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Die Beiträge dieses Bandes ergründen verschiedene Formen gezielter Ausgrenzung, funktionaler Ausschließung und existenzieller Überflüssigkeit, die sich im Begriff der sozialen Exklusion spiegeln.
Bei den gegenwärtigen Formen sozialer Ungleichheit geht es nicht mehr allein um Unten und Oben, sondern vielmehr um Drinnen und Draußen. Die Sozialstrukturanalyse spricht nicht mehr von relativer Unterprivilegierung, die sich anhand allgemein geschätzter Güter wie Einkommen, Bildung oder Prestige messen lässt, sondern von sozialer Exklusion aus den dominanten Anerkennungszusammenhängen und…mehr

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Produktbeschreibung
Die Beiträge dieses Bandes ergründen verschiedene Formen gezielter Ausgrenzung, funktionaler Ausschließung und existenzieller Überflüssigkeit, die sich im Begriff der sozialen Exklusion spiegeln.

Bei den gegenwärtigen Formen sozialer Ungleichheit geht es nicht mehr allein um Unten und Oben, sondern vielmehr um Drinnen und Draußen. Die Sozialstrukturanalyse spricht nicht mehr von relativer Unterprivilegierung, die sich anhand allgemein geschätzter Güter wie Einkommen, Bildung oder Prestige messen lässt, sondern von sozialer Exklusion aus den dominanten Anerkennungszusammenhängen und Zugehörigkeitskontexten unserer Gesellschaft.

Die finanziellen Mittel allein entscheiden jedenfalls nicht über die Art und Weise der gesellschaftlichen Teilhabe. So gibt es Menschen, deren Einkünfte unter dem Existenzminimum liegen und die sich trotzdem als Teil des Ganzen fühlen. Andere hingegen haben die Hoffnung auf eine selbstbestimmte Existenz längstaufgegeben, obwohl sie ein Einkommen beziehen, das ihren Bedarf deckt.
Autorenporträt
Heinz Bude, Prof. Dr. phil., Professor für Makrosoziologie an der Universität Kassel.

Andreas Willisch, Soziologe, ist Vorstandsvorsitzender des Thünen-Instituts für Regionalentwicklung e.V. Bollewick, Brandenburg.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 25.04.2008

