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Lena und Jason lernen sich in der Pariser Metro kennen. Aus verhaltener Sympathie entsteht rasch Zuneigung, einige Wochen lang treffen sie sich jeden Tag an der Haltestelle Barbes. Für Lena sind diese Treffen Gelegenheit, ihrem bedrückenden Leben für kurze Zeit zu entkommen. Sie leidet unter ihrer despotischen, ans Bett gefesselten Mutter, für die sie aufopferungsvoll sorgt. Eines Tages jedoch kann Jason aufgrund eines Streiks in der Metro nicht wie vorhergesehen zu ihrem Treffen kommen ... Aniela, die aus Osteuropa geflüchtet ist und sich illegal in Paris aufhält, lernt schnell die…mehr

Produktbeschreibung
Lena und Jason lernen sich in der Pariser Metro kennen. Aus verhaltener Sympathie entsteht rasch Zuneigung, einige Wochen lang treffen sie sich jeden Tag an der Haltestelle Barbes. Für Lena sind diese Treffen Gelegenheit, ihrem bedrückenden Leben für kurze Zeit zu entkommen. Sie leidet unter ihrer despotischen, ans Bett gefesselten Mutter, für die sie aufopferungsvoll sorgt. Eines Tages jedoch kann Jason aufgrund eines Streiks in der Metro nicht wie vorhergesehen zu ihrem Treffen kommen ... Aniela, die aus Osteuropa geflüchtet ist und sich illegal in Paris aufhält, lernt schnell die Schattenseiten der Stadt kennen. Bald schon muß sie sich eingestehen, daß ihr Traum von einem besseren Leben in Paris eine Illusion war. Als sie Jason in der Metro kennenlernt, verliebt sie sich. Durch ihn schöpft sie Hoffnung in einer Welt, in der sie sich ausgegrenzt fühlt. Als sich jedoch die Wege von Aniela und Lena kreuzen, nimmt das Schicksal seinen fatalen Lauf. "Im Schatten der Tage" ist ein einfühlsames Buch über Einsamkeit und Liebe, über Ausgrenzung und Identität, brillant erzählt und von großer Intensität. "Mit diesem Roman zeigt Cecile Wajsbrot, daß sie für die französische Literatur von großer Bedeutung ist." (L' EXPRESS)
Autorenporträt
Cécile Wajsbrot, geb. 1954 in Paris, studierte Literaturwissenschaften, arbeitete anschließend als Französischlehrerin und Rundfunkredakteurin. Heute lebt sie als freie Schriftstellerin abwechselnd in Paris und Berlin.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.10.2004

Liebe ohne Fahrschein
Orpheus in der Metro: Cécile Wajsbrot fährt durch Paris

Paris, die sprichwörtliche Stadt der Liebe, fasziniert als schicksalhafter Ort immer noch die literarische Einbildungskraft verschiedenster Autoren. Es gibt nahezu keine historische Stätte innerhalb der französischen Metropole, die noch nicht als Schauplatz einer literarischen Fiktion gedient hätte. Wandelt man über Pariser Boulevards, so begegnen einem allerorts Gedenk- und Hinweistafeln, die den interessierten Flaneur an vielerlei Geschichten und Gestalten aus der literarischen Vergangenheit erinnern. Aber nicht nur traditionsreiche Gebäude und Denkmäler beflügeln die Phantasie der Schriftsteller - auch die Metro diente etwa Raymond Queneaus Zazie als Ort kindlicher Schelmereien.

In ihrem neuen Roman "Im Schatten der Tage" verwandelt Cécile Wajsbrot die berühmte Pariser Untergrundbahn in ein mythisches Labyrinth, in dem sich das Leben dreier Menschen für immer verändern wird. Jason und Léna lernen sich eines Tages auf einer Fahrt der Linie 2, irgendwo zwischen Barbès und Monceau, kennen. Was wie ein romantisches Abenteuer beginnt, entpuppt sich bald als hindernisreicher Liebesparcours: Der unbeschwerte Jason schafft es nur unter größten Mühen, der scheuen Léna ihr Vertrauen zu entlocken. Stets umhüllt die schöne Unbekannte ein Schleier des Rätselhaften.

Lénas Geheimnis ist indes weniger spektakulär, als Jason zunächst vermutet. Sie kümmert sich tagein, tagaus um ihre kranke Mutter - ein Zustand, der sie nach und nach dem Leben entfremdet und zur Gefangenen innerhalb einer kleinen Wohnung in der Nähe des Parc Monceau gemacht hat. Daher beschränken sich die Rendezvous der beiden Liebenden anfangs auf die gemeinsamen Momente in der Metro - jeden Tag auf derselben Strecke. Die dritte Figur, die alsbald die Bühne, also in diesem Fall den Zug, betritt, ist Aniela, eine illegale bulgarische Einwanderin, der Jason aufgrund ihrer Verzweiflung Unterschlupf gewährt. Aniela verliebt sich in Jason, und so nimmt eine unheilvolle menage à trois ihren Lauf.

