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Wenn Bei Dao aufbricht, in eine andere Stadt, ein anderes Land, wird es nie eine Reise in die Fremde, denn wohin er auch kommt, empfangen ihn dort seine Gedichte und die, die sie lieben, darunter viele Dichterkollegen wie z.B. Allen Ginsberg, Gary Snyder, Gegory Corso, Tomas Tranströmer.So sind die Bekanntschaften, die er dann macht, die Freundschaften, die er schließt, gestiftet von der Poesie, der 'großen Zusammenbringerin' (Hofmannsthal).In den Essays des vorliegenden Bandes erzählt Bei Dao von dem, was wirklich los ist, wenn Dichter irgendwo auf der Welt einander treffen - Backstage-Szenen…mehr

Produktbeschreibung
Wenn Bei Dao aufbricht, in eine andere Stadt, ein anderes Land, wird es nie eine Reise in die Fremde, denn wohin er auch kommt, empfangen ihn dort seine Gedichte und die, die sie lieben, darunter viele Dichterkollegen wie z.B. Allen Ginsberg, Gary Snyder, Gegory Corso, Tomas Tranströmer.So sind die Bekanntschaften, die er dann macht, die Freundschaften, die er schließt, gestiftet von der Poesie, der 'großen Zusammenbringerin' (Hofmannsthal).In den Essays des vorliegenden Bandes erzählt Bei Dao von dem, was wirklich los ist, wenn Dichter irgendwo auf der Welt einander treffen - Backstage-Szenen der Poeten-Festivals, Geschichten von Lampenfieber, von Festen bis zum Umfallen, aber auch von den gemeinsamen stillen Stunden, denen zum Atemholen und denen zur Trauer ums Vergängliche, ums Leben, um die Kraft.Bei Dao berichtet, wie er das Dichterdasein in Gesellschaft immer wieder neu erfährt und läßt den Leser die starke, fortwährende Wirkung dieser Begegnungen spüren.Denn die Erlebnisse, die man teilte, ob aufregende kleine Abenteuer oder alltägliche Wege, die man zusammen ging, haben eines immer gemeinsam: Dabei wird Sprache zur Sprache gebracht, das Wort kommt zu Wort und vor allem seine unbändige Freiheit.
Autorenporträt
BEI DAO, geb. 1949, einer der bedeutendsten chinesischen Gegenwartsautoren, ist in Deutschland bislang vor allem durch seine Lyrik bekannt. Ein weiterer Schwerpunkt seines Schaffens ist aber der Essay, der in der chinesischen Literatur eine herausragende Rolle spielt. Der Sinologe, Lyriker und Essayist WOLFGANG KUBIN (geb. 1945), der bereits mehrere Lyrikbande Bei Daos ins Deutsche übertrug, hat die vorliegende Essaysammlung übersetzt, kommentiert und mit einem Nachwort begleitet - auf Basis aller zur Verfügung stehenden chinesischen Ausgaben und in genauer Kenntnis ihrer besonderen Veröffentlichungssituation unter der Zensur.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.05.2012

Beiläufiges im Lampenschein
Literarische Lockerung: Der chinesische Dichter Bei Dao erzählt aus dem Exil

Der russische Poet und Literaturnobelpreisträger Joseph Brodsky behauptete allen Ernstes, er könne große Dichter an ihrem Äußeren erkennen, ohne eine Zeile von ihnen gelesen zu haben. Die These lässt sich an dem chinesischen Dichter Bei Dao verifizieren, nicht nur, weil er viele Landsleute um Haupteslänge überragt und seit Jahren als Anwärter auf den Nobelpreis gilt: Die Qualität seiner Verse, gepaart mit seiner bei aller Bescheidenheit aristokratischen Aura, machte Bei Dao zum Wortführer einer Generation damals junger Autoren, die nach dem Blutbad auf dem Platz des Himmlischen Friedens China den Rücken kehrten, weil sie das unstete Leben im Exil faulen Kompromissen mit der Diktatur vorzogen. Trotzdem hat Bei Dao sich stets gewehrt, als Dissident etikettiert und politisch vereinnahmt zu werden. Er war und ist in erster Linie ein Dichter, und bei unserem letzten Treffen in Hongkong warnte er mich vor dem Medienrummel, der schmale Talente zum Nonplusultra der Literatur erkläre und Unfrieden stifte zwischen Chinas Künstlern und Literaten, denen es nur noch ums Geldverdienen gehe - ein markanter Kontrast zu den frühen achtziger Jahren, als ich Bei Dao unter konspirativen Umständen in einem Pekinger U-Bahnhof traf.