Soziothriller
Heinz Budes Absturzdrama „Die Ausgeschlossenen”
Manchmal ist gute Soziologie wie ein Horrorfilm. Mit Genuss zeigt sie unsere dunklen Seiten, entlarvt die Pathologien des Sozialen und maximiert so beim Publikum Schock- und Aufmerksamkeitseffekte. Diesem Masterplot folgten bereits Max Weber, der den Menschen ein „stahlhartes Gehäuse der Hörigkeit” prophezeite, sowie diverse Erzählungen vom „Tod des Individuums”. An einen nicht ganz so schwarzen, aber immer noch ziemlich beängstigenden Stoff wagt sich nun der Kasseler Soziologie-Professor Heinz Bude.
In seinem neuen Buch mit dem plakativen Titel „Die Ausgeschlossenen – das Ende vom Traum einer gerechten Gesellschaft” erzählt er vom „Drama der Exklusion”; und wie in jedem guten Thriller ist auch hier die Gefahr umso größer, weil jeder fühlt, dass sie irgendwo da draußen lauert, sie aber niemand richtig vor Augen bekommt. „Für eine wachsende Gruppe stellt sich die panische Frage, ob sie nicht schon längst den Anschluss an die ,Mehrheitsklasse‘ der Nichtreichen, Halbgebildeten und Gutversicherten verloren hat”, fasst Bude zusammen. „Über die Fragen von ‚oben‘ und ‚unten‘ hat sich die von ‚drinnen‘ und ‚draußen‘ gelegt, die keine soziale Lage unberührt lässt. Es gibt Ärzte, die Pleite gemacht, fünfzigjährige Verkaufsleiter, die ihre Schuldigkeit getan haben, und Hauptschüler, die keinen Sinn in einer anständigen Ausbildung sehen.”
Exklusion: ein Wort, ein Programm. Viel kürzer und prägnanter als die beschönigenden Sätze der Sozialstrukturanalyse, die „Bolte-Zwiebel” mit ihrem dicken Bauch, in dem sich die Mittelklasse breitmacht, oder der „soziale Fahrstuhl” (Ulrich Beck), der die gesamte Gesellschaft kollektiv nach oben befördert. Anstatt etwa wie Pierre Bourdieu aufwendig die Verteilung von kulturellen und sozialen Kapital zu analysieren, um eben doch noch eine Schichtstruktur der Gesellschaft nachzuweisen, setzt Heinz Bude eine ganz einfache Blockbuster-Binarität: eingeschlossen oder ausgeschlossen, Gewinner und Verlierer, in & out.
So unterschiedliche Denker wie Niklas Luhmann und Zygmunt Bauman haben sich bereits für Exklusions-Phänomene interessiert. Der Begriff ist in den neunziger Jahren zu einem Bestseller auf dem Markt soziologischer Ideen avanciert. Bude will der These nun einen vergrößerten Rezipientenkreis erschließen und gleichzeitig in Deutschland die „öffentliche Soziologie” stärken, eine vor allem in den USA vertretene Forschungsperspektive, die ihre Ergebnisse nicht einem Fachpublikum, sondern auch dem interessierten Laien präsentiert: „Man führt einer gesellschaftlichen Öffentlichkeit vor, was diese zwar sieht und spürt, aber nicht bemerken will”, erklärt Bude. Dass er die dafür nötige Sensibilität besitzt, zeigt seine Publikationsliste. Von den Flakhelfern über die Achtundsechziger bis zur „Generation Berlin” hat sich Heinz Bude, Jahrgang 1954, als eloquenter Zeitgeistdiagnostiker profiliert, einer der ganz wenigen deutschen Soziologen, die nicht nur in Hörsälen und Seminarräumen, sondern auch in Talkshows und im Feuilleton Aufmerksamkeit erregen.
In dem Buch „Die Ausgeschlossenen” – aus dem die Süddeutsche Zeitung im Januar einen Vorabdruck brachte – dockt Bude geschickt an eine bereits existierende Furcht an: die Angst vor dem sozialen Abstieg, die, wie viele Studien zeigen, in den vergangenen Jahren die Mittelschicht befallen hat (und die im Übrigen das derzeit auffällige Interesse an Themen wie „Prekarisierung” und „Unterschicht” erklärt). Es könne einem gut passieren, schreibt der Autor über die Begegnung mit einem einst erfolgreichen Verlagsangestellten, „dass man auf einem Fest einen Bekannten trifft, der zu viel redet, zu viel trinkt und zu viel schwitzt. Momentan liefen die Dinge nicht so gut, aber er habe schon wieder ein neues Projekt in Vorbereitung. Nein, mit der Frau, nach der man sich erkundigt, sei er schon lange nicht mehr zusammen.”
Über diese anekdotische Evidenz kommt Bude in seiner Analyse der realen und der gefühlten Absturzgefahr nicht hinaus. Er erklärt kaum, welche Folgen solche sozialen Schwindelgefühle haben. Obwohl er ganz im Sinne einer Zielgruppenoptimierung beteuert, dass wirklich jeder von Exklusion betroffen oder zumindest bedroht ist, widmet er sich dann doch beinahe ausschließlich dem sogenannten Prekariat, auf dem ostdeutschen Land oder am Großstadrand. „Die Menschen, die man in den Billigmärkten für Lebensmittel trifft, wirken abgekämpft vom täglichen Leben, ohne Kraft, sich umeinander zu kümmern”, so Bude, „die Frauen mit den kleinen Kindern sehen mit Mitte zwanzig schon so aus, als hätten sie vom Leben nichts mehr zu erwarten . . . Nur aus den Blicken der herausgeputzten männlichen Heranwachsenden mit den schneeweißen Kapuzensweatern, die an der Ecke herumlungern, blitzt eine Energie, die zu allem fähig scheint.” Fressorgien vor dem Fernseher, prügelnde Ostdeutsche, schlechte Tätowierungen, Bude reiht ein Merkmal der sogenannten Unterschicht ans andere.
