Produktdetails
  • Verlag: Klöpfer & Meyer Verlag
  • Seitenzahl: 116
  • Erscheinungstermin: Februar 2007
  • Deutsch
  • Abmessung: 190mm
  • Gewicht: 190g
  • ISBN-13: 9783937667980
  • ISBN-10: 3937667989
  • Artikelnr.: 22515737
Autorenporträt
Christine Langer 1966 in Ulm geboren.
Schreibt Lyrik und Prosa, veröffentlichte bislang in Anthologien, Zeitschriften, Zeitungen; zahlreiche Lesungen. Freie Kulturjournalistin und -kritikerin. Herausgeberin und Chefredakteurin der "Konzepte", Zeitschrift für Literatur.
Mehrere Preise und Auszeichnungen, u.a. Förderpreis für Literatur der Stadt Ulm; Stipendium der Villa Vigoni, Italien, Siegerin im Lyrikwettbewerb 2006 der "Künstlergilde Esslingen", Literaturstipendium des Landes Baden-Württemberg 2009.
Christine Langers Gedichte wurden mehrfach vertont, u.a. von Orchestern aus Linz, Bratislava, Bukarest.
Die Autorin in ist zu Lesungen gerne bereit.
Internet: www.christine-langer.de
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 20.12.2007

Im falschen Loch
Unbedingt unmodern: Christine Langers Gedichte „Lichtrisse”
Wer heute von Natur und Liebe dichtet, muss Kondome und die Klimakatastrophe erwähnen. Muss er oder sie es wirklich? Christine Langer jedenfalls legt keinen Wert darauf, absolut modern erscheinen zu wollen. Sie versucht vielmehr, nahtlos an eine große Tradition anzuknüpfen, an Bilder und Themen, die sich bis in die Antike zurückverfolgen lassen. Und so schreibt sie ganz ernsthaft, ohne jegliche Brüche, über das Begehren und die Lust, den Wechsel der Jahreszeiten, den Mond und die Wellen.
Ihre erotischen Gedichte prägen sich ein, wenn sie das Derbe, Obszöne nicht scheuen oder, wie in „Details”, allein am Marginalen haften bleiben, an den Folgen der Leidenschaft: „Durcheinander- / Gewirbelt das Haar, / Nicht nur – / Auch der Blusenknopf / Im falschen Loch, / Und der Slip, nachher, / Mit den Nähten nach außen // Die Erregung, /Am Slip, /Die Spuren / Vor dem Wenden, / Bei denen du / Mitschwingst”. Die Metaphorik, deren die Autorin sich gerne bedient, überzeugt dagegen weniger. Dass sie an Stelle von Brust und Schoß immer wieder von Beeren und Kirschen, von Knospen und Blütenblättern spricht, wirkt etwas schwülstig – und sehr originell ist es auch nicht.
An der Hand der Mutter
Die meisten Gedichte in „Lichtrisse” führen hinaus ins Freie. Spezifische Orte lassen sich nicht erkennen. Langer interessiert sich nicht für das Einmalige, Unverwechselbare, sondern für die Natur an sich, für die Wahrnehmung von Werden und Vergehen. Daraus ergibt sich auch eine unaufgeregte Einsicht in die menschliche Kreatürlichkeit. In „Oktober” geht eine Frau mit einem kleinen Mädchen, das bunt angezogen ist, an einem dürren Hagebuttenstrauch vorbei: „Die Buttenmutter nimmt ihr Kind / An der Hand das Kleid ein Fleck der Flecken Rot / An der Hand der Mutter eine Hagebutte am Zweig / Am vergehenden Busch.” Das ist eine schöne Untertreibung: Der Skandal der Sterblichkeit wird nicht beklagt, sondern lakonisch in einen Farbeindruck umgesetzt.
Die Lyrik von Christine Langer zielt auf das Zeitlose. Das ist nicht ohne Reiz, aber auch nicht ohne Risiko. Die Innerlichkeit, die sich hier ausspricht, hat insgesamt etwas Selbstgenügsames, vor der Welt selig Verschlossenes. Je knapper die Gedichte sind, je mehr sie sich dem Haiku annähern, desto weniger ist dies störend. Dann können, wie in dem Zyklus „Momentaufnahmen”, vier Zeilen genügen, um einen starken Eindruck zu hinterlassen: „Die vom Ost- / Wind gekämmten Felder – / Kein Stein ruht mehr / Im Schatten eines Greifvogels.”CHRISTOPH HAAS
CHRISTINE LANGER: Lichtrisse. Gedichte. Klöpfer & Meyer Verlag, Tübingen 2007. 116 Seiten, 16 Euro.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.11.2007

Schlitz ins Kleid

Schlag nach bei Walther von der Vogelweide: Christine Langer schwankt zwischen Natur- und Liebesgedicht. Ihr Minnesang will neu klingen, aber klaut bei den Alten.

Leute, glaubt es, es ist Arbeit" - nämlich das Dichten, versichert Christine Langer in dem Gedicht "Poetica et Error". Na gut, wir wollen es ihr ja schon glauben. Nur: Was hilft's? Arbeit oder nicht - das Gedicht wird um kein Gran besser oder schlechter allein dadurch, dass es sich schwerer Arbeit verdankt oder leichter Intuition, langer Mühsal oder kurzer Lust. Es zählt zuletzt doch nur, was dasteht, nicht, wie es zustande gekommen ist.

