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Eine Reise in den brasilianischen Urwald Anfang der siebziger Jahre. Hegenberg und Santin studieren Theologie und haben gerade ihr Priesterpraktikum in Cruzeiro do Sul angetreten. Nach einem unerwarteten Todesfall bietet sich die Gelegenheit, auf eine Flußfahrt zu gehen. Begeistert brechen sie auf. Doch auf engstem Raum wachsen die Spannungen zwischen den beiden Gefährten. Hegenberg glaubt an die Macht von Willen und Disziplin; Santin ist nachlässig und folgt seinen Launen. Bald sind sie einander überdrüssig - da geschieht ein Unfall. Auf einmal ist der eine auf den anderen angewiesen. In…mehr

Produktbeschreibung
Eine Reise in den brasilianischen Urwald Anfang der siebziger Jahre. Hegenberg und Santin studieren Theologie und haben gerade ihr Priesterpraktikum in Cruzeiro do Sul angetreten. Nach einem unerwarteten Todesfall bietet sich die Gelegenheit, auf eine Flußfahrt zu gehen. Begeistert brechen sie auf. Doch auf engstem Raum wachsen die Spannungen zwischen den beiden Gefährten. Hegenberg glaubt an die Macht von Willen und Disziplin; Santin ist nachlässig und folgt seinen Launen. Bald sind sie einander überdrüssig - da geschieht ein Unfall. Auf einmal ist der eine auf den anderen angewiesen. In klassisch strenger Form und auf hohem sprachlichen Niveau erzählt Anne Zielke von einer Grenzsituation, in der die Folgen des eigenen Handelns nicht mehr umkehrbar sind.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.11.2004

Junge Hoffnungen

UNSER ÜBERBLICK über die wichtigsten, besten und überraschendsten Neuerscheinungen dieses Jahres beginnt mit jenem Genre, das wie kein anderes in den letzten Monaten ins Hintertreffen zu geraten drohte. Denn nach dem ans Hysterische grenzenden Debütanten-Boom vergangener Jahre krähen jetzt immer weniger Hähne immer leiser nach dem deutschen Erstlingswerk. Wo die Verlage unlängst noch hemmungslos um neue Namen buhlten, zeigen sie sich jetzt schüchtern bis abweisend.

Die Folge: Es gab in diesem Jahr weniger Debüts als in den Jahren zuvor, aber daß die Menge auf die Qualität keinen Einfluß hat, zeigen drei Beispiele: Franziska Gerstenbergs Debütband setzt das Projekt der jungen deutschen Erzählung fort und gibt einer Generation eine Stimme, die ihre Identität nicht im Fortschreiben der Gegensätze zwischen Ost und West befestigen will. Der Österreicher Thomas Stangl, diesjähriger "aspekte"-Preisträger, und die Journalistin Anne Zielke variieren ehrwürdige Genres der Literatur: Während Stangl den historischen Reiseroman zu neuem Leben erweckt, schlägt Zielkes moderne Novelle den Ton des neunzehnten Jahrhunderts an und hat damit ihre Leser irritiert und in den Bann geschlagen.

