfolgt über einen Zeitraum von mehr als anderthalb Jahrzehnten die Entwicklung des Lebens der Philosophiedozentin Daphne - ein Geschehen, das in knappster Form erzählt wird und seinen Fokus in einem besonderen Ereignis hat: Daphnes zweijährigem Aufenthalt in San Francisco, während dessen sie sich überschwenglich in die Stadt verliebt.

Dieses Buch ist kein Reiseführer und keine Kulturgeschichte San Franciscos. Doch es leistet auch das, denn die topographische wie soziologische Genauigkeit, mit der Daphnes Zeit in Kalifornien rekonstruiert wird, taugt allemal zum Leitfaden für eine Insider-Tour und weit mehr noch für den Nachvollzug jener Faszination, die die Protagonistin für das San Francisco der mittleren neunziger Jahre verspürt. "Daphne versucht schon seit Jahren, das Lob der Stadt San Francisco zu singen, es ist ihr aber bisher nie gelungen, und sie hat ihr Unternehmen meist schnell wieder abgebrochen", heißt es im Text. Nun hat "Naive Kunst" das Protokoll dieser Liebe übernommen, und daraus ist das schönste Porträt einer Stadt entstanden, das man sich wünschen kann.

Dieses Buch ist kein Traktat, obwohl es den Untertitel "Ein Versuch über das Glück" trägt, von einem Philosophen geschrieben und von einem weiteren Philosophen mit einem Nachwort ausgestattet wurde. Der Text gliedert sich in Dutzende kleiner Miniaturen, die aus der Sicht eines Ich-Erzählers, der aber nur sehr selten auftritt, über Daphnes Erlebnisse in San Francisco und ihre Reflexionen darüber in den zwölf Jahren danach berichten. Wir befinden uns als Leser in Daphnes Kopf, doch zugleich beobachten wir sie, und so bekommt das grundlegende phänomenologische Moment der Konstruktion eine Brechung, die in der Tat als ein "Versuch" bezeichnet werden kann. Aber mit einem Essay im philosophischen Sinne hat das nur insoweit zu tun, wie etwa Adornos "Minima Moralia" als Versuch bezeichnet werden könnten. Sie sind natürlich vor allem das, was auch "Naive Kunst" ist: höchst kunstfertig. "Versuchung" wäre der passende Begriff.

Der Autor des Buchs ist ein Bewunderer Adornos. Alexander García Düttmann wurde 1961 in Barcelona geboren (wie Daphne), ist ein deutscher Philosoph (wie Daphne), Film- und Opernliebhaber (wie Daphne) und lehrt mittlerweile in London (wie Daphne). Doch er ist nicht Daphne. Niemand weiß, wer Daphne ist. Selbst ihr Geschlecht changiert. Meist eindeutig als Frau angesprochen und auch so beschrieben, gibt es Passagen, die einen Mann in ihr vermuten, ja diese Vermutung zwingend erscheinen lassen. Daphne ist die Stellvertreterin eines Lebensideals der Freiheit und des Schönen, das in der libertären Westküstenmetropole San Francisco die angemessene Kulisse findet.

In Alexander García Düttmanns 2004 erschienener "Philosophie der Übertreibung" findet sich ein Dilemma formuliert: "Um mir ein Bild von den verschiedenen Bildern zu machen, die ich mir während meines Lebens von mir und meinem Leben gemacht habe, müsste ich auf Aufzeichnungen und auf das Zeugnis anderer zurückgreifen können, auf die Beglaubigung durch einen Dritten." Das literarische Programm von "Naive Kunst" löst es auf: Die Freiheit des Erzählens schafft, was dem Räsonnement nicht gelingt. In Daphne ist zweifellos vieles von dem aufgehoben, was ihr Autor sich an Bildern gemacht hat, Daphne selbst ist nun das Bild dieser Bilder und García Düttmann sein eigener Dritter.

Dass auf diese Weise der Weg zu Proust nicht weit ist, einem anderen ständigen Gewährsmann des Ästhetikers García Düttmann, versteht sich von selbst. Die Variation der berühmten Laterna-magica-Szene des ersten Bandes von "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit" in einer Erinnerung Daphnes an die Verwandlung ihres Kinderzimmers zu einem Kinosaal ist hinreißend. Wie der ganze Band ein reines Lesevergnügen ist, wenn man auf literarische Kategorien wie Eleganz, Einfallsreichtum und Präzision noch Wert legt.

Ein letztes Wort aber muss der Ausstattung des Bändchens gelten. Die Klebebindung zerfällt bereits bei Hälfte der Lektüre; fortan hält man den bloßen Buchblock in der Hand. 9,80 Euro für eine Broschüre in schlechter Verarbeitung, wenn auch mit einer wunderschönen Erzählung darin, zu verlangen, das ist nicht naive, das ist eine dreiste Kunst.

ANDREAS PLATTHAUS

Alexander García Düttmann: "Naive Kunst". Ein Versuch über das Glück.

August Verlag, Berlin 2012. 140 S., br., 9,80 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr
»Dieses Buch ist kein Roman, es ist keine Erzählung, keine Novelle. Und doch ist es all das auch und vor allem große Literatur.« - Andreas Platthaus, FAZ Andreas Platthaus FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung 20120525