Warum er die Rolle des Oppositionsführers nicht spielen wollte, wird klar, wenn man Bei Daos auf Deutsch vorliegende Essays vergleicht mit den spektakulären Aktionen seines Freundes Ai Weiwei. "Der Dichter ist eine private Person", hat Joseph Brodsky in seiner Nobelpreisrede erklärt, kein Vorkämpfer einer Partei oder Ideologie, Nation oder Kultur, sondern ein normaler Bürger, der nicht für eine soziale Gruppe oder Klasse, sondern nur für sich selbst spricht. Diese Feststellung hat auch für Bei Dao Gültigkeit, und die Subjektivität, die darin zum Ausdruck kommt, besitzt besondere Sprengkraft in China, wo die Einordnung des Einzelnen ins Kollektiv, der Vorrang der Gemeinschaft über das Individuum nicht erst im Kommunismus, sondern schon im Konfuzianismus festgeschrieben wurde - zusammen mit der Herrschaft des Alters über die Jugend und des Mannes über die Frau.

Dieses hierarchische Denken wurde von den klassischen Dichtern der Tang-Zeit ebenso in Frage gestellt wie von dem modernen Klassiker Lu Xun, aber es bestimmt bis heute den chinesischen Alltag und erklärt, warum die Volksmassen sich fast widerspruchslos den Direktiven der Führung beugen. Demgegenüber fällt an Bei Daos Essays auf, dass sie auf große Worte ebenso verzichten wie auf abstrakte Begriffe und so unspektakulär wie nur möglich daherkommen, selbst wenn es um ernste, ja tragische Ereignisse wie das Tienanmen-Massaker geht: Nicht nur die schrille Parteipropaganda, auch das moralische Pathos ihrer Gegner ist Bei Dao suspekt. Das Vorbild seiner Essays sind die Tsa-Wen genannten, vermischten Schriften von Lu Xun mit Titeln wie "Beiläufiges im Lampenschein", in denen Anweisungen zum Teekochen neben Totenklagen für von Soldaten getötete Studenten stehen. Bei Daos Texte sind mir schon deshalb sympathisch, weil der Dichter nicht mit literarischen Zelebritäten protzt, denen er auf Schritt und Tritt begegnet und auf gleicher Augenhöhe gegenübertritt: Von Allen Ginsberg über Susan Sontag bis zu Tomas Tranströmer, dem schwedischen Nobelpreisträger, der ihn auf die Schippe nahm mit dem Satz: "Ich habe noch nie einen so großen Chinesen gesehen wie dich." Kein Namedropping also, kein Bemühen um Originalität, sondern das Gegenteil: Literarische Lockerungsübungen, in denen Bei Dao Stationen seines Exils Revue passieren lässt und sich Rechenschaft ablegt über sich selbst.

"Nach einer gewissen Zeit begann ich zu verstehen, dass sie alle Figuren auf einem Schachbrett sind. Den örtlichen Gegebenheiten und den Straßenplänen zum Trotz sind es die Labyrinthe ihrer Herzen und die Kurven der Börse, die all das Verdrehte in den Seelen der New Yorker hervorgerufen haben." Was ist das - essayistische Reflexion, objektive Beschreibung, subjektive Betrachtung? Vermutlich alles zugleich, und die vorzügliche Übersetzung von Wolfgang Kubin, selbst Lyriker, den Bei Dao liebevoll porträtiert, trägt zur Faszination des Essaybands bei. Dessen lose verknüpfte Texte lesen sich wie ein Fortsetzungsroman, eine Chronik laufender Ereignisse, gesehen mit dem fremden Blick eines chinesischen Dichters, dem New York und Paris, Berlin und Stockholm zur zweiten Heimat geworden sind - ein westöstlicher Diwan im wahren Sinne des Wortes.

HANS CHRISTOPH BUCH

Bei Dao: "Gottes chinesischer Sohn". Essays.

Aus dem Chinesischen und mit einer Nachbemerkung von Wolfgang Kubin. Weidle Verlag, Bonn 2011. 216 S., br., 19,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Für Bei Dao ist der Schriftsteller eine "private Person", was in China von jeher eine besondere Brisanz hatte, wie Rezensent Hans Christoph Buch weiß. Er kennt den nach dem Tienanmen-Massaker ins Exil gegangenen Dichter persönlich und schätzt ihn sehr, wie er deutlich zeigt. "Unspektakulär", ohne Pathos und dafür umso eindringlicher geben sich die Essays des chinesischen Dichters, der die Dissidentenrolle stets abgelehnt hat, wie wir vom Rezensenten erfahren. Dass Bei Dao, der im Exil mit vielen berühmten Schriftstellern von Susan Sontag bis zum schwedischen Nobelpreisträger Tomas Tranströmer zusammentraf, nicht mit seinen Bekanntschaften angibt, ist Buch ebenso "sympathisch" wie das Fehlen jeder bemühten Originalität. Dass die vorliegenden Essays von Wolfgang Kubin glänzend übersetzt worden sind, freut Buch besonders.

© Perlentaucher Medien GmbH