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Ob es Selbstmordkommandos sind oder mafiagleich organisierte Banden, ob Warlords, Befehlshaber von Söldnerheeren oder Aktivisten in fundamentalistischen Netzwerken - was unter Terroristen und Terrorismus verstanden werden muß, ist nur schwer auf einen Nenner zu bringen. Dennoch können wir auch heute die klassischen Grundfiguren von politischer Gewalt ausmachen. Peter Waldmann zeigt in seinem Buch, weshalb, wie und mit welchen Konsequenzen sich Terrorismus und Bürgerkrieg gegenwärtig abspielen. Wie läßt sich politische Gewalt von unten in der Gegenwart angemessen beschreiben? Können wir…mehr

Produktbeschreibung
Ob es Selbstmordkommandos sind oder mafiagleich organisierte Banden, ob Warlords, Befehlshaber von Söldnerheeren oder Aktivisten in fundamentalistischen Netzwerken - was unter Terroristen und Terrorismus verstanden werden muß, ist nur schwer auf einen Nenner zu bringen. Dennoch können wir auch heute die klassischen Grundfiguren von politischer Gewalt ausmachen.
Peter Waldmann zeigt in seinem Buch, weshalb, wie und mit welchen Konsequenzen sich Terrorismus und Bürgerkrieg gegenwärtig abspielen. Wie läßt sich politische Gewalt von unten in der Gegenwart angemessen beschreiben? Können wir inzwischen von einer Ära des neuen Terrorismus oder der neuen Kriege sprechen? Handelt es sich bei den Terroristen um Initiatoren der ersten Stunde oder um Nachahmer, die schon in vorgezeichnete Bahnen treten? Und läßt sich Terrorismus durch einen militärischen Feldzug besiegen?
Waldmanns in der internationalen Szene erhobene Befunde zeigen, daß der rapide Funktionsverlust des Staates, die Erosion seines Gewaltmonopols, die Globalisierung und die Bevölkerungsexplosion in der Dritten Welt die Verhältnisse schaffen, in denen der Terrorismus gedeiht. In seiner Regellosigkeit und Unvorhersehbarkeit wird er weiterhin weltpolitische Erschütterungen hervorrufen.
Fazit von Waldmanns Studie ist, daß Chancen einer Kontrolle von politischer Gewalt und der Herstellung friedlicher Verhältnisse skeptisch beurteilt werden müssen. Oft wird man sich, so die Einschätzung des Autors, mit zweitbesten Lösungen zur Konfliktbewältigung zufrieden geben müssen.
Autorenporträt
Peter Waldmann, international anerkannter Terrorismusexperte, war bis 2002 Professor für Soziologie/Sozialkunde an der Universität Augsburg. Verschiedene Gastprofessuren Augsburg. Verschiedene Gastprofessuren und den USA sowie zahlreiche Veröffentlichungen zu den Themen politische Gewalt, ethnische Konflikte und Entwicklungssoziologie.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.08.1999

Soziologie des Schreckens aus dem Untergrund
Peter Waldmanns instruktive Studie über den Terrorismus

Peter Waldmann: Terrorismus. Provokation der Macht. Gerling Akademie Verlag, München 1998. 224 Seiten, 42,- Mark.

Über Terrorismus wird heute sehr viel geschrieben, doch das meiste von dem, was über dieses ja gar nicht so neue Phänomen gesagt wird, ist stark emotional besetzt und nicht frei von irrationaler Argumentation. Oft fehlt sogar eine klare Definition des Begriffes Terrorismus. Peter Waldmann bemüht sich gleich auf den ersten Seiten seines Buches darum. Er schlägt als Definition vor: Terrorismus sind planmäßig vorbereitete, schockierende Gewaltanschläge aus dem Untergrund gegen eine politische Ordnung. Waldmann setzt das Thema seiner Untersuchung klar ab von Nachbarbegriffen wie Terror, Staatsterror oder Guerrilla, die oft mit Terrorismus durcheinander geworfen werden. Der Augsburger Soziologe empfiehlt, nicht dem angelsächsischen Sprachgebrauch zu folgen, der den Begriff "terror" vor allem für den durch terroristische Anschläge erzeugten sozialpsychologischen Effekt allgemeiner Furcht und Panik vorsieht. Im Deutschen sollte "Terrorismus als eine bestimmte Form des Angriffs gegen den Staat und die staatliche Ordnung vom Terror als staatlicher Schreckensherrschaft abgegrenzt werden". Damit gäbe es also im Deutschen keinen Staatsterrorismus, sondern "staatlichen Terror".