All das ist keineswegs neu. Tragische Dreiecksgeschichten sind so alt wie die Literatur selbst und wurden immer wieder aufs neue durchgespielt. Nicht das Handlungsgerüst verleiht dem Roman folglich seine Faszinationskraft, sondern vielmehr die Einzelschicksale der beiden Frauenfiguren, deren Innenleben Cécile Wajsbrot nüchtern und ohne falsches Pathos darstellt. Die romantischen Ideale von Aniela, deren größter Wunsch ein Leben in der französischen Hauptstadt darstellt, verflüchtigen sich im hektischen Alltag des realen Großstadtlebens. Eine bulgarische Emma Bovary, deren kindliche Naivität den Leser in all ihrer Unverbrauchtheit für sich einnimmt, flüchtet aus der Tristesse ihrer ländlichen Heimat und scheitert an einer nicht gelösten Metrofahrkarte. Die Banalitäten des Alltags triumphieren voller Hohn über die Träume von Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit.

Léna hingegen erscheint zunächst als Opfer einer despotischen, ans Bett gefesselten Mutter, die das Leben ihrer Tochter vollständig für sich in Anspruch nimmt. Nach und nach wird allerdings sichtbar, daß Léna vielmehr eine Gefangene ihrer selbst ist. In tiefer Resignation hat sie sich im Laufe der Jahre ihrer tristen Lebenssituation ergeben, ohne eine Veränderung auch nur anzustreben. Im Moment der Wahrheit, als sie ihrer Mutter von ihrem Verliebtsein erzählt, zeigt diese wider Erwarten Verständnis, und Léna merkt, daß nur sie selbst die hohen Mauern um sich errichtet hat. "Sie war diejenige, die bremste, sie spürte es genau, das einzige Hindernis, das es gab, befand sich in ihr."

Der vierte Hauptdarsteller des Romans ist die Metro selbst. Cécile Wajsbrot bindet diesen Nicht-Ort auf raffinierte Weise in das Geschehen ein und macht die Untergrundbahn zum Emblem des flüchtigen, rastlosen Lebens in der Großstadt sowie zum Symbol einer entwurzelten Liebe, die keinen festen Ort hat, um wirklich zu sich zu finden. Die Schilderung des alltäglichen Lebens unter Tage spickt die Autorin mit mythologischen Versatzstücken; die Metro als Totenreich, als Labyrinth des Minotaurus; Jason als Orpheus, der gleich doppelt um seine Eurydike bangen muß - diese mythische Aufladung verleiht der Erzählung zusätzliche Dramatik. Doch dürfte Cécile Wajsbrot ihren Lesern durchaus mehr Kenntnis der antiken Stoffe zutrauen. So sind Subtexte viel zu explizit: "Er war Orpheus, aber er durfte sich nach ihr umdrehen." Solche direkten Vergleiche hat die Geschichte nicht nötig - sie wirken auf den Leser wie überflüssige Hinweisschilder auf Vorbilder, die ohnehin jeder kennt.

"Im Schatten der Tage" ist ungeachtet solch kleiner Schwächen eine komplexe Geschichte unerfüllter und unmöglicher Lieben, die geschickt zwischen klassischer Tragödie und einfühlsamer Gegenwartsepik changiert. Wie bereits in ihrem letzten, in dieser Zeitung vorabgedruckten Roman "Mann und Frau den Mond betrachtend" beweist Cécile Wajsbrot erneut großes erzählerisches Talent und schafft Figuren, die dem Leser noch lange Zeit in Erinnerung bleiben.

Zugleich ist der Roman ein behutsames Porträt einer durch Kontaktarmut, Idealverlust und Schnellebigkeit geprägten Gegenwart. Ohne den moralischen Zeigefinger einzusetzen, hält die Autorin ein nachdenkliches Plädoyer für das Innehalten, für ein stilles Verweilen in kurzen Augenblicken des Glücks inmitten einer erbarmungslos vorüberrauschenden Bilder- und Ereignisflut. Das klingt altmodisch, und das ist es in gewisser Weise auch. Doch angesichts der grellen und lauten Trends der französischen Gegenwartsliteratur der letzten Jahre hat das etwas unerhört Wohltuendes.

GREGOR SCHUHEN.

Cécile Wajsbrot: "Im Schatten der Tage". Roman. Aus dem Französischen übersetzt von Holger Fock und Sabine Müller. Liebeskind Verlag, München 2004. 256 S., geb., 19,80 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 05.11.2004

