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"Ich bin doch die protestantische Hure!", ruft Nell 1681 dem aufgebrachten Londoner Pöbel entgegen, der im Begriff steht, ihre Kutsche zu stürmen, und kann daraufhin ihren Weg unbehelligt und unter den Jubel-rufen der Menge fortsetzen. "Eine Prinzessin des Volkes" nennt Charles Beauclerk seine Urahnin Nell Gwyn. Der legendären Mätresse Charles II., des englischen Königs, widmet er eine ebenso brillante wie warmherzige Biografie, die zugleich ein farbenprächtiges Epochenbild entrollt: England in den übermütig aufschäumenden Jahren der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts, die das Duckmäusertum der Ära Cromwell hinwegfegten.…mehr

Produktbeschreibung
"Ich bin doch die protestantische Hure!", ruft Nell 1681 dem aufgebrachten Londoner Pöbel entgegen, der im Begriff steht, ihre Kutsche zu stürmen, und kann daraufhin ihren Weg unbehelligt und unter den Jubel-rufen der Menge fortsetzen. "Eine Prinzessin des Volkes" nennt Charles Beauclerk seine Urahnin Nell Gwyn. Der legendären Mätresse Charles II., des englischen Königs, widmet er eine ebenso brillante wie warmherzige Biografie, die zugleich ein farbenprächtiges Epochenbild entrollt: England in den übermütig aufschäumenden Jahren der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts, die das Duckmäusertum der Ära Cromwell hinwegfegten.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 14.10.2008

Unsere Lieblingsschlampe
Charles Beauclerk erzählt vom Leben der Nell Gwyn, der überaus populären Mätresse des englischen Königs Charles II. Von Manfred Schwarz
Mit Pauken und Trompeten war der König nach England zurückkehrt. Und mit ihm, so scheint es, die Leichtigkeit des Lebens, die flirrende Lebenslust. Mit ihm war der Geist des Hochbarock nach England gekommen, französischer Geschmack am Frivolen und Prachtvollen, und eine Horde vergnügungssüchtiger Kavaliere, die bislang, genau so wie er, nicht viel anderes kannten als die Entbehrungen des Exils und die Vergnügungssucht des französischen Hofes. Mit Pauken und Trompeten war Charles Stuart 1660 nach England zurückgekehrt, um sich nach der Hinrichtung seines Vaters, nach den Wirren des Bürgerkriegs und den Exerzitien des Cromwell-Regimes endlich als Charles II. krönen zu lassen. Und um dann sogleich, es soll unmittelbar nach seiner Inthronisierung gewesen sein, mit einer seiner vielen Gespielinnen einen Nachkommen zu zeugen. So beginnt die glorreiche Restoration Era in England.
That reign was a reign of pleasure, werden später die Chronisten über seine Regierungszeit schreiben, die wohl wirklich die glücklichste Epoche Englands war seit dem Ausklang des elisabethanischen Zeitalters. Zur Symbolfigur der wiederbelebten Lust an der Diesseitigkeit aber wurde ein einfaches Mädchen aus den schmuddeligen Londoner Seitengassen: Nell Gwyn, die als frappierend schlagfertige Göre die Zuneigung des Monarchen und die Herzen der Volksmenge, schließlich sogar die Phantasie der Bänkelsänger und Geschichtsschreiber eroberte. Eben noch war sie Schankmagd in einem Freudenhaus, dann schon, gerade einmal im Teenager-Alter, auf den Brettern, die damals wirklich die Welt bedeuten, vor allem im leichtlebigen London der Restaurationsepoche: Gefeierte Komödiantin im King’s Theatre, und Gespielin des lüsternen Königs im Whitehall Palace, der von den Zeitgenossen, gewiss nicht zu unrecht, als größtes Theater, als größtes Bordell des ganzen Reiches bewundert und verspottet wurde.
