Produktdetails
  • Verlag: marixverlag
  • Seitenzahl: 526
  • Deutsch
  • Abmessung: 205mm
  • Gewicht: 638g
  • ISBN-13: 9783937715018
  • ISBN-10: 3937715010
  • Artikelnr.: 12609945
Autorenporträt
Prof. Dr. Thomas Sören Hoffmann, lebt in Wien und lehrt Philosophie an der Universität Bonn mit den Forschungsschwer-punkten Philosophie des Deutschen Idealismus und Praktische Philosophie und als Gastprofessor an verschiedenen österreichischen Hochschulen. Er ist Verfasser zahlreicher Monographien und anderer wissenschaftlicher Arbeiten sowie Mitherausgeber der internationalen Fachzeitschrift Synthesis philosophica. Die Universität Oldenburg hat ihm im Jahre 2007 den Karl-Jaspers-Förderpreis verliehen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.05.2005

Die Überwindung der Leere im Augenblick ihrer Entstehung
Hier werden Gedanken gedacht und nicht bloß gebraucht: Thomas Sören Hoffmann hat eine hervorragende Hegel-Darstellung verfaßt

Wer das philosophische Hauptwerk Kants unvorbereitet zur Hand nimmt, wird vermutlich erstaunt darüber sein, daß über Hunderte von Seiten statt von der titelgebenden reinen Vernunft hauptsächlich vom reinen Verstand die Rede ist. Dessen Tätigkeit erschöpft sich darin, das Anschauungsmaterial zur Einheit und Struktur eines Objekts zu formen. Die reine Vernunft hat ein ehrgeizigeres Ziel. Ihr Bestreben geht Kant zufolge dahin, "zu dem bedingten Erkenntnisse des Verstandes das Unbedingte zu finden, womit die Einheit desselben vollendet wird".

Daß die reine Vernunft sich bei dem Versuch, Erkenntnisse über erfahrungsunabhängige Totalitäten zu formulieren, in unauflösliche Widersprüche verwickelt, sucht Kant unter dem Titel einer "transzendentalen Dialektik" nachzuweisen. Den transzendentalen Ideen der reinen Vernunft - Seele, Welt und Gott - spricht er deshalb lediglich eine regulative Bedeutung zu. Das Ganze ist uns nach Kant nicht gegeben, sondern nur ständig aufgegeben. Es verhält sich mit ihm wie mit dem Horizont, der sich mit jedem Schritt, dem man ihm näher zu kommen glaubt, aufs neue entzieht.

Wie Thomas Sören Hoffmann in seiner hervorragenden Gesamtdarstellung der Philosophie Hegels dartut, wird der Nachweis Kants, "daß Totalität kein mögliches Subjekt endlicher Prädikationen sein kann", auch von seinem Berliner Nachfolger nicht zurückgenommen. Hegels dialektische Methode "antwortet dem Bedürfnis, die Totalität überhaupt in den Blick zu nehmen und auf sie hin zu denken, wie auch der Unmöglichkeit, ihrer in einfach bestimmter Rede habhaft zu werden". Hegel zeigt, daß sich jedes einzelne Prinzip bei konsequenter Selbstanwendung in einem Widerspruch verfängt. Dieser Widerspruch bringt das ihm entgegengesetzte Prinzip hervor, dem es freilich nicht besser ergeht. Beispielsweise ist das differenzlose, gleichsam monochrome Sein, mit dem Hegels "Logik" einsetzt, der inhaltsärmste Begriff, welcher sich denken läßt - und deshalb schlägt er, wie Hoffmann bemerkt, zwangsläufig um "in die Bestimmung, Nichts zu sein". Davon zu sprechen, daß dann eben alles Nichts sei, ist aber ebenso unbefriedigend, denn ein seiendes Nichts widerspricht sich selbst.

Unter Hegels kunstvollen Händen fördert die dialektische Methode indessen Wertvolleres zutage als lediglich eine ins Unendliche fortlaufende Reihe von einander ausstechenden und lähmenden Denkbestimmungen. Hegel überwindet die Leere des Anfangs, wo nach seinen eigenen Worten "Sein und Nichts dasselbe" sind, indem er beide statt als statische Zustände als Teilmomente eines dynamischen Prozesses begreift. So gelangt er zum Werden. Dieses hat allerdings, wie Hoffmann darlegt, "weder in sich noch außer sich einen Halt, und es produziert insofern auch noch keine konkrete Bestimmtheit, sondern ist nur immer noch konturloser Prozeß".

Aus dem Werden muß sich deshalb das Gewordene herauskristallisieren: das "Dasein", von Hegel als "bestimmtes Sein" definiert. Seine Bestimmtheit erhält das Dasein freilich nicht nur durch das, was es ist, sondern ebensosehr auch durch das, was es nicht ist. Omnis determinatio est negatio. Identisches gibt es in dieser Konzeption nach einer treffenden Wendung Hoffmanns "nur als Differentes". Daß kein Einzelseiendes die ganze Wahrheit enthält, ist dann nicht länger ein Einwand gegen die Möglichkeit eines Totalitätsdenkens. Das Ganze, nach dessen Erkenntnis die Philosophie strebt, ist Hegel zufolge nämlich nichts anderes als der sich selbst durchsichtig gewordene Vermittlungszusammenhang alles Einzelseienden. "Wenn die Hegelsche Philosophie ein Prinzip hat, das alle Momente ihres Denkens durchwaltet", so handelt es sich dabei, wie Hoffmann zu Recht ausführt, um "das Prinzip der Differenz als einer Einheitspotenz".

