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General Giulio Sbarra steht auf verlorenem Posten: Tag für Tag versucht der italienische Grenzschützer, Schlepperbanden aus Albanien daran zu hindern, mit ihren überfüllten Schiffen illegale Einwanderer an der Küste von Bari abzusetzen. Sbarra verfügt über Schellboote, Radar, Infrarotkameras und eine Hubschrauberstaffel - und dennoch gelingt es ihm bestenfalls, die Flüchtlingsströme an ander Gestade umzulenken, da ihm die Schlepperbanden technisch überlegen und immer einen Schritt voraus sind. Zur gleichen Zeit kümmert sich in einer ehemaligen Propstei im Rheinland Ordensschwester Lea…mehr

Produktbeschreibung
General Giulio Sbarra steht auf verlorenem Posten: Tag für Tag versucht der italienische Grenzschützer, Schlepperbanden aus Albanien daran zu hindern, mit ihren überfüllten Schiffen illegale Einwanderer an der Küste von Bari abzusetzen. Sbarra verfügt über Schellboote, Radar, Infrarotkameras und eine Hubschrauberstaffel - und dennoch gelingt es ihm bestenfalls, die Flüchtlingsströme an ander Gestade umzulenken, da ihm die Schlepperbanden technisch überlegen und immer einen Schritt voraus sind. Zur gleichen Zeit kümmert sich in einer ehemaligen Propstei im Rheinland Ordensschwester Lea Ackermann um diejenigen, die es von Bord der überfüllten Schiffe an Land geschafft haben: Frauen, die nach Westeuropa gelockt und in die Prostitution gezwungen wurden. Lea Ackermann steht den Opfern vor Gericht bei und erleichtert ihnen die Rückkehr in ihre Heimatländer. Mit dem Schengener Abkommen hat Europa weitestgehenden Verzicht auf Kontrollen an seinen Binnengrenzen erklärt - und sich zugleichnach außen abgeschottet. Jahr für Jahr riskieren Tausende illegaler Immigranten ihr Leben auf dem Mittelmeer und in der Nordsee, um in eines der reichsten Länder der Erde zu gelangen. Am Beispiel des italienischen Generals und der deutschen Ordensschwester erzählt Michael Schwelien vom menschlichen Drama, das sich auf den Meeren um Westeuropa abspielt, und macht den Konflikt eines ganzen Kontinents begreiflich, der zerrissen ist zwischen der christlichen Pflicht zur Nächstenliebe und dem Selbstschutz als Gebot der Vernunft.
Autorenporträt
Michael Schwelien, Jahrgang 1948, ist langjähriger Redakteur der Zeit. Er ist ein versierter Protokollant politischer Ereignisse und Experte für Auslandsthemen. Seine Biografien 'Joschka Fischer - Eine Karriere' (2000) und 'Helmut Schmidt - Ein Leben für den Frieden' (2003) wurden als "brillant" (DER SPIEGEL) gelobt. Michael Schwelien lebt in Hamburg.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 25.10.2004

Das Boot ist wieder ziemlich leer
Rigide Beschränkungen haben dazu geführt, dass Deutschland kaum mehr Asylsuchende aufnimmt
In den ersten Jahren der Bundesrepublik waren wir mächtig stolz, was wir geleistet hatten: Millionen von Vertriebenen aufgenommen, mit hohem Wirtschaftswachstum einen Nachfrageboom ausgelöst, der Millionen ausländischer Arbeitskräfte den Weg nach Deutschland ebnete. Ohne sie wäre das „Wirtschaftswunder” nicht möglich gewesen. Und auch was die Flüchtlingspolitik angeht, befanden wir uns nach den schlimmen Erfahrungen mit dem Dritten Reich auf dem neuestem Stand: Asylanten sollten, wo immer sie verfolgt werden, in Deutschland eine sichere Heimstatt erhalten - als individuelles Grundrecht.
Doch als sich die Welt veränderte, zog die Politik die Notbremse. Die freizügige Gastarbeiterregelung, die praktisch jedem Menschen erlaubte, hier Arbeit und Brot zu finden, wurde total ins Gegenteil verkehrt. Anfang der 70er Jahre wurde der Anwerbestopp erlassen - obwohl verschiedenste Berufe von Deutschen nicht ergriffen wurden und wir dringend auf ausländische Arbeitskräfte angewiesen waren. Deshalb wurde der Anwerbestopp von Ausnahmeregelungen durchlöchert, die Bürokratie feierte fröhliche Urständ. Was in anderen Ländern relativ rational gelöst wurde - Ausbalancierung der Nachfrage, kulturelle Assimilation, ein Leistungsbewertungssystem - wurde in Deutschland blockiert. Die Union verhinderte selbst im neuen Zuwanderungsgesetz entsprechende Regelungen, um das Axiom des „Nicht-Einwanderungslandes” nicht zu beschädigen.
Ähnlich die Entwicklung im Asylbereich. Während wir mit den Asylströmen lange Zeit relativ gut fertig wurden, änderte sich die Lage Mitte der 80er Jahre dramatisch. Im Mai 1993 beschloss deshalb der Bundestag eine Einschränkung des Grundgesetzartikels 16. Waren die Flüchtlingszahlen in den 70er Jahren relativ stabil unter 100 000 Menschen jährlich geblieben, so schnellte diese Zahl bis 1992 auf knapp 600 000 Personen. Hier wirkte sich die unzulängliche Balkanpolitik Europas und der USA aus, und wir erlebten die schlimmste Flüchtlingskatastrophe seit dem Zweiten Weltkrieg. Aber wegen der Neuregelungen ging die Zahl der Asylanträge rapide zurück, bis auf etwa 50 000 im Jahr 2003. Zugleich wurden immer weniger Antragsteller anerkannt: 1971 noch 57 Prozent, 2003 noch ganze 1,6 Prozent - das waren gerade noch 895 Personen. Ihnen wurde ein beschränktes Bleiberecht, genannt das „kleine Asyl”, zugebilligt. Flüchtlinge, die über einen „sicheren Drittstaat” einreisen, dürfen sich bei uns nicht mehr auf das Asylrecht berufen und werden oft schon an der Grenze zurückgewiesen. Zu „sicheren Herkunftsstaaten” wurden die neuen EU-Länder Polen, Slowakei, Tschechien und Ungarn, aber auch Bulgarien, Rumänien sowie afrikanische Staaten wie Ghana oder Senegal erklärt.
Da wir wegen der Jugoslawienkrise in den 90er Jahren mit die meisten Flüchtlinge aufgenommen haben, wähnen wir uns immer noch als Weltmeister der Asylaufnahme. Dass längst eine rigide Ausweisungspolitik Praxis ist, kam im öffentlichen Bewusstsein noch nicht richtig an. Selbst die Politiker haben lange nicht bemerkt, dass ihr Ruf nach europäischen Regelungen längst überholt war, da diese eher zur Liberalisierung beigetragen hätten. Beispiel „nicht staatliche Verfolgung”: Politische und ethnische Verfolgungen durch Bürgerkriegsparteien nehmen weltweit zu. Da es sich nicht um „staatliche Verfolgungen” handelt, erhalten solche Flüchtlinge hier kein Asyl. Dies wird erst im neuen Zuwanderungsgesetz geändert.
Wer sich mit dieser schier endlosen Geschichte näher befassen möchte, der sollte nach dem Buch von Michael Schwelien greifen. Bei diesem Thema gehen europäische Politik, deutsche Innenpolitik, Populismus, Sicherheitsbedürfnisse, echte Informationen, Halbwahrheiten, Ängste und Irrationalitäten eine so komplexe Gemengelage ein, dass Voraussagen über den künftigen Gang der Ereignisse nicht möglich sind. Dabei sind die Fakten über die schrumpfende und älter werdende Bevölkerung bekannt. Die Politik ist die entscheidenden Fragen bisher aber nicht angegangen. Auch das Zuwanderungsgesetz hat hier leider kaum einen qualitativen Sprung gebracht. Dabei brennt das Thema auf den Nägeln, wenn wir fast täglich von den aus Afrika angelandeten Flüchtlingen in Italien oder Spanien lesen und hören.
Es ist ein Verdienst des Autors, durch die Darstellung der legalen und illegalen Ströme der Einwanderung die gewollt oder ungewollt eintretenden Konsequenzen deutlich zu machen. Die Schicksalsschläge der nach Europa drängenden Flüchtlinge, die ihnen durch Zuhälter oder kriminelle Banden zugefügt werden, die Tragödien, die Frauen und Kinder erleben müssen, machen deutlich, welch hohen Preis die Menschen zahlen, weil wir nicht fähig und bereit sind, rechtzeitig richtige Regelungen zu treffen. Dass dies ein sehr schwieriges Unterfangen ist, sei zugegeben; der Vorschlag von Otto Schily, in Nordafrika Flüchtlingslager der EU einzurichten, um die Flucht über das Meer zu verhindern, klingt gut. Aber was geschieht mit den Flüchtlingen, wenn auch dort nur 1,6 Prozent Asyl erhalten?
Vielleicht hätte der Autor etwas auf die ausführlichen Schilderungen von Einzelschicksalen und Prozessen gegen kriminelle Banden verzichten und lieber die Optionen möglicher Lösungen darstellen sollen. Hier bleibt noch ein weites Feld, das die Politiker in den nächsten Jahren bestellen müssen.
CHRISTIAN SCHWARZ-SCHILLING
MICHAEL SCHWELIEN: Das Boot ist voll, Europa zwischen Nächstenliebe und Selbstschutz. Marebuch Hamburg 2004, 210 Seiten, 14,90 Euro.
Die Festung Europa wird von immer weniger Flüchtlingen erfolgreich geentert.
Foto: dpa
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Seit der Nachkriegszeit, so der hier rezensierende Christian Schwarz-Schilling, hat die deutsche Aufnahme- und Asylpolitik de facto eine Kehrtwende gemacht. Dass Deutschland heute kaum noch Menschen aufnehme, wie die Statistiken unwiderruflich beweisen, sei allerdings noch nicht in das öffentliche Bewusstsein gedrungen. Dafür seien nicht nur die zunehmenden Gesetzesverschärfungen verantwortlich, sondern auch die unzeitgemäße Definition der Asylrechts, das nur im Falle "staatlicher Verfolgung" wirksam werde und damit der wachsenden nicht-staatlichen Verfolgung durch Bürgerkriegsparteien keine Rechnung trage. Trotz der äußerst "komplexen Gemengelage" in der Asylfrage gelinge es Michael Schwelien, durch die Darstellung der legalen und illegalen Einwanderungsströme die "gewollt oder ungewollt eintretenden Konsequenzen" der deutschen Rechtslage deutlich zu machen. Schade ist nur, so Schwarz-Schilling, dass sich der Autor bisweilen in zu ausführlichen Detailschilderungen ergeht anstatt Lösungsansätze zu skizzieren.

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