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Alban Lefranc erschafft aus dokumentarischem, biografischem und fiktivem Material einen von polyphonen Stimmen getragenen Text, der einen neuen Blick auf die jüngste deutsche Geschichte freilegt: Fassbinder, der in den letzten Tagen seines Lebens der völligen Verausgabung entgegengeht. Vesper, Sohn eines prominenten NS-Schriftsteller, Lebensgefährte von Gudrun Ensslin und Autor von 'Die Reise', der schreibend um eine neue Sprache und Identität ringt. Nico, die Verkörperung deutschen Glamours, die mit 'The Velvet Underground' und Andy Warhol zusammenarbeitet und als Solokünstlerin einen…mehr

Produktbeschreibung
Alban Lefranc erschafft aus dokumentarischem, biografischem und fiktivem Material einen von polyphonen Stimmen getragenen Text, der einen neuen Blick auf die jüngste deutsche Geschichte freilegt: Fassbinder, der in den letzten Tagen seines Lebens der völligen Verausgabung entgegengeht. Vesper, Sohn eines prominenten NS-Schriftsteller, Lebensgefährte von Gudrun Ensslin und Autor von 'Die Reise', der schreibend um eine neue Sprache und Identität ringt. Nico, die Verkörperung deutschen Glamours, die mit 'The Velvet Underground' und Andy Warhol zusammenarbeitet und als Solokünstlerin einen radikalen und selbstzerstörerischen Weg geht. Eine Reise ins Herz des deutschen Underground. Drei Kurzromane über radikale künstlerische Lebensentwürfe vor dem Hintergrund der Nachkriegszeit und der Geschichte der RAF: In den Biografien des Filmemachers Rainer Werner Fassbinder, des Schriftstellers Bernward Vesper und der Sängerin Nico findet Alban Lefranc den Stoff, aus dem neue Literatur entsteht."
Autorenporträt
Alban Lefranc, geb. 1975, lebt als Schriftsteller und Übersetzer in Berlin und Paris.Er ist Chefredakteur der deutsch-französischen Kulturzeitschrift La mer gelÈe (www.lamergelee.com).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.12.2008

Ein Fake mit Fortüne

Bekämpfung des Bürgertums: Aus dem Blickwinkel des Nachgeborenen schaut der Franzose Alban Lefranc fasziniert auf die selbstzerstörerischen Biographien von Rainer Werner Fassbinder, Bernward Vesper und Nico.

Drei Nachkriegskünstler, drei Ausnahmegestalten, drei Mythen: Der Schauspieler und Regisseur Rainer Werner Fassbinder (1945 bis 1982), der Schriftsteller Bernward Vesper (1938 bis 1971) sowie Nico (1938 bis 1988), geborene Christa Päffgen, Model und Sängerin. Es ist nicht so, dass dieses halbwegs skandalumwitterte Trio in Vergessenheit geraten wäre. Bei Fassbinder mit seinen dreiundvierzig Filmen ist das ohnedies schwerlich vorstellbar. Nico blieb ein bewährter Geheimtipp, der immer noch erforscht wird und zum Beispiel in dem Theaterstück "Sphinx aus Eis" von Werner Fritsch regelmäßig auf der Bühne erscheint. Vesper und seinen autobiographischen Roman "Die Reise" entdeckt jeder, der sich mit der Literatur des "Dritten Reichs" beschäftigt, weil dessen Vater der nationalsozialistische Autor Will Vesper war und etwa 1933 bei der Bücherverbrennung in Dresden die Festrede hielt. Oder wer sich mit der Geschichte der Roten Armee Fraktion auseinandersetzt - Bernward Vesper und Gudrun Ensslin waren eine Weile ein Paar und hatten einen Sohn.