Dieses Prinzip veranlaßt Hegel zu einer entschiedenen Bestreitung der These von der Irrealität und Ohnmacht der Vernunft. Seit seinen Jugendschriften wendet Hegel sich gegen die Zerreißung des Denkens in eine Wirklichkeitswissenschaft, die das Wirkliche allein in angeblich harten äußeren Fakten zu finden meint, und eine Ethik, die das Gute zu einer abstrakten Moral verdünnt und ihm jede eigene Wirklichkeitsmacht abspricht. Hegel, der sich damit als der letzte Erbe einer bis zu den alten Griechen zurückreichenden Tradition erweist, versteht die Wirklichkeit vielmehr als Vernunftgegenwart. In ihr manifestiert sich der Begriff, dessen inneres Telos es in Hoffmanns Worten ist, "Manifestation-für-sich, selbstbewußte Subjektivität zu sein".

Auch die soziale und politische Welt, in die der einzelne Mensch hineingeboren wird, ist, all ihren Unvollkommenheiten zum Trotz, nicht schlechthin vernunftlos. Wie Hoffmann erläutert, beginnt der Mensch nach dem Verständnis Hegels "niemals in abstrakter Vereinzelung: weder als schon fertiges Subjekt noch als Einzelkämpfer, der sich mit anderen Einzelkämpfern um die Durchsetzung seiner Interessen balgt, sondern als gewissermaßen dezentrisches Subjekt, als Subjekt, das sein Selbst außerhalb seiner selbst in einem überindividuell Geltenden hat". Dieses überindividuell Geltende ist der Geist.

Wer meint, Subjektivität nur gegen das Ganze, "nur als eingehegte Unmittelbarkeit" retten zu können, der muß sich von Hegels getreuem Eckart Hoffmann darüber belehren lassen, "daß eben in dieser Vorstellung ein abstrakter, romantischer oder auch nihilistischer Begriff der Subjektivität liegt". Hegels eigenes Verständnis von Subjektivität ersetzt, wie Hoffmann zeigt, die wechselseitige Isolierung durch die "Koinzidenz von Totalität und Individualität". Das Hegelsche Subjekt ist deshalb kein bloßes Gedankengebilde, sondern daseiender Begriff. Im philosophierenden Subjekt kommt der Geist zu sich und gehen dem Weltlauf gleichsam die Augen auf; und der Sinn des Weltlaufs ist "eben nichts anderes als dieses erkennend geöffnete Auge".

Nach Hegel ist es das Los aller großen Männer, daß sie "die Menschen dazu verdammen, sie zu explizieren". Viel leichter, als sich dieser Aufgabe zu stellen, ist es freilich, einen großen Namen zum Anlaß dafür zu nehmen, all das loszuwerden, was man immer schon einmal sagen wollte. Kaum eine der großen Hegel-Darstellungen der letzten Jahrzehnte ist von dieser Neigung frei. Bei Charles Taylor mutiert Hegel zu einem Kommunitaristen avant la lettre, und bei Vittorio Hösle erscheint Hegels Philosophie als Testgelände für das eigene Intersubjektivitätsdenken des Verfassers.

Bei Hoffmann darf Hegel hingegen er selbst sein. Was Hegel für seine "Logik" beansprucht - daß dort Gedanken wahrhaft gedacht und nicht nur gebraucht oder in Anspruch genommen würden -, ist Hoffmann in seiner viel zu bescheiden als "Propädeutik" betitelten Darstellung gelungen. Freilich ist sie - wie Hegel selbst - nicht immer leicht lesbar. Seinem Anspruch, "den Grundimpuls des Hegelschen Denkens nicht in Flaschen zu sperren, sondern als lebendige Inspiration zur Sprache zu bringen", ist Hoffmann jedenfalls in vorzüglicher Weise gerecht geworden.

MICHAEL PAWLIK

Thomas Sören Hoffmann: "Georg Wilhelm Friedrich Hegel". Eine Propädeutik. Marix Verlag, Wiesbaden 2004. 526 S., geb., 12,95 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Als "hervorragende Gesamtdarstellung der Philosophie Hegels" würdigt Michael Pawlik dieses Werk von Thomas Sören Hoffmann. Dem Autor folgend referiert der Rezensent die Grundzüge der Hegelschen Philosophie. Er unterrichtet über dessen dialektische Methode, erklärt, wie Hegel vom Sein zum Werden kommt, erläutert die Möglichkeit eines Denkens der Totalität, und schildert Hegels Gedanken der Wirklichkeit als Vernunftgegenwart. An Hoffmans Darstellung gefällt ihm insbesondere dessen Treue zu Hegel. Während er in vielen Hegel-Darstellungen der letzten Jahrzehnte, von Charles Taylor bis Vittorio Hösle, ein von den subjektiven Ambitionen der Autoren verzerrtes Bild von Hegels Philosophie erkennt, hebt er im Blick auf vorliegendes Werk hervor: "Bei Hoffmann darf Hegel hingegen er selbst sein". Pawlik verschweigt nicht, dass Hoffmanns Werk - wie Hegel selbst - nicht immer leicht zu lesen ist. Dafür würden hier "Gedanken wahrhaft gedacht und nicht nur gebraucht oder in Anspruch genommen".

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