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Der wohl schönste Badeort Chinas, Peitaiho (Beidaihe), liegt, etwa drei Stunden Autofahrt von Peking entfernt, am Gelben Meer in idyllischer Lage am Fuße des Lotosberges. Hier, wo für über 300 Vogelarten, die im Frühjahr und Herbst das Land durchziehen, ein Rastort liegt, wurde chinesische und europäische Geschichte gleichermaßen geschrieben: Der Erbauer der Großen Mauer und Begründer des Kaiserreichs, Qin Shihuangdi (Ying Zheng), fiel hier im dritten Jahrhundert v. Chr. auf die Knie, um das ewige Leben zu erbitten. Peitaiho wurde zum Schauplatz großer politischer Entscheidungen, von…mehr

Produktbeschreibung
Der wohl schönste Badeort Chinas, Peitaiho (Beidaihe), liegt, etwa drei Stunden Autofahrt von Peking entfernt, am Gelben Meer in idyllischer Lage am Fuße des Lotosberges. Hier, wo für über 300 Vogelarten, die im Frühjahr und Herbst das Land durchziehen, ein Rastort liegt, wurde chinesische und europäische Geschichte gleichermaßen geschrieben: Der Erbauer der Großen Mauer und Begründer des Kaiserreichs, Qin Shihuangdi (Ying Zheng), fiel hier im dritten Jahrhundert v. Chr. auf die Knie, um das ewige Leben zu erbitten. Peitaiho wurde zum Schauplatz großer politischer Entscheidungen, von Machtkämpfen, Putschen und Intrigen, von christlicher Mission, bedeutenden Geschäften und Liebesgeschichten.Der Erzähler dieses weit gefassten Panoramas taucht in die Geschichte und die Geschichten dieses schillernden Ortes, seiner Bauwerke und früheren Bewohner ein und nimmt den Leser mit auf eine Reise in die Zeit der Jahrhundertwende, als Europäer und Amerikaner im Fernen Osten Fuß zu fassen versuchten, um vom Kohleabbau und anderen Geschäften zu profitieren, und dabei auch diesen mythischen Ort des alten China in Besitz nahmen.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Gar nicht leicht, bei China den richtigen Ton zu finden zwischen Akademismus, Empörung und Hysterie, findet Rezensent Jürgen Osterhammel. Umso mehr beeindruckt ihn der Sinologe Rainer Kloubert mit seiner polychromen, dabei wissenschaftlich fundierten und stilistisch feinen Darstellung des nordchinesischen Seebads Peitaiho. Allein das Verfahren aus Flaniererei und exakter Ortskenntnis (der Autor kennt sogar jeden Winkel in längst nicht mehr vorhandene Bauten) scheint Osterhammel bemerkenswert. Noch besser, dass es auch funktioniert und der Autor dem staunenden Rezensenten die ehemaligen Bewohner alter Mandarinpaläste in Peitaiho bekannt machen und Exkurse über Wassermelonen einflechten kann, ohne den Leser zu langweilen. Osterhammel wertet das Buch sogar als Sammlung kleiner intriganter und erotischer Geschichten. Über die größeren historischen Zusammenhänge erfährt er hier freilich wenig, doch das wäre wohl auch zu viel verlangt, suggeriert der Rezensent.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.10.2013

Komm in den alten Park und schau

Nach einem Sinologen mit besserer Kenntnis von Land und Sprache wird man lange suchen müssen: Rainer Klouberts Bücher über das nordchinesische Seebad Peitaiho und den Garten des Alten Sommerpalasts in Peking sind Pioniertat und Lesegenuss.