igl

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 14.12.2004

Der innere Sammelplatz
Ein betörendes Debüt: Anne Zielkes Urwald-Novelle „Arraia”
Zwei junge Männer, Studenten der Theologie, wagen in den siebziger Jahren eine Expedition nach Cruzeiro do Sul im unzugänglichen Westen Brasiliens, um dort ein Priesterpraktikum zu absolvieren. Als Wilmar Olaf Hegenberg eintrifft, ist sein Freund Georg Santin bereits ein paar Wochen da. Er erzählt dem Freund, der so ganz anders ist als er - disziplinierter und an die Notwendigkeit von Plänen glaubend - von Padre Guilherme und der Arbeit in der Leprastation, die von deutschen Geistlichen geleitet wird. In Dialogen gewinnen die unterschiedlichen Lebensphilosophien der beiden Freunde Kontur.
Gespannte Erwartung prägt den Anfang der Novelle „Arraia” von Anne Zielke, geboren 1972. Es ist ihr erstes Buch. Wie in Joseph Conrads suggestiver Novelle „Herz der Finsternis”, an die sich „Arraia” allerdings nur leicht anlehnt, löst ein Störfall mitten im Dschungel die Handlung aus. Wo dort der Elfenbeinagent Kurtz zum Unmenschen regrediert und der Kapitän Marlow geschickt wird, um ihn zur Ordnung zu rufen, veranlasst hier ein Todesfall im Urwald eine Flussreise der jungen Männer mit Guilherme, dem leprakranken Bomfim und dem Bootsführer Osmarino. Auf dieser Reise wird Hegenberg versuchen, sich seiner Überzeugungen zu versichern und ihnen treu zu bleiben. Dass und warum ihm das nicht gelingt, davon handelt „Arraia”.
Sagenhaft, wie plastisch Zielke die grünliche Düsternis schildert, in der mit „zähnefletschender Unschuld” Leben und Verwesung miteinander spielen. Wie bei Conrad versinnbildlicht der Urwald unbewusste Regungen erotischer und aggressiver Natur, die sich bald leise, dann immer deutlicher vernehmbar, in den Dialogen zwischen Santin und Hegenberg äußern. Warum liegt Hegenberg plötzlich ein vergessen geglaubtes Gedicht auf den Lippen, in dem einer „hinaus zum Wald” fährt und „nicht mehr zurück” kommt? Früh kündigen sich katastrophale Entwicklungen an, und als ein giftiger Stachelrochen - sein Name gibt der Novelle den Titel - Santin am Fuß verletzt, treibt der Ausnahmezustand die Protagonisten zu Handlungen, die sie wider Willen entlarven. Zudem bringt eine erotische Verlockung den standfesten Hegenberg aus der mühsam bewahrten Fassung, die hier nicht nur für religiöse Dogmen steht, sondern auch für die Verzichtsforderungen, die Menschen in dem, was man Zivilisation nennt, erfüllen müssen. Es ist eine bis zum Schluss spannend, ökonomisch und subtil erzählte Geschichte. Allenfalls die verstörende Wendung am Ende erscheint nicht ganz zwingend.
Noch einprägsamer als die Geschichte selbst ist die Sprache, in der sie erzählt ist. „Arraia” fließt in oft betörend schönen, altmodischen Sätzen dahin, in denen nichts dem Zufall überlassen ist. Auf beeindruckende Weise ist dieser Stil von der ersten bis zur letzten Zeile durchgehalten. „Es war ein Gefühl äußerster Klarheit, das sich Hegenbergs auf dem Abwärtsritt bemächtigte”, heißt es einmal: „Es vermochte den Augenblick zu beugen und alle Gedanken, die sonst in Richtung des Zukünftigen oder Vergangenen streunten, schicksalsbereit auf einen inneren Sammelplatz zu berufen.” Das Gewundene hat hier etwas Notwendiges, so genau passen die Worte. Mit solcher Könnerschaft lassen sich auch anspruchsvolle Gefühlslagen, so die Halluzinationen Hegenbergs, überzeugend darstellen. Anne Zielke hat ein sehr schönes Buch geschrieben, das auf ihr zweites, an dem die Autorin bereits arbeitet, gespannt warten lässt.
KAI WIEGANDT
ANNE ZIELKE: Arraia. Novelle. blumenbar Verlag, München 2004. 119 Seiten, 16 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Beifall für Anne Zielkes Novelle "Arraia". Vom dramatischen Gespür der Autorin ist Marion Lühe hingerissen, ihre Sprache gerate nur selten ins Manierierte, ansonsten findet die Rezensentin den erzählerischen Duktus makellos und klassisch straff, lobt auch den hochökonomischen Einsatz von Symbolen und Anspielungen; bei aller Verbundenheit mit den großen Vorbildern von Epigonentum keine Spur. Es geht um zwei junge Theologen, die in Brasilien entdecken müssen, dass das Leben Herausforderungen bereithält, denen mit einem naiven Sinn für exotische Romantik ebenso wenig beizukommen ist wie mit dem sturen Vertrauen auf Glaubenssätze. Während sie auf einem Kanu einen Fluss hinabtreiben - die Rezensentin spielt nun ihrerseits an, nämlich auf Conrads "Herz der Finsternis" -, bauen sich zwischen den jungen Männern allmählich Spannungen auf, dann reißt es die Handlung in einem Strudel der Ereignisse dahin.

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