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Zuwanderung findet statt, selbst wenn nationales Recht sie nicht erlaubt. Nach und hinter dem Feindbild des Asylsuchenden ist das Schreckensbild des 'Illegalen' aufgestiegen. Das gilt insbesondere für die öffentliche Diskussion um Arbeitsmarktpolitik, Sozialpolitik und die innere Sicherheit. Dabei bleibt meist unklar, was Illegalität im Migrationsprozeß eigentlich ausmacht. Das Sammelwerk bemüht sich um Transparenz in der mit großer Schärfe geführten Debatte. Es gibt einen Überblick über die Probleme der Beschreibung von Illegalität im Migrationsprozeß und umreißt die rechtlichen…mehr

Produktbeschreibung
Zuwanderung findet statt, selbst wenn nationales Recht sie nicht erlaubt. Nach und hinter dem Feindbild des Asylsuchenden ist das Schreckensbild des 'Illegalen' aufgestiegen. Das gilt insbesondere für die öffentliche Diskussion um Arbeitsmarktpolitik, Sozialpolitik und die innere Sicherheit. Dabei bleibt meist unklar, was Illegalität im Migrationsprozeß eigentlich ausmacht. Das Sammelwerk bemüht sich um Transparenz in der mit großer Schärfe geführten Debatte. Es gibt einen Überblick über die Probleme der Beschreibung von Illegalität im Migrationsprozeß und umreißt die rechtlichen Rahmenbedingungen vor dem Hintergrund einer Bestandsaufnahme illegaler Zuwanderung und Beschäftigung. Erweitert wird diese Perspektive aus rechts-, wirtschafts- und poltikwissenschaftlicher Sicht um Aspekte des Alltags in der Illegalität. Die Beiträge bieten Fallstudien zur Lage in Deutschland, den USA, in den Niederlanden, Italien, in Schweden und Großbritannien.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 02.10.2000

Fremd sind sie eingezogen
Illegale Immigranten sind das Proletariat der Neuzeit – rechtlos, ausgebeutet und ein Leben lang auf der Flucht
EBERHARD EICHENDORFER (Hrsg. ) Migration und Illegalität, Studie des Instituts für Migrationsforschung, Rasch Verlag, Bramsche 1999. 250 Seiten, 48 Mark.
Kein Tag ohne Berichte über „die Asylanten”, keine öffentliche Diskussion ohne Schreckenszahlen über Flüchtlinge – das Feindbild vom Asylbewerber war allgegenwärtig in den Auseinandersetzungen Anfang der neunziger Jahre. Die drastische Einschränkung des Grundrechts auf Asyl beendete die Diskussion in Deutschland vorerst, beendet wurde freilich nicht die Zuwanderung auf die Wohlstandsinseln Europas.
Inzwischen sind es „die Illegalen”, welche die Fantasien der Bevölkerung zunehmend mit Angst und Sorge erfüllen. Spektakuläre Katastrophen wie erfrorene Tamilen an der bayerisch/tschechischen Grenze oder jene achtundfünfzig Chinesen, die in einem Container in Dover tot aufgefunden wurden, erinnern an eine Schattenwelt, die wir am liebsten verdrängen möchten.
Unerwünschte Zuwanderung findet statt, auch wenn sie von Gesetzes wegen untersagt ist. Welche Bedeutung Illegalität im Migrationsprozess eigentlich hat, wird zunehmend auch in Deutschland als Thema entdeckt und untersucht. Das Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS) an der Universität Osnabrück hat einen Band mit dem Titel „Migration und Illegalität” vorgelegt, herausgegeben von Eberhard Eichendorfer. Der Band enthält Analysen zur illegalen Zuwanderung und Beschäftigung unter wirtschaftlichen, sozialen und rechtlichen Aspekten, darüber hinaus Fallstudien aus Deutschland, Großbritannien, Italien, den Niederlanden und den USA.
Migranten in der Illegalität leben durchweg unauffällig und versuchen sich den Regeln des „Gastlandes”, so gut es geht anzupassen. Sie unternehmen alle möglichen Anstrengungen, um nicht entdeckt zu werden. Damit entziehen sie sich logischerweise auch der statistischen Erfassung. Kein Wunder, dass die Zahlen, die in diesem Zusammenhang genannt werden, wild schwanken. Da werden beispielsweise die entdeckten illegalen Grenzübertritte nach unbekannten, nicht genannten Kriterien einfach hochgerechnet. Nach der gleichen Methode werden „erwischte” illegal Beschäftigte mit den Nicht-Erwischten multipliziert. Für Deutschland wird öffentlich mit Zahlen zwischen zweihunderttausend und einer Million Illegaler laviert, allein in Berlin wird einmal von Hunderttausend, ein anderes Mal sogar von einer halben Million ausgegangen. Für Italien werden Größenordnungen zwischen Hunderttausend und zwei Millionen angegeben, für Spanien zwischen Dreißigtausend und Vierhundertfünfzigtausend.
Illegale Migranten stellen keine homogene soziale Gruppe dar – diese Ausnahmegesellschaft ist so unterschiedlich wie ihre persönliche Geschichte. Verbunden sind sie einzig durch ihre Rechtlosigkeit und die Angst vor Entdeckung. Wer ohne gültigen Aufenthaltsstatus ist, muss gegebenenfalls äußerst mobil sein, um der Polizei und anderen Behörden zu entgehen.
Der Ausländerbeauftragten eines Berliner Bezirks war ein Haus aufgefallen, in dem augenscheinlich viele Ausländer lebten. Keiner von ihnen hatte je mit ihr gesprochen, was sie als ungewöhnlich empfand. Sie fragte vor der Haustür spielende Kinder nach deren Eltern und bekam zur Antwort, sie seien bei der Arbeit. „Schöne Grüße, ich komme morgen Abend nach der Arbeit mal bei euch vorbei”, rief sie den Kindern zu. Am nächsten Abend aber traf sie weder Kinder noch Eltern in dem Haus an. Es war leer, und nichts wies darauf hin, dass hier bis vor kurzem jemand gelebt hatte.
Der Wunsch, mit Arbeit Geld zu verdienen, ist eines der Hauptmotive, um einzureisen oder um – unerlaubt – im Land zu bleiben. Oft haben illegale Migranten bereits einen Arbeitsplatz in Deutschland (oder anderen Ländern), bevor sie einreisen. Denn: Illegale Arbeit ist gut organisiert. Arbeitskräfte, die zu Hungerlöhnen schuften – nach unseren Standards, nicht nach ihren – werden gebraucht, und viele Firmen verdienen gut an ihnen, wären ohne sie unter Umständen gar nicht konkurrenzfähig. Wer keinen anderen Ausweg sieht, um sein eigenes Überleben – oder das seiner Angehörigen im Herkunftsland – anders zu sichern, weiß zwar sehr wohl, dass er – oder sie – gegen Recht verstößt. Aber als Unrecht empfunden wird das kaum.
Um „illegal” zu werden, gibt es viele Wege und Ursachen. Man kommt zum Beispiel mit einem Touristenvisum ins Land und bleibt nach Ablauf der Frist da. Darunter sind abgelehnte Asylbewerber, nicht registrierte Bürgerkriegsflüchtlinge, Familienangehörige ohne Nachzugsberechtigung, junge Erwachsene mit abgelaufenem Studentenvisum, Spätaussiedler ohne Aufnahmebescheid oder legale Arbeitnehmer, deren Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis nur befristet war. Sie tauchen ab und leben als „Papierlose” unter uns. Meistens in großer Armut (wiederum nach unseren Standards) und meist in den Großstädten.
Ein wahrhaft Grauen erregendes Kapitel sind die international operierenden verbrecherischen Schleuserbanden. Und ein Thema für sich ist die Prostitution: Frauen werden gezielt ins Land geschleust, häufig gegen ihren Willen und häufig unter Vorspiegelung falscher Tatsachen. Frauenhandel, Menschenhandel und Menschenschmuggel sind außerordentlich lohnende Geschäfte. Und je dichter die Grenzen gemacht werden und je restriktiver die Politik ist, desto einfallsreicher zeigen sich die kriminellen Menschenhändler und desto teuerer und gefährlicher wird die Reise für die Flüchtlinge.
Das heißt nicht, dass wir unsere Grenzen nicht schützen sollten und müssen. Aber Polizei und Grenzschutz sind in einem Kampf überfordert, der politische Konzepte für ein Problem erfordert, für das es eine hundertprozentige Lösung nicht geben wird. Tatsächliche und verbale Verfolgungsjagden lösen die Probleme ebenfalls nicht, wohl aber fördern sie das Feindbild vom „Fremden”. Leider sind auch skandaltriefende Berichte häufig dazu angetan, mit den kriminellen Tätern, gleichsam in einem Aufwasch, die Opfer zu diffamieren.
Die Reaktion auf den Tatbestand der Illegalität und auf die Personen, die illegal in Europa leben, ist vielerorts militant und menschenverachtend. Allerdings ist das nicht die ganze Wahrheit. Bei einigen nämlich löst die Lebenssituation dieser Menschen große spontane (und oft auch stetige) Hilfsbereitschaft aus. Kirchengemeinden und Flüchtlingsinitiativen, Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von Wohlfahrtsverbänden, und immer wieder auch Einzelne versuchen, Netzwerke zu bilden, ihren Schützlingen zu helfen und sie zu begleiten.
Eigentlich gehört nicht allzu viel Vorstellungskraft dazu, sich auszumalen, was dieses Leben im Verborgenen bedeutet – etwa im Falle von Krankheit oder Schwangerschaft, für die Opfer von Gewalt und gar für Kinder. Dieses Spannungsfeld, mit dem zu leben wir wohl oder übel lernen müssen, zieht sich wie ein roter Faden durch diesen Sammelband. Das Buch zeigt, wie unterschiedlich die europäischen Staaten und die USA mit dem Problem umgehen. Wenn auch den Illegalen kein Bleiberecht