Von Jürgen Osterhammel

Es ist nicht leicht, einen Ton zu finden, in dem sich über China schreiben lässt. Der kühle Akademismus von Geschichte und Sinologie, die technizistische Sprödigkeit sozialwissenschaftlicher, besonders ökonomischer China-Forschung, alarmierte Hysterie angesichts eines erwarteten Griffs nach der Weltmacht, Empörung und Bitterkeit politischer Kritik an Polizeirepression und Kaderwillkür, ein Sarkasmus, der eine ältere Verachtung für den maoistischen Kommunismus als Spott über den Konsumismus der chinesischen Gegenwart erneuert: Das sind typische Haltungen, die jedoch Wünsche nach einem umfassenderen Zugriff offenlassen. Mit mehr Polychromie, verbunden mit einem wissenschaftlich untadeligen Stilwillen, hat allein der amerikanische Historiker Jonathan Spence eine große Leserschaft erreicht. Zu ihm gesellt sich nun Rainer Kloubert mit zwei großformatigen Bänden, in denen er ein originelles und unverwechselbares literarisches Verfahren praktiziert.

Kloubert, ein Sinologe mit tiefer Landeskenntnis und geradezu lexikomaner Sprachkompetenz, ist ein flanierender Dokumentarist. Einem chinesischen Karl Schlögel ähnlich, erschließt er sich auf ambulante Weise Orte, die er unbefangen auf sich wirken lässt und die er auch, sofern es der Veranschaulichung dient, fotografiert. Zugleich aber kennt er die historischen Quellen so gut, dass er über die inspizierten Lokalitäten unendlich viel weiß. Er liest Landschaften, erinnert an die längst verstorbenen Bewohner von Häusern, die man heute noch betreten kann, und beschreibt mit exakter Einbildungskraft Paläste und Monumente, von denen noch nicht einmal Trümmer erhalten sind, deren Abmessungen er aber aus alten Plänen zentimetergenau rekonstruiert. Detailsatte Exkurse - über Qualitätskriterien für Wassermelonen oder die korrekte Befestigung einer Taubenflöte - würzen beide Bände.

Dieses Verfahren bewährt sich recht ordentlich im Falle des nordchinesischen Seebades Peitaiho (in heutigen Reiseführern unter "Beidaihe" zu finden) und triumphal für den Alten Sommerpalast in Peking (Kloubert verweigert sich der offiziellen Schreibweise "Beijing"), den Yuanmingyuan. Peitaiho wurde erst in den 1890er Jahren als mondäner Badeort für westliche Ausländer und wohlhabende Chinesen erschlossen; heute ist es teils Schauplatz touristischen Massenrummels, teils abgeschirmter Rückzugsort für Superreiche und die politische Nomenklatura. Indem der Chronist von einer verwunschenen Villa zur nächsten spaziert, evoziert er aus großem Quellenreichtum die Schicksale ihrer Bewohner aus der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts. Bekannte historische Persönlichkeiten sind darunter wie Sir Robert Hart (1835-1911), jahrzehntelang als Chef des Seezollamtes ein hoher Mandarin des kaiserlichen Staates, oder der avantgardistische Dichter Xu Zhimo (1897-1931), daneben nicht weniger prägnant und unterhaltsam beschriebene Gestalten von geringerer Prominenz: Warlords, Diplomaten, Abenteurer und "ausländische Experten", unter ihnen besonders faszinierend der österreichische Architekt Rolf Geyling (1884-1952), dem Peitaiho und die nahe Großstadt Tianjin zahlreiche gelungene Bauten verdanken.

Rainer Klouberts biographisches Potpourri aus der chinesischen Republikzeit wird alle Liebhaber von Intrige, Verbrechen und erotischer Leidenschaft, von Heldenmut, Geschäftstüchtigkeit und stillem Gelehrtentum im verflossenen China des revolutionären Übergangs für sich gewinnen. Als historisches Epochenporträt ist es nicht gedacht. Wer über die größeren Zusammenhänge nicht schon Bescheid weiß, erfährt von ihnen wenig. Probleme der historischen Analyse werden kaum angesprochen; die neue Aktualität der Republikzeit für das heutige China, das etwa an den embryonalen Kapitalismus vor 1949 anknüpft, bleibt unerwähnt.

