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Fassbinder hat die Narration des Romans, die Döblin entlang psychoanalytischer Modelle entworfen hatte, noch einmal wesentlich politisiert. Schon Döblin konzipierte seine Hauptfigur als hysterisch und genau auf Hysterisierung zielt insgesamt Fassbinders Produktion. Das gilt bereits für andere Arbeiten aus dem zeitlichen Umfeld von 'Berlin Alexanderplatz' wie 'Der Müll, die Stadt und der Tod' und 'In einem Jahr mit 13 Monden', in denen Fassbinder einen jüdisch-deutschen Drehspiegel errichtete, dessen Achse der Holocaust bildet.

Produktbeschreibung
Fassbinder hat die Narration des Romans, die Döblin entlang psychoanalytischer Modelle entworfen hatte, noch einmal wesentlich politisiert. Schon Döblin konzipierte seine Hauptfigur als hysterisch und genau auf Hysterisierung zielt insgesamt Fassbinders Produktion. Das gilt bereits für andere Arbeiten aus dem zeitlichen Umfeld von 'Berlin Alexanderplatz' wie 'Der Müll, die Stadt und der Tod' und 'In einem Jahr mit 13 Monden', in denen Fassbinder einen jüdisch-deutschen Drehspiegel errichtete, dessen Achse der Holocaust bildet.
Autorenporträt
Manfred Hermes ist freier Autor und lebt in Berlin. Zahlreiche Veröffentlichungen zu Kunst und Film in Katalogen, Zeitungen und Zeitschriften.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.10.2011

Eine Nichtunterüberschrift

Texte über komplizierte Kunst gehen, wenn sie misslingen, meistens auf eine von zwei möglichen Arten schief: Das diskutierte Werk wird entweder als Herausforderung missverstanden, die man überschreiben, das heißt: als Irritation im Kampf um Geltung hinter der eigenen Deutungsarbeit zum Verschwinden bringen muss; oder aber der betreffende Gegenstand wird unter Lobgesängen angebetet, so dass der Text, der dabei herauskommt, nur mehr zur Unterschrift und Beglaubigung der bereits erbrachten fremden Leistung taugt.

Manfred Hermes hat "Berlin Alexanderplatz" von Rainer Werner Fassbinder weder über- noch unterschrieben. Sein Buch "Deutschland hysterisieren. Fassbinder, Alexanderplatz" ist keine Monographie - die Teile des Breviers stehen parataktischer zueinander, als ein Masterplan gestatten würde. Der Verfasser hat Recherchen angestellt; er wollte von Leuten, die mit dem Regisseur gearbeitet haben, etwa wissen, was jener gelesen haben könnte. Die Befunde waren nicht ergiebig, die Gedankennot war groß, aus beiden macht Hermes daher Fußnoten, die offenbaren, dass akademische Schreibgepflogenheiten nicht nur als Gelehrtenressourcen, sondern auch als Ästhetika Wirkung entfalten: Ist eine Fußnote nicht eine Art Nebenhandlung zur Fabel vom Urteil, das seiner selbst nur mit Mühe inne wird?

Der Fassbinder, den das Buch zeigt, ist keine "Stilikone", aber doch jemand, der Spuren von etwas legte, das zum Wort "Stil" gehört wie das Wort "Prozess" zum Wort "Resultat". Hermes hat einen Ton gefunden, der sich neben den Figuren und Denkbildern Fassbinders nicht wie der blässliche Bettel ausnimmt, zu dem Filmhistorie im Deutschen so oft gerät. Traut er sich schließlich, über Fassbinder zu sagen, jener habe beabsichtigt, ein "Werk der Liebe" zu stiften, und zwar ausgerechnet "im Fernsehen", so sind diese beiden Medienpositionswörtchen in Verbindung mit der Pathosformel vom Liebeswerk nicht nur ein trauriger, sehr treffender Witz, sondern auch Signalemente einer Trockenheit und zugleich Klarsicht, wie man sie selten erleben durfte, seit Wolfgang Pohrt 1985 über den deutschen Film schrieb: "Weil chronisch Kranke länger leben, ist vorläufig kein Ende abzusehen."

DIETMAR DATH

Manfred Hermes: "Deutschland hysterisieren. Fassbinder, Alexanderplatz".

b-books, 248 Seiten, 18 Euro

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Mit "Berlin Alexanderplatz" hat Manfred Hermes sich mehr als einen Roman plus seine Bearbeitung für das Fernsehen zum Thema erkoren, schreibt Rezensent Diedrich Diederichsen. Es handle sich um einen ganzen Stoffkomplex, dessen historische Schichten Hermes hochinformiert und dennoch in nicht geringem Tempo durcharbeite. Fassbinders Fernsehserie liegt letztlich aber im Fokus des Interesses, wie wir lesen. Um ein "Energiezentrum" handle es sich bei jener, den Höhe- und Endpunkt des Neuen Deutschen Films, dem bei Hermes nur noch ein bis heute anhaltender Niedergang folge (und sich auch in der Berliner Schule mit "bürokratischer Sinnproduktion, frömmelnder Ästhetizismus und Vermeidung von Humor und Turbulenz" fortsetze). Diederichsen kann sich zwar nicht jedem Urteil des Autors anschließen; im Großen und Ganzen aber hat dieser ihn von der Ausnahmestellung des "BA"-Stoffs überzeugt und mitgerissen. Was nicht zuletzt an Hermes? "eindringlich unakademischer Schreibweise freundlich bestimmter Verblüffungspolemik" liegen dürfte.

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