Diese knabenhafte Schönheit aus dem Halbweltmilieu gehört nicht nur zur großen Schar namhafter Mätressen des Königs, sondern darüber hinaus zu den hell strahlenden Frauenfiguren der englischen Geschichte. Mehr noch: Sie ist im Lauf der Zeiten zu einer populären Ikone Englands geworden. Weil sie keck war, witzig und natürlich, weil sie unter all den damaligen „Titaninnen des Schlafgemachs”, eine titanische Portion von Mutterwitz und gesundem Menschenverstand besessen haben soll. Weil sie, im Gegensatz zu anderen langjährigen Mätressen des Königs, monumentale Nymphomaninnen und berüchtigte Zicken darunter, ein Kind des Volkes war und nicht ein Geschöpf des Hofes, weil sie Engländerin war, und eben nicht französisch. Weil sie über eine begnadete Scharfzüngigkeit verfügte – das, was die Engländer jener Epoche als wit so sehr zu schätzen wussten. Es gibt, zwischen der ebenfalls recht rustikalen Elisabeth I. und der sagenhaft trinkfesten Queen-Mum Elisabeths II., kaum eine andere Frauengestalt in der britischen Geschichte, die so sehr als Verkörperung typisch englischer Wesensart begriffen und geliebt wurde wie eben diese Nell Gwyn (1650-1687).
Hierzulande ist sie jedoch bis heute so gut wie unbekannt geblieben. So bietet jetzt Charles Beauclerks opulente Biographie dem deutschen Leser eine Gelegenheit, das legendäre Freudenmädchen intimer kennenzulernen. Man sollte dieses Rendezvous nicht versäumen. Mag auch die umfassende Lebensbeschreibung beileibe nicht alle Wünsche erfüllen – sondern methodisch wie stilistisch bisweilen ein bisschen halbseiden anmuten – so leistet sie doch Großes, Bahnbrechendes: Beauclerk macht uns mit einer epochalen Dame von der Insel bekannt, die als legendenumrankte Lady of Pleasure schon zu Lebzeiten in zahllosen Poemen, Moritaten und Theaterstücken figurierte, und die uns noch heute vorzüglich zu charmieren versteht. Auch als eine recht selbstbewusste, recht ungebundene Aufsteigerin. George Bernhard Shaw sah in ihr eine Art Vorläuferin der Suffragetten.
Beauclerk schreibt ihre Biographie auch aus einem unverhohlen subjektiven Blickwinkel. Es handelt sich für ihn gleichsam um ein Stück Familiengeschichte, denn er selbst ist ein direkter Nachkomme jener skandalträchtigen Verbindung zwischen der Theaterkönigin und dem bis heute beliebten Merry Monarch. Wie nicht anders zu erwarten, fördert allerdings persönliche Nähe nicht unbedingt das Urteilsvermögen. Zwar ist das Buch material- und kenntnisreich geschrieben, und dankenswerterweise erweitert Beauclerk die Lebensgeschichte zu einem Panorama der Epoche. Aber es mangelt ihm doch erheblich an methodischem Feinschliff im Umgang mit diesem – bei Königsmätressen stets besonders undurchdringlichen – Geflecht von Fakten und Fiktionen, von Klatsch und Tratsch. Man hätte, gerade von einem Engländer, etwas mehr Contenance gegenüber den Quellen erwartet. Insbesondere gegenüber den wirklich legendär anmutenden Zügen ihrer Fama, die mitunter vollends ins Märchenhafte reichen und Nell als eine Art – besonders scharfzüngiger – Cinderella erscheinen lassen.
Zudem neigt Beauclerk zu gewissen Rührseligkeiten in der Manier von Dickens und, schlimmer noch, zu einer Form von Küchenpsychologie, wie man sie eher unter den reetgedeckten Landhäusern Cornwalls vermuten würde. Aber das macht letztlich nichts: Die Geschichte, die er zu erzählen hat, tröstet mühelos über die Schwächen des Autors hinweg.
Der Earl of Rochester, jener so lasterhafte und notorisch betrunkene Weggefährte dieses Freudenmädchens, die von ihm als „Lieblingsschlampe des Volkes” verewigt wurde, hat für jene Ära denkwürdige Worte gefunden. „Mir scheint dies” hat er einmal geschrieben, „ein so herrliches Zeitalter der Sauferei und Hurerei zu sein, wie es ein Mensch sich besser nicht wünschen kann, um darin zu leben.”
Charles Beauclerk
Nell Gwyn
Schauspielerin und Geliebte des Königs. Aus dem Englischen von J. Bretthauer und Chr. Wunnike. Osburg Verlag, Berlin 2008. 509 S., 19,95 Euro.
Keck war sie, witzig, natürlich und mit einer besonderen Scharfzüngigkeit begabt
Eleanor „Nell” Gwyn (1650-1687) kam aus den schmuddeligen Londoner Seitengassen und wurde als Mätresse des Königs zu einer populären Ikone. Dieser Stich wurde 1777 nach einem Gemälde von Peter Lely gefertigt. Abbildung aus dem besprochenen Band
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