Anspruchsvoller ist der Band über den Yuanmingyuan: ein Lesegenuss ebenso wie eine wissenschaftliche Pioniertat. Heute ein gepflegter Park am nordwestlichen Rand der Pekinger Innenstadt, den Rainer Kloubert so gut kennt, dass er dort immer wieder demselben weißen Kaninchen und denselben skurrilen Stammbesuchern begegnet, war der Yuanmingyuan nach seiner Fertigstellung 1775 für weniger als ein Jahrhundert ein riesiges ästhetisches Ensemble, einzigartig auf der Welt. Das Areal war mit 350 Hektar mehr als doppelt so groß wie der Londoner Hyde Park. 160 000 Quadratmeter davon waren bebaut, deutlich mehr als in der Verbotenen Stadt, dem eigentlichen Kaiserpalast im Herzen von Peking. Ein Wunderwerk von Palazzi, Pavillons, Tempeln, Pagoden, Wasserspielen, Teichen, Kanälen, Brücken, Anhöhen und Aussichtspunkten, diente der Yuanmingyuan seinem Schöpfer, dem Kaiser Qianlong und seinen Nachfolgern ebenso als sommerliche Bühne monarchischer Prachtentfaltung wie als Ort stiller Kontemplation. Eine Fülle chinesischer Quellen und vereinzelte Beschreibungen von Europäern ermöglichen es, Glanz und Raffinesse der Anlage zumindest ahnen zu lassen.

Sehen kann man von ihr so gut wie nichts mehr, denn sie wurde 1860 am Ende des Zweiten Opiumkrieges von britischen und französischen Truppen gründlich geplündert und kurz danach von den Briten (die Franzosen schauten zu) als Vergeltung für die Misshandlung und Ermordung von Emissären niedergebrannt: ein Akt der Barbarei, den Kloubert nicht, wie üblich, aus der moralischen Verworfenheit des Oberbefehlshabers Lord Elgin erklärt, sondern teilweise aus der Handlungslogik der Situation. Die Holzkonstruktionen im Palastgarten fielen den Flammen rasch zum Opfer. Was man heute noch sieht, sind pittoresk dekorierte Steintrümmer von Gebäuden in einem leicht sinisierten Barockstil, die der Kaiser bei Giuseppe Castiglione und anderen Baumeistern unter seinen Hofjesuiten für einen Nebenbezirk des Parks in Auftrag gegeben hatte. Die Europäer, so heute die offizielle Botschaft an die Besucher, hätten ihre "eigenen" Kunstwerke zerstört.

Dies bezweifelt Rainer Kloubert. Er zieht Schriftquellen und frühe fotografische Dokumente heran, um die Vermutung zu stützen (ein unanfechtbarer Beweis ist unmöglich), dass die westlichen Gebäude im Yuanmingyuan dem Vandalismus von 1860 weithin entgingen und erst später peu à peu von der anwohnenden chinesischen Bevölkerung demontiert wurden; den buchstäblich letzten Stoß versetzte ihnen das Tangshan-Erdbeben von 1976. Auch von den viel umfangreicheren Hauptanlagen blieb nach 1860 zunächst noch manches erhalten. Die Verwüstung des schönsten Kleinods der Kaiserzeit wurde in einer langen Phase des Staatszusammenbruchs und der Schutzlosigkeit zwischen dem Boxeraufstand (1900) und der Kulturrevolution (1966-76) vollendet - von Chinesen auf der Suche nach Brennholz, Baumaterial und Ackerland.

Rainer Kloubert: "Peitaiho". Großer chinesischer Raritätenkasten.

Elfenbein Verlag, Berlin 2012. 250 S., geb., 39,- [Euro].

Rainer Kloubert: "Yuanmingyuan". Spuren einer Zerstörung.

Elfenbein Verlag, Berlin 2013. 243 S., geb., 39,- [Euro].

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