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Mit dem Erzählungsband "Die Niedertracht der Musik" präsentiert Alban Nikolai Herbst zum ersten Mal eine Sammlung kurzer Prosastücke. Die Auswahl deckt einen Zeitraum von mehr als 30 Jahren ab und gibt so Aufschluss über große Vielfalt der Themen, denen sich der Autor im Lauf dieses Zeitraums zuwandte.

Produktbeschreibung
Mit dem Erzählungsband "Die Niedertracht der Musik" präsentiert Alban Nikolai Herbst zum ersten Mal eine Sammlung kurzer Prosastücke. Die Auswahl deckt einen Zeitraum von mehr als 30 Jahren ab und gibt so Aufschluss über große Vielfalt der Themen, denen sich der Autor im Lauf dieses Zeitraums zuwandte.
Autorenporträt
Alban Nikolai Herbst, geboren 1955 in Refrath, studierte Philosophie und arbeitete als Broker. Er erhielt den Grimmelshausen-Preis, 1998 einen Jahresaufenthaltin der Deutschen Akademie Villa Massimo Rom, 1999 den Phantastik-Preis. 2007 wurde Herbst auf die Poetik-Dozentur der Universität Heidelberg berufen.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Mit spitzen Fingern hat sich Rezensent Martin Halter durch die dreizehn Erzählungen dieses Buches gearbeitet. Zwar findet er die Übertragung von Alban Nicolai Herbsts "barock ausufernder Prosa" in die verknappte Form der Erzählung zunächst durchaus gelungen. Dazu zählen vor allem die Stücke, die er in der Tradition von Großmeistern des Genres wie Borges oder Cortazar stehen sieht. Allerdings hat er auch "viel unvergorene Seelenqual, pubertäre Schockeffekte und apokalyptischen Szenarien" vorgefunden, was den Gesamteindruck nachhaltig trübt. Herbsts angebliche Tabubrüche hält er für konstruiert, seine Ausflüge in die "schwül-verschwitze Männerromantik" eher abstoßend. Alle Hinweise auf Freud bis Schopenhauer führten nur zurück in einen "pubertären Narzissmus", den er trotz oder gerade wegen des betriebenen intellektuellen Aufwands und der souveränen Beherrschung der Form "nur noch unappetitlicher" finden kann.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.07.2005

Orangenduft und Myrrhe
Alban Nicolai Herbsts phantastische Erzählungen

Herbst, Alban Nicolai, geboren 1955, deutscher Fantast" heißt ein Eintrag in der Encyclopaedia Babilonica. Der Autor schätzt diese kleinen Vexierspiele: In seinem phantastischen Realismus ist das Leben die feindliche Schwester von Kunst und Geist, der Autor Märtyrer einer herostratischen Phantasie, von deren Abgründen der Spießer nichts weiß. So wie er gern Fakten und Figuren aus dem wirklichen Leben in seine kybernetisch vernetzte "Anderswelt" einschleust, will er alle Fäden kappen, die seine Kunstfigur "Alban Nicolai Herbst" an Alexander von Ribbentrop fesseln, wie er tatsächlich heißt. Manchmal holt ihn die krude Realität allerdings ein, zuletzt 2003 mit dem Verbot seines Enthüllungsromans "Meere". Was verfremden und verstören soll, erscheint dann als spekulative Inszenierung: Der Phantast steht plötzlich nackt als Kaiser des literarischen Exhibitionismus, der letzte Dandy der schwarzromantischen Grausamkeit als grausamer Narziß da.

Herbst, studierter Philosoph, Ex-Börsenbroker und begabter phantastischer Erzähler, ist ein Außenseiter der deutschen Literatur. Für einige Kritiker, darunter Herbst selber, ist er eine der heimlichen "Führungsfiguren der ästhetischen Postmoderne", für die meisten aber doch eher ein Skandalnudler, den man nur mit spitzen Fingern anfaßt oder ganz verschweigt. Seine utopisch-kybernetischen Großromane haben es auch ohne diese Vorurteile schwer genug; sperrig sind sie schon durch ihren schieren Umfang, den trotzig-arroganten Gestus und eine tollkühne Prosa, in der sich ein extravaganter Ästhetizismus mit ordinären Stilblüten und wissenschaftliche Exaktheit mit spätromantischer Unschärfe paaren.

