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  • Broschiertes Buch

Produktdetails
  • Verlag: b-books
  • Seitenzahl: 269
  • Deutsch
  • Abmessung: 230mm
  • Gewicht: 465g
  • ISBN-13: 9783933557179
  • ISBN-10: 3933557178
  • Artikelnr.: 09008278
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.07.2002

Einkaufstrip mit Badesalz
Konsumfestungen und Raumpatrouillen: Eine Großstadtanthologie

Es gehört zu den wenig sympathischen Aspekten der sogenannten Antiglobalisierungsbewegung, daß antiamerikanische Schlagworte in ihrem Dunstkreis wieder diskursfähig zu werden scheinen, wenn die Kommerzialisierung von Alltagskultur oder öffentlichem Raum kritisch beschrieben werden soll. Die Autoren von "bigness - Kritik der unternehmerischen Stadt", einer Textsammlung zum Themenkomplex "Städtebau, Stadtplanung und alternative Handlungsmöglichkeiten", weisen derartige Verkürzungen zurück. Im ersten Textbeitrag schreibt Klaus Ronneberger, Kulturwissenschaftler und Mitarbeiter des Frankfurter Instituts für Sozialforschung, über die Ausbreitung von Erlebnisparks und Shopping Malls: "Eine Kritik an der Instrumentalisierung des Erlebnisses für die Ziele der Kulturindustrie ist zwar angebracht, aber die Denunziation von Malls und Themenparks als ,Amerikanisierung' oder ,Disneyfizierung' der ,Europäischen Stadt' entspricht letztlich einer konservativ-elitären Kritikfigur, die Phänomene einer kommerziellen Massenkultur zur nationalen Eigenheit erklärt und nicht als Ausdruck eines dominanten Gesellschaftsmodells versteht, das zweifelsohne in den Vereinigten Staaten viel weiter fortgeschritten ist als in Frankreich oder Deutschland."

Das Zitat kann durchaus als programmatische Leitlinie des Sammelbands gelten. Filmemacher Harun Farocki etwa berichtet in "Notizen zu einem Film über Malls" auf tragisch-amüsante Weise, welch absurde Blüten die wissenschaftlich optimierte Gestaltung von Einkaufszentren treiben kann. So erfährt man, daß amerikanische Mall-Manager die Ansiedlung von Badeartikelgeschäften mit Mietsenkungen fördern, weil der Geruch von Badeessenzen Studien zufolge die Kaufbereitschaft der Kunden erhöht. Oder daß sich ein ganzer amerikanischer Gewerbezweig auf die Präparierung von Baumstämmen spezialisiert hat, weil sich die Geschäftsleitungen von natürlich aussehenden Palmen konsumstimulierende Glücksassoziationen versprechen.

Jochen Becker untersucht, wie sich Stadien in Großprojekte der Freizeitindustrie verwandelt haben, die längst nicht mehr nur für Sportereignisse zur Verfügung stehen sollen, und weist darauf hin, daß in diesen Unterhaltungsarenen auch neue Kontrolltechnologien getestet werden. In diesem Zusammenhang zitiert er das Beispiel des Super-Bowl-Spiels in Tampa/Florida, bei dem im vergangenen Januar "100 000 Gesichter beim Einlaß erfaßt und mit Datenbanken der Polizei und anderen Strafverfolgungsbehörden abgeglichen" wurden.

Mit dem Zusammenhang von sportlichen Megaprojekten und städtebaulichem Umbau beschäftigt sich der Beitrag des Journalisten Gunnar Ulbrich, der die Errichtung des Fußballstadions in St. Denis aus Anlaß der Fußballweltmeisterschaft von 1998 zum Anlaß genommen hat, die Sozialstruktur der Vorstadtsiedlung im Norden von Paris zu untersuchen. Die lesenswerte Reportage zeichnet das Bild eines von ökonomischer Marginalisierung und Einöde geprägten Viertels. Das Stadion stieg zwar nach dem Finale zur nationalen französischen Kultstätte auf, blieb aber ein gigantischer Fremdkörper im Stadtviertel.

Schon diese wenigen Beispiele zeigen, daß der Herausgeber nicht auf Ausgewogenheit gesetzt hat. Die mehr als zwanzig Autorinnen und Autoren stammen aus den verschiedensten Diskussionskontexten und haben sehr unterschiedliche Darstellungsformen gewählt. So erzählen etwa Margit Czenki und Christoph Schäfer in Form von Drehbuchnotizen, wie im Hamburger Stadtteil St. Pauli Mitte der neunziger Jahre Musiker, Aktivisten und Anwohner ein kunstpolitisches Projekt zur Aneignung öffentlichen Raums entwickelten und die Planung eines Parks im Hamburger Hafengebiet vorantrieben. Und die Schauspielerin Hanna Fröhlich stellt in "Surveillance Camera Players" Straßentheateraktionen vor Überwachungskameras vor. So bewegt sich der Sammelband abwechslungsreich im Grenzbereich zwischen Kunst, wissenschaftlicher Debatte, politischem Aktivismus und filmischer Reflektion.

RAUL ZELIK

"bigness - Kritik der unternehmerischen Stadt". Size does Matter. Image/Politik. Städtisches Handeln. Herausgegeben von Jochen Becker. b_books, Berlin 2001. 269 S., Abb., geb., 16,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Der von Jochen Becker herausgegebene Band "bigness - Kritik der unternehmerischen Stadt" bietet Texte zum Themenkomplex "Städtebau, Stadtplan und alternative Handlungsmöglichkeiten" von mehr als zwanzig Autoren aus den unterschiedlichen Bereichen, berichtet Rezensent Raul Zelik. Eine kritische Einstellung gegenüber der "Instrumentalisierung des Erlebnisses für die Ziele der Kulturindustrie", wie Klaus Ronnenberger im ersten Beitrag schreibt, bildet laut Ansicht des Rezensenten die programmatische Leitlinie des Bandes, wobei Zelik begrüßt, dass die Autoren des Bandes nicht mit antiamerikanischen Schlagworten um sich werfen. Neben dem Beitrag des Filmemachers Harun Farocki, der auf "tragisch-amüsante Weise" berichtet, welche "absurden Blüten" die wissenschaftliche Optimierung der Einkaufszentren treiben kann, lobt Zelik insbesondere Jochen Beckers Untersuchung der Verwandlung von Sportstadien in Großprojekte der Freizeitindustrie und Gunnar Ulbrichs Beitrag über den Zusammenhang von sportlichen Megaprojekten und städtebaulichem Umbau. Das positive Fazit des Rezensenten: ein Sammelband, der sich "abwechslungsreich im Grenzbereich zwischen Kunst, wissenschaftlicher Debatte, politischem Aktivismus und filmischer Reflektion" bewegt.

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