Glücklicherweise behandelt Christine Langer das heikle Thema der Erläuterung des eigenen Dichtens nicht ohne Selbstironie: "Ich gehe wie ein alter Mann am Stock." Aber immerhin: Es geht noch voran. Geht es wirklich voran, oder wohin ist Christine Langer mit ihren Gedichten unterwegs? Als Wegmarken hat sie den sieben Abschnitten ihres Buches jeweils drei gewichtige Hauptwörter vorangestellt. Das geht von "Blüte - Blatt - Wurzel" über "Wind - Stille - Sturm" bis zu "Erde - Stein - Schlaf". Weiträumige Themen, globale Aspekte, grundsätzliche Gegebenheiten werden da avisiert. Aber dann ist es doch ein verhältnismäßig begrenzter Kreis, den die Gedichte tatsächlich abschreiten: Naheliegende Natureindrücke werden sorgfältig benannt und bedacht, einschließlich der vielen Blumen, Kräuter, Beeren, der Bäume und ihrer Wipfel, der Schwalben, Möwen, Krähen, Adler und Enten, der Rehe ("das schönscheue Wild") - Naturlyrik also, oft angewandt auf das eigene Ich und seine empathischen Empfindungen. In solchen Fällen verwandelt sich das Naturgedicht zur Liebeslyrik, genauer: zum erotischen Gedicht.

Da erscheint dann ein männliches Du nackt am Waschbecken ("spreizen sich selbstbewußt / Deine Schenkel dazwischen die Härchen / Schattieren die Lust"), im Bett ("bis / Du mich packst"), im Strandkorb und in freier Natur ("Wir ließen / Spuren in kräftigen Wiesen, / Ließen Klee und Kraut zurück"). Das - tandaradei - las man bei Walther von der Vogelweide schon besser, und manche "Detail"-Beschreibungen, den Zustand des Slips "nachher" betreffend ("Ich ziehe ihn / Langsam / Nach oben"), verkennen, glaube ich, die Blickrichtung der ästhetischen Neugier von Lyriklesern erheblich. Denn die richtet sich doch wohl eher auf sprachliche, gedankliche oder formale Innovationen als auf vordergründige Sensationen vom Schlage verrutschter Textilien ("Mein Kleid / Vergrößerte seinen Schlitz").

Damit, mit Erneuerungen dieser Art, steht es nicht zum Besten in Christine Langers Gedichten. Gewiss: Es gibt ein paar formale Experimente, zerhackte Wörter etwa, deren Silben à la Celan die Versgrenzen überspringen ("Zer- / Drück eine Beere"); es gibt Buchstabenspielchen, die beispielsweise den sprachlosen gemeinsamen Lustschrei abbilden sollen oder das A und O marktgerechter Sexualität ("al pha pha llus, a na na / O nan"), aber neu ist das alles nicht mehr, vierzig Jahre nach Heißenbüttels Textbüchern und den Konstellationen der Konkreten Poesie. Und wo sich Gedankliches unverhüllt und metaphernfrei zu erkennen gibt, da schrammt die Verfasserin nicht selten sogar haarscharf am Friederike-Kempner-Effekt vorbei: Die Blumen entwickeln dann einen unverkennbaren Hang zu Stilblüten: "bei so viel Geblüh / Hörte es irgendwann auf zu riechen", "ich sage keine Definition", "Ein Löffel / Liegt vor dem Fenster / Und holt Wolkenhänge auf den Tisch" ("Amaryllis").

Bereitwillig gibt Christine Langer außer ihren Natur- und Liebeserfahrungen auch ihre Präferenzen in Literatur, bildender Kunst und Musik preis. So weiß sie etwa genau, was Ingeborg Bachmann ihrem Geliebten ins Ohr flüsterte ("Dunkles zu sagen"), sie zitiert und variiert Gertrude Stein und Celans "Todesfuge", sie liebt den "blauen Reiter" und Gustav Klimt, hört Sonaten von Godowski und Kompositionen von Henry Purcell und anderen.

Solchen Selbstauskünften wäre nur noch hinzuzufügen, dass Christine Langer 1966 in Ulm geboren wurde, wo sie noch heute wohnt und das kulturelle Leben der Region bereichert. Sie ist maßgeblich beteiligt an der beachtlichen literarischen Zeitschrift "Konzepte", die jungen deutschsprachigen Talenten ein Forum bietet. "Lichtrisse" ist ihr dritter Gedichtband. Ihn hat im März 2007 die inzwischen ein wenig altehrwürdig gewordene Darmstädter Jury zum "Buch des Monats" kreiert. "Zu entdecken: eine große Dichterin", rief das Jurymitglied Rolf Michaelis enthusiasmiert aus. Machen wir's halblang: Um "groß" zu werden, steht der begabten Dichterin noch sehr viel Arbeit bevor.

WULF SEGEBRECHT

Christine Langer: "Lichtrisse". Gedichte. Klöpfer Meyer Verlag, Tübingen 2007. 116 S., geb., 16,- [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Begabung möchte Rezensent Wulf Segebrecht der Dichterin Christine Langer nicht absprechen, aber glücklich ist er mit ihrem Gedichtband nicht geworden. Manchmal kann er sich auch des Spottes nicht ganz enthalten, etwa wenn er Stilblüten moniert. Langers Naturlyrik ist ihm naheliegend, ihre erotischen Gedichte gehen ihm an seiner Neugier vorbei. Außerdem liest er das "tandaradei" dann doch lieber bei Walther von der Vogelweide. Aber wie gesagt, begabt findet er sie.

© Perlentaucher Medien GmbH