In Nervennetzen
Arg tief: Cécile Wajsbrots Roman „Im Schatten der Tage”
Im Schatten der Tage, will heißen in der Pariser Metrostation Barbès-Rochechouart, treffen sich Jason und Léna, er Anglistik-Student, sie Sekretärin einer Handelsgesellschaft, und knüpfen ein sehr zartes Band der Liebe. Gemeinsame Metrofahrten zwischen Barbès und Villiers und kurze Spaziergänge im Parc Monceau müssen als vorbehaltlicher Liebesbeweis genügen, so dass in ihre Beziehung bald Aniela, die bulgarische Französischlehrerin dringt. Von den Verhältnissen in ihrem postkommunistischen Heimatland zutiefst frustriert, hat sie sich nach Frankreich abgesetzt. Es lockt sie das Land der Menschenrechte, der musikalischen Sprache und der Champs-Elysées. Und bald lockt sie Jason, Lénas verhinderter Liebhaber.
In die Affäre der Metroliebenden kann Aniela nur intervenieren, weil Lénas Mutter, die gelähmt im Bett liegt, von ihrer verantwortungsbewussten Tochter umsorgt werden will und so verhindert, dass Léna das tut, was Gefühle und Triebe ihr diktieren: sich dem Geliebten hinzugeben. „Etwas an ihm zog sie so stark an, wie es noch niemand getan hatte, gleichzeitig hielt etwas anderes sie zurück, als ob in ihrem Innern, in den Tiefen unentwirrbarer, unmöglich zu lokalisierender Nervennetze, die Lähmung ihrer Mutter herrschte, und sie daran hinderte, zu handeln und die Gefühle, die sie empfand voll auszukosten.”
Es ist ungewiss, ob die Gehirnforschung diese mysteriösen Nervennetze inzwischen nicht doch geortet hat. Doch spätestens hier wird klar, was die Personen an stringentem Handeln hindert: Es ist die sperrige Mystik, mit der die in Paris und Berlin lebende Schriftstellerin Cécile Wajsbrot ihre Geschichte austapeziert. Es tobt und es brandet, schicksalt und weltet. Dabei fehlt Léna, die immer wieder orkusartig in eine Parallelwelt hinabgezogen und den Armen des Geliebten entrissen wird, zu ihrer tragischen Entrückung jeder nachvollziehbare Grund. Denn die Mutter, die sich wie ein metaphysisches Monster zwischen das Paar schieben soll, entpuppt sich als völlig unproblematische Erscheinung.
Die massiv ausgelegten Referenzen ins Mystische gehen daher ins Leere, nicht zuletzt auch deshalb, weil ein holpriger Stil und eine lehrbuchhafte Erzählhaltung keine atmosphärische Dichte aufkommen lassen. Ihrerseits mit tonnenschweren Stereotypen beladen, müssen sich die Protagonisten durch eine Klischeelandschaft schleppen, in der sich Wajsbrot an dem verblassten Mythos der „Grande Nation” abarbeitet und im Ton glückhafter Erkenntnis allerhand abgestandene Weisheiten zu vermelden weiß, die sie zuweilen zu einer wirren Zeitgeistdiagnostik verschweißt. Da ist Jason, der die Gegenwart stets gewinnbringend durch die Linse der Vergangenheit betrachtet. Da ist Léna, die aufgrund ihres im spanischen Bürgerkrieg gefallenen Vaters ein besonderes Auge für das Fremde hat. Da ist Aniela, die das Bild des Vaterlands der Menschenrechte tief in ihrem Herzen trägt.
Was passiert, wenn ein Mann, der die Gegenwart durch die Vergangenheit zu erhellen beliebt, auf eine Frau trifft, die ihre Handlungen aus dem Schicksal ihres im fremden Land (quel exotisme!) gefallenen Vaters abzuleiten pflegt, und wenn nebenan noch eine Nebenbuhlerin lauert, die in globalisierten Wirklichkeiten die französischen Revolutionsideale sucht? Es wird kompliziert. Es wird kompliziert, weil hier keine realen Personen aufeinander treffen, sondern grobe Kategorien stumpf aneinander schlagen. Wir denken in Begriffen, doch wir leben im Detail, schrieb der Philosoph Alfred North Whitehead. Die Personen, die sich unter dem bedeutungsheischenden Titel „Im Schatten der Tage” versammeln, denken jedoch nicht nur in Begriffen, sie leben auch in ihnen. Und deshalb leben sie kaum.
THOMAS THIEL
CÉCILE WAJSBROT: Im Schatten der Tage. Aus dem Französischen von Holger Fock und Sabine Müller. Liebeskind Verlag, München 2004. 253 Seiten, 19,80 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Mit diesem Roman ist Rezensent Thomas Thiel gar nicht warm geworden. Es erscheint ihm daran doch alles recht bedeutungsheischend, lehrbuchhaft und realitätsfern: "Es tobt und es brandet, schicksalt und weltet", spottet der Rezensent, ohne dass sich ihm dafür ein wirklicher Grund erschließen konnte. Die Geschichte: Lena muss ihre despotische, ans Bett gefesselte Mutter pflegen und die einzigen Momente, in denen sie ihrer bedrückenden Situation entkommen kann, sind ihre Treffen mit dem Studenten Jason in der Metro. Aber auch die aus dem postkommunistischen Bulgarien geflüchtete Aniela sucht die Freiheit, das bessere Leben und die Liebe und so nimmt das Unheil seinen Lauf. Überhaupt nicht nachvollziehbar findet Thiel die hier erzählte "tragische Entrückung", die durch "sperrige Mystik" und einen "holprigen Stil" verschlimmert werde.

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