Der französische Schriftsteller Alban Lefranc hat über diese Künstler drei Kurzromane geschrieben und sie lose durch historische Parallelen in der Bundesrepublik miteinander verbunden, seien es die ideologischen Überreste des Nationalsozialismus, das Wirtschaftswunder, die Zäsur von 1968 und die außerparlamentarische Opposition. Veröffentlicht wurden sie gemeinsam unter dem Titel "Angriffe", denn als solche - und zwar gegen die bürgerliche Welt - begreift Lefranc die selbstzerstörerischen, früh verloschenen Existenzen seiner Helden. Und das sind sie ihm wirklich, leuchtende Helden aus den Sphären des heiligen Undergrounds mit dessen Dogma der kreativen wie emotionalen Verausgabung und des Widerstandes gegen alle Moral und Norm. Insofern ist es weniger ihre Arbeit respektive ihr Werk, das ihn inspirierte, als vielmehr ihr Lebensgefühl. Deshalb phantasiert er sich im Überschwang der Totalidentifikation emphatisch in den pinkelnden Fassbinder kurz vor dem Tod hinein, in den von Sexualnöten geplagten jungen Vesper, in Nico, wie sie als Kind 1943 mit ihrer Familie aus dem bombardierten Köln flieht.

Lefranc hat nicht viel Neues über das von ihm mit Geschick und Gespür vereinte Dreigespann zu berichten, aber er tut dies mit unbeirrbarem Enthusiasmus, baut ein so komplexes wie buntes, so unkritisches wie schwärmerisches Doku-Romandrama "unter Verwendung von Originalzitaten" aus Interviews, Briefen, Flugblättern auf. Eloquent und faktenreich findet er in knappen Fragmenten eine sachdienliche Balance, um einerseits seine in der heutigen Zeit verankerte Erzählposition nicht zu verleugnen, andererseits den Eindruck zu erwecken, er sei damals hautnah bei den geschilderten Ereignissen dabei gewesen: Fake mit Fortüne. Natürlich darf man dem Autor - Jahrgang 1975 - weder inhaltlich oder atmosphärisch noch in Bezug auf die Tatsachen alles glauben, auch wenn oder gerade weil er es so gut mit seinen Protagonisten meint. Doch gelingen ihm durchaus plastische, packende Porträts, die sich offen als aus dem Blickwinkel der Nachgeborenen inszenierte Fiktionen zeigen. Das Buch ist auf Knien und trotzdem flott geschrieben, denn obwohl Alban Lefranc gar nicht genug von den bekannten Künstlerklischees wie Sex & Drugs & Weltschmerz bekommt, von Klatsch, Tratsch und Schlüssellocheinblicken, hat er eine eigene, kraftvolle und geschmeidige Stimme. Einmal spricht er von bestimmten Begebenheiten als "Empfindungsgeneratoren" für die Entwicklung eines Menschen - genau als ein solcher lassen sich "Angriffe" ebenfalls bezeichnen, selbst wenn sich die dadurch erzeugte Spannung des literarischen Leichtgewichts bald wieder in Luft auflöst.

IRENE BAZINGER

Alban Lefranc: "Angriffe". Fassbinder, Vesper, Nico. Drei Romane. Blumenbar Verlag, München 2008. 328 S., geb., 19,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Ein literarisches Leichgewicht mit eingebauten "Empfindungsgeneratoren" hat Irene Bazinger da gelesen. Fassbinder, Vesper und Nico in drei miteinander verbundenen Kurzromanen zu huldigen, findet sie gar keine so üble Idee. Den identifikatorischen Gestus des Autors bei der Darstellung eines Lebensgefühls (nicht etwa eines Werks) mal beiseite - das Buch rockt, findet Bazinger. Wozu Alban Lefranc alles glauben, wenn der Mann ein Gespür hat für Zusammenhänge und eine flotte und originelle Feder dazu? Die in den Text eingeflossenen Originalzitate liest die Rezensentin scheint's nicht unbedingt lieber, als das überschwängliche Porträt aus Sex, Drugs und Weltschmerz, das der Autor von seinen Held(inn)en entwirft.

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