Man solle „nicht bei jeder Gelegenheit Alarm schlagen und jede soziale Dysfunktion gleich als Exklusion bezeichen”, warnt der französische Soziologe Robert Castel. Dieser Satz steht in einem weiteren, von Heinz Bude bei Suhrkamp herausgegebenen Buch mit dem Titel „Exklusion – die Debatte über die ,Überflüssigen‘”, das die fachinterne Diskussion über den Begriff dokumentiert. Mit Exklusion, so Robert Castel, werde „eine große Bandbreite verschiedener Situationen bezeichnet, wobei das Besondere der jeweiligen Situation verwischt wird.” Wie man es besser macht, zeigt Katherine S. Newman, die in ihrem Beitrag zu dem Sammelband nüchtern aufzeigt, wie schlecht sich konkrete Lebensläufe den ständig wechselnden Anforderungen des entfesselten Kapitalismus fügen. Die Ungleichheitsforschung hat bewiesen, dass Arme schlechtere Bildungschancen haben, öfter erkranken und früher sterben.
Diesen Skandal im Sinne einer „öffentlichen Soziologie” auch einem Laienpublikum schlüssig zu erklären, wäre eine wichtige Aufgabe, sie ist Bude aber nicht spektakulär genug. Er unterstellt, dass man mit dem Verlust einer sicheren Beschäftigung auch gleich noch den Kontakt zu Freunden, Lebenspartnern und zivilisierter Welt verliert, und wird so der tatsächlichen Situation der Opfer der alten und neuen Armut nicht gerecht. Um zu begründen, dass die These des totalen Ausschlusses eine stimmige Gegenwartsdiagnose sei, muss Bude dramatisieren, störende Fakten ausblenden, sowie jede Menge Sound- und Trickeffekte in seinen Soziothriller einfügen.
Warum der Exklusionsbegriff trotz der beschriebenen Probleme in der akademischen und öffentlichen Debatte so beliebt ist, erklärt der Münchner Soziologe Armin Nassehi in Budes Suhrkamp-Band. Die These sei nur scheinbar radikal, verharmlose aber tatsächlich soziale Ungleichheit zu einer Art kapitalistischem Betriebsunfall und schiebe ein strukturelles Problem der modernen Gesellschaft an die Ränder; „man tut dann so, als könne mit einer bloßen Umstellung von Exklusion auf Inklusion das Problem beseitigt werden” – wie auch immer diese Inklusion dann genau aussieht. So gingen, meint Nassehi, Sozialwissenschaftler und Intellektuelle der „entdramatisierenden Historiographie der Moderne” auf den Leim, die behauptet, dass sich mit etwas Wohlfahrtstaat und gutem Willen die Ökonomie schon bändigen und jedes Individuum in die Mittelschicht und eine gelungene Lebensführung integrieren lasse; ein Ziel, das sich in Zeiten der Globalisierung indes immer weiter von uns entfernt. Budes Schreckensdiagnose ist also gleichzeitig auch eine Verniedlichung: ein Horrorfilm mit einem, zumindest gedachten, erhofften, Happy End. JAKOB SCHRENK
HEINZ BUDE: Die Ausgeschlossenen. Das Ende von Traum der gerechten Gesellschaft. Carl Hanser Verlag, München 2008. 144 Seiten, 14,90 Euro.
HEINZ BUDE, ANDREAS WILLISCH (Hrsg.): Exklusion. Die Debatte über die „Überflüssigen”. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2007. 355 Seiten, 12 Euro.
„Exklusion”, drinnen und draußen – das ist das Gruselthema für die abstiegsgefährdete Mittelschicht
Ist soziale Ungleichheit nur ein kapitalistischer Betriebsunfall – oder ein Strukturproblem?
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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Angela Gutzeit hat den Sammelband über das Problem der Ausgrenzung sozial und wirtschaftlich Benachteiligter mit großem Interesse gelesen, wobei sie sich der Frage der Herausgeber anschließt, warum Exklusion eigentlich erst jetzt ins öffentliche Blickfeld rückt, obwohl das Problem schon lange besteht. Sie würdigt den Band als Pionierarbeit bei der Untersuchung der gesellschaftlichen Umwälzungen, die mit dem Ausschluss benachteiligter Bevölkerungsgruppen einhergehen und lobt, dass die Autoren das Thema mit tiefgründigen, komplexen Überlegungen angehen. Besonders die "differenzierte Betrachtungsweise" der Beiträge hebt die eingenommene Rezensentin hervor und sie findet die These, dass Exklusion nicht das Ergebnis gesichtsloser Globalisierung, sondern als Folge gesellschaftlicher Zustände zu bewerten ist, sehr überzeugend.

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