Der Terrorismus muss eine öffentliche Komponente haben, muss in den politischen und gesellschaftlichen Raum hineinwirken; denn er will eine Botschaft vermitteln. Die Opfer, etwa die durch eine Gewalttat ermordeten Personen, sind für den Terroristen unwichtig. So mag es sich erklären, daß Floren Aoiz, ein junger führender Politiker von Herri Batasuna - dem politischen Arm der baskischen terroristischen Organisation Eta -, in einem Interview auf die Frage nach den Kindern, die durch ferngezündete Eta-Bomben getötet wurden, antwortet: "Hört doch mal auf mit der demagogischen Ausbeutung toter Kinder. Was bedeutet schon ein totes Kind innerhalb des großen Krieges gegen einen repressiven Staat?"

Die terroristische Aktion hat einen symbolischen Stellenwert, ist Träger einer Botschaft, und diese soll eine Schockwirkung erzielen: Jeder kann zum Ziel eines tödlichen Anschlags werden, nicht nur - wenn auch bevorzugt - der, welcher dem Terroristen im Wege steht. Mit den Anschlägen wollen die Terroristen das Vertrauen in den Staat und den Glauben, er könne die Bürger schützen, untergraben. Als schwache Gruppe brauchen die Terroristen für ihre Gewalttaten unbedingt die Publizität in den Massenmedien. Nur so können ihre Aktionen Signalwirkung haben und zu einer wirklichen Provokation der Macht werden. Der Terrorismus ist eigentlich eine Kommunikationsstrategie, die Gewalt soll nicht den Feind zerstören, sondern vor allem ein Mittel sein, um eine psychologische Breitenwirkung zu erzielen. Der Guerrillakrieg ist hingegen eine militärische Strategie, bei dem es darum geht, dem Feind zunächst an einigen Stellen zu schaden, ihn nach und nach einzukreisen und schließlich zu vernichten.

Den so genannten internationalen Terrorismus hält Waldmann für weit überschätzt. Regierungen verlegen die Verantwortung für Gewaltanschläge in ihren Ländern zunächst einmal gerne ins Ausland und beschuldigen so oft internationale terroristische Gruppen, obwohl es nur wenig Zusammenarbeit zwischen Terroristen aus verschiedenen Ländern gibt und weniger als fünf Prozent sämtlicher Anschläge auf das Konto von Organisationen gehen, deren Mitglieder aus verschiedenen Ländern kommen.

Nach ihren Zielen und ihrer Ideologie unterscheidet Waldmann vier Typen von Terrorismus-Gruppen: den sozialrevolutionären, den ethnisch-nationalistischen, den religiös motivierten und den sogenannten vigilantischen Terrorismus. Diesen letzten Teiltypus bilden die sogenannten "Law and order"-Bewegungen, die mit Gewalt, unter Verletzung der Gesetze und am Staat vorbei die bestehende Ordnung gegen angebliche Feinde dieser Ordnung zu bewahren suchen. Beispiele für diesen "rechten" Terrorismus sind die Ku-Klux-Klan-Bewegung in den Vereinigten Staaten und die Todesschwadronen in manchen lateinamerikanischen Ländern. Waldmann untersucht eingehend als repräsentative Organisation für den sozialrevolutionären Terrorismus die deutsche RAF (Rote-Armee-Fraktion) und die spanische Eta (Baskenland und Freiheit) für den ethnisch-nationalistischen Terrorismus.

In dem Buch werden die großen Unterschiede zwischen dem sozialrevolutionären und dem ethnischen Terrorismus sehr klar herausgearbeitet. Die ethnisch-nationalistischen Terroristen identifizieren sich mit der Volksgruppe und der sozialen Schicht, aus der sie stammen; die sozialrevolutionären Gewalttäter wählen eine andere gesellschaftliche Gruppe (Arbeiterklasse im eigenen Land oder unterdrückte Völker in Drittweltländern) zu den Nutznießern ihres Aufstandes, projizieren auf diese fremden Gruppen das Ziel ihres politischen Kampfes. Die Eta-Aktivisten fühlten sich über Jahrzehnte hinweg in große Teile ihrer Volksgruppe eingebettet und wurden von ihr verstanden und unterstützt. Die RAF blieb gesellschaftlich isoliert, und die sehr begrenzte Zahl ihrer Sympathisanten fand keine Kontinuität in der nächsten Generation. In der Brutalität ihres Vorgehens und der Zahl der Opfer übertreffen die gesellschaftlich eingebetteten nationalistischen Gruppen die vorwiegend sozialrevolutionären Gewalttäter.

Den religiösen Terrorismus erklärt Waldmann an Beispielen wie den gegen die Römer rebellierenden Juden (Zeloten und Sikarii) und den heutigen islamischen Fundamentalisten. Bei den jüngsten fundamentalistischen Gruppen in islamischen Ländern ist im Rahmen des schon existierenden oder noch einzurichtenden islamischen Staates auf der gesetzlichen Grundlage der "Scharia" die angestrebte Einheit von Politik und Religion sehr einfach zu verwirklichen.

Der Zusammenhang zwischen politischem Protest und Terrorismus wird in einem zentralen Kapitel von Waldmanns Buch genau untersucht. Auf die oft gestellte Frage, ob Demokratie besonders anfällig für Terrorismus sei, gibt der Autor eine bejahende Antwort und erklärt auch, warum, bevor er sich dann auf die "Suche nach der terroristischen Persönlichkeit" begibt. Die Lebensgeschichten dreier Terroristen aus drei verschiedenen Ländern (Spanien, Deutschland, Peru) werden erzählt und analysiert, die bisherigen Versuche, den "statistischen Durchschnitts-Terroristen" zu beschreiben, mit gutem Grund zurückgewiesen, ebenso wie die von zahlreichen Sozialwissenschaftlern verbreitete These von einer besonderen psychischen Disposition zum Terrorismus. Über die Anziehungskraft, die das Rollenbild des Terroristen auf junge Menschen in unserer heutigen Gesellschaft ausübt, weiß Waldmann zu berichten - ebenso über die Eskalationsschraube von Isolierung und Radikalisierung, die Verselbständigung der Gewalt, das Solidaritätsgebot und den bis zur Hinrichtung von Andersdenkenden aus den eigenen Reihen gehenden Anspruch auf rigorose Disziplin.

Peter Waldmann hat früher schon wichtige Untersuchungen über terroristische Organisationen in verschiedenen Ländern, darunter Spanien, veröffentlicht. Zum baskisch-spanischen Terrorismus wäre die Anmerkung zu machen: "Die spanische Regierung" habe die "antiterroristische Befreiungsgruppe GAL", eine terroristische Methoden anwendende Organisation, auf die Eta-Terroristen "angesetzt", schreibt Waldmann. Dem war nicht so, zumindest ist eine Beteiligung der Regierung an der Gründung und dem Einsatz von GAL nicht erwiesen. GAL wurde von Polizisten in Bilbao gegründet unter Mitwisserschaft und wohl auch mit Unterstützung einiger in der dortigen Provinz Vizcaya einflußreicher Politiker. Der spanischen Regierung ist wahrscheinlich vorzuwerfen, nicht schnell und tatkräftig gegen die Mordtaten von GAL vorgegangen zu sein. Am Fall GAL wäre übrigens interessant zu untersuchen, wie und warum die mit dem Kampf gegen den Terrorismus beschäftigten Polizisten die gewalttätigen und brutalen Methoden ihrer Gegner, aber auch deren Leichtfertigkeit bei der Auswahl der Opfer übernehmen.

Peter Waldmann hat das derzeit wohl wichtigste und aktuellste Buch über Aktionsformen, Gründe und Hintergründe des heutigen Terrorismus in verschiedenen Teilen der Welt geschrieben.

WALTER HAUBRICH

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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Rezensent Herfried Münkler zeigt sich sehr angetan von Peter Waldmanns "akribischen Analysen" zum Themenkomplex Terrorismus, Bürgerkrieg und staatlicher Zerfall. Die Auseinandersetzung mit Terrorismus und Bürgerkrieg, zwei Ursachen für staatlichen Zerfall, hält Münkler schon deshalb für einleuchtend, als beide mit politischen Willen verbunden sind. Waldmann könne zeigen, so Münkler, "wie schnell die diesen Willen leitenden Motive erodieren und ins Gegenteil umschlagen, sobald sie sich des Mittels der Gewalt bedienen." Er bescheinigt dem Soziologen einen "genauen Blick" für die "Grammatik der Gewalt", etwa wenn dieser die Entwicklung von Racheritualen am Rand der Wohlstandszonen untersucht. Dabei mache Waldmann die Ursachen für Terrorismus und Bürgerkrieg nicht allein in den Prozessen der Globalisierung, sondern auch in Formen der Ritualisierung und Sakralisierung von Gewalt ausfindig. Münkler hebt zudem die Bedeutung hervor, die Waldmann der politisch-instrumentellen Rationalität zumisst - auch bei religiös inspirierten Terrorgruppen. Gegenüber Theorien, die größere Unterschiede zwischen älteren und jüngeren Formen des Terrors sehen, zeige sich Waldmann skeptisch. Fraglich erscheint Münkler hier, ob Waldmanns Grundmodell des klassischen Terrorismus auch auf den Terror von al-Qaida angewandt werden kann. Obwohl er in diesem Punkt nicht ganz mit Waldmann einverstanden ist, hält er lobend fest, dass dessen Terrorismusbuch "zum Besten" gehört, "was man diesbezüglich in Deutschland lesen kann."

© Perlentaucher Medien GmbH
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