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Produktdetails
  • Verlag: LIEBESKIND
  • Originaltitel: Caspar-Friedrich-Strasse
  • Seitenzahl: 140
  • Abmessung: 195mm
  • Gewicht: 217g
  • ISBN-13: 9783935890151
  • ISBN-10: 393589015X
  • Artikelnr.: 11407034
Autorenporträt
Cécile Wajsbrot, geb. 1954 in Paris, studierte Literaturwissenschaften, arbeitete anschließend als Französischlehrerin und Rundfunkredakteurin. Heute lebt sie als freie Schriftstellerin abwechselnd in Paris und Berlin.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.02.2003

Mondscheinzitate
Ein Roman von Cécile Wajsbrot als Vorabdruck in der F.A.Z.

Zur Kulturtechnik des Erinnerns gehört die Benennung von Straßen und Plätzen nach verdienten Bürgern und historischen Persönlichkeiten. Doch was, wenn der Schriftsteller, der die Rede zur Einweihung der Caspar-David-Friedrich-Straße in Berlin halten soll, sich gar nicht erinnern, sondern vielmehr vergessen will? Die Gäste des feierlichen Akts werden rasch bemerkt haben, daß es ein Fehler war, jenen ostdeutschen Lyriker mit der Festrede zu beauftragen. Denn der Gegenstand löst seine Zunge mehr, als es einem Bezirksvorsteher recht sein kann.

"Die Abgründe auf unserem Lebensweg tun sich nicht im Vergessen auf, sondern in der Überfülle an Erinnerungen" - so heißt es gleich zu Beginn, bevor unter ebenfalls wortreichen Entschuldigungen der nicht enden wollende, sich wie in einem Delta verzweigende Redefluß über die Zuhörer hereinbricht und sich zur Lebensbeichte ausweitet. Neun berühmte Gemälde Friedrichs sind Einfallstore in die Vergangenheit - der Stadt, in deren Trümmern der Dichter aufwuchs, des Landes, dessen Teilung seine Biographie prägte, und schließlich einer Liebe, der die Erfüllung verwehrt war.

In ihrem schmalen Roman "Mann und Frau den Mond betrachtend", den wir von heute an im Feuilleton vorabdrucken, wählt die Französin Cécile Wajsbrot die Form der mündlichen Rede, um den Angriff der Vergangenheit auf die übrige Zeit zu illustrieren - im ironischen Zitat antiker Mnemotechnik, die vorgestellte Räume oder Landschaften zur Gedächtnisstütze benutzt. Die Konvention der Festrede erlaubt es zudem, die unterschiedlichsten Themen deutscher Geschichte und Gegenwart anzuschneiden. So ist der Roman auch der Kommentar einer Französin zu hiesigen Befindlichkeiten.

Vor allem aber tritt die unglückliche Liebe des Lyrikers zu einer jungen westdeutschen Frau immer mehr in den Mittelpunkt und entpuppt sich als das heimliche Kraftzentrum dieser obsessiven Abwägung von Nutzen und Nachteilen der Historie für das eigene Leben. Auf einem Friedhof begegnen sich die beiden, es folgt ein langjähriger Briefwechsel über die deutsch-deutsche Grenze hinweg und nach der Wende ein Wiedersehen voller Mißverständnisse. Die eindrucksvoll beschriebenen Seelenlandschaften Friedrichs, seine Ruinen und einsamen Küsten, verbinden sich zum tragischen Stationendrama der Liebe, durch die der gleiche metaphysische Riß zwischen Ideal und Wirklichkeit, Kunst und Leben geht, der die Romantiker so beschäftigte.

Cécile Wajsbrot, geboren 1954, lebt abwechselnd in Paris und in Berlin; "Mann und Frau den Mond betrachtend" ist ihr erster Roman in deutscher Übersetzung. Er erscheint in der Münchner Verlagsbuchhandlung Liebeskind, die vor zwei Jahren erstmals ein eigenes schmales Buchprogramm vorstellte - in diesen Zeiten ein mutiger Schritt, der sich für die Leser schon gelohnt hat. So wurde hier das vergriffene Frühwerk von John Barth, dem Postmoderne-Pionier und Theoretiker der "Literatur der Erschöpfung", wieder zugänglich gemacht, jüngere Autoren wie der Brite Edward Carey oder der Däne Jens-Martin Eriksen für den deutschen Leser entdeckt. Auch verlegerisch gilt: Wozu in die Ferne schweifen, wenn das Glück so nah liegt? In Cécile Wajsbrots Roman läßt sich mit schmerzhafter Melancholie erfahren, daß manchmal schon kleinste Distanzen das Glück in unerreichbare Ferne rücken.

RICHARD KÄMMERLINGS

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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" Sie sind bereits ungehalten, ich spüre es an Ihren Schweigen... Ein Schriftsteller weiht in Berlin eine Straße ein, die den Namen des Malers Caspar David Friedrich tragen soll. Er ist ein unbequemer Redner: Statt das moderne Berlin zu feiern, denkt er an die Ruinen, die alles Neue umgeben, wenn man nur bereit ist, sie zu sehen. Die Ruinen sind sein Leitmotiv, er selbst, der einst Hochgeehrte, empfindet sich als Rest eines zertrümmerten Daseins. Statt die Straße zu loben, beschreibt er neun Bilder des Künstlers Friedrich und kommt dabei doch immer wieder auf sich zurück, auf die Zerissenheit der Menschen zwischen Ost und West - und auf die Frau, die ihn zum Schreiben inspirierte und dadurch sein Leben prägte. Wunderbares Stück Literatur zur Kunst - für eher stille Stunden." (Hörzu)

Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Thomas Laux schwärmt von diesem Roman als "großen Wurf". Das Buch, in dem ein Ich-Erzähler aus Anlass der Einweihung einer Caspar David Friedrich-Straße der deutsch-deutschen und seiner persönlichen Geschichte gedenkt, sei nicht nur ungewöhnlich, weil hier eine französische Autorin über "deutsch-deutsche Befindlichkeiten" schreibe, so der Rezensent beeindruckt. Genauso fasziniert und begeistert ihn das "hermeneutische Verfahren", indem Wajsbrot mittels 9 verschiedener Bilder von Caspar David Friedrich einen "dramatischen Text" zustande bringt, der eine derart "dichte" Darstellung zwischenmenschlicher "Hoffnung und Vergeblichkeit" bietet.

© Perlentaucher Medien GmbH