In dem jungen Kölner Verlag "Tisch 7" hat Herbst jetzt, nach einer langen Odyssee, ein neues Forum gefunden und seine barock ausufernde Produktivität erstmals ins Bett der kleinen Form gezwängt. Durchaus mit Erfolg: Die dreizehn Erzählungen sind so kunstvoll und diszipliniert komponiert wie klassische Novellen oder Fugen. Inhaltlich macht Herbst freilich keine Abstriche von seiner Poetik des Skandals. Seine Blumen des Bösen sind dunkle Nachtschattengewächse, angepflanzt im Humus von Wahn und Rausch, gedüngt mit Obsessionen, Exzessen und multiplen Perversionen, bewässert mit einigen Kannen Symbolismus und Surrealismus, Poe und Pynchon. Was Herbsts hybride Helden - Außenseiter, Sonderlinge, dämonische Forscher, Psychopathen - umtreibt, spottet jeder bürgerlichen Realität und psychologischen Einfühlung. In "Kette" etwa, einer verschärften Version von Kafkas "Strafkolonie", läßt sich ein Herr von Darlhaus angeekelt und fasziniert von einer beleibten, talentfreien Künstlerin namens Martha blenden, kastrieren und Sperma abzapfen, Kunst "nach der Natur" in die Haut ritzen und schnitzen, bis die Domina seiner überdrüssig und ihr devotes Modell tot ist. Große Konzeptkunst gelingt damit weder Martha Werschowska noch Herbst.

Lustvoll unterwerfen sich Herbsts dionysische Männer in sadomasochistischen Riten Überweibern und zartgliedrigen Mädchen, benebelt von kostbaren Farben ("latentes Kirchenviolett"), erlesenen Gerüchen ("Sie roch entfernt nach mit Orangenschale versetzter Myrrhe") und den artifiziellen Gebärden der literarischen Dekadenz. Im Kopf haben sie Schopenhauer, Hegel und Freud, im Ohr klassische Musik. In der Titelgeschichte "Die Niedertracht der Musik" wird ein terroristischer Geiselnehmer mit Streichersinfonien zermürbt.

Es gibt neben viel unvergorener Seelenqual, pubertären Schockeffekten und apokalyptischen Szenarien, denen man ihr Alter (die früheste Erzählung stammt von 1972) ansieht, auch einige gelungenere Erzählungen in der Nachfolge von Großmeistern wie Borges oder Cortázar: etwa das enzyklopädische Vexierspiel im "Gräfenberg-Club" oder den "Nachruf auf Asmus Hornácek", die fiktive Biographie eines Ameisenforschers, der für die Nazis den Mengele, für Amerika den demokratischen Frankenstein und für den Vatikan den Kirchenvater der theologischen Genetik gab. Ob im Kleinkunstlokal oder auf der großen Weltbühne: Immer liegt eine Seele, die mit ihrer verruchten Amoralität kokettiert und mit ihrer verfluchten Einsamkeit hadert, im Krieg mit Materie und Realität. Die Hölle erhebt sich gegen die "synthetischen Paradiese" der Gegenwart, eine sich selbst verschwendende Triebnatur gegen die Vernunft, die Musik gegen die Kakophonien des Alltags. Leider gebiert der Aufstand einer schwül-verschwitzten Männerromantik gegen den Ennui und die Belles dames sans merci des Fin de siècle ab und an auch ein "zynisches Ploppen", "kuchenseliges Unbehagen" und noch mysteriösere Phänomene: "Am Tag des pakistanischen Schnees beschloß wahrscheinlich ihr Überdruss, die masturbative Pickelei von mir abzulösen."

"Das Herz ist der Motor meiner Arbeit", schreibt Herbst in seinem Internet-Tagebuch. Hier freilich wirken seine anderen Zustände so kühl konstruiert und raffiniert illuminiert wie seine Tabubrüche; selbst die Webfehler seiner Prosa erscheinen wie bewußt plazierte Signale. So führen alle Zitate, Anspielungen und verdeckten Fährten zurück in einen pubertären Narzißmus, der durch den intellektuellen Aufwand und die souveräne Beherrschung der Form nur um so unappetitlicher erscheint. "Die Niedertracht der Musik" orchestriert die verführerische Musik literarischer Niedertracht laut und schrill. "Sie haben Bildung", lobt die Werschowska ihr Opfer einmal, "doch es fehlt ihnen an Haltung."

Alban Nicolai Herbst: "Die Niedertracht der Musik". Dreizehn Erzählungen. Verlag Tisch 7, Köln 2005. 189 S., geb., 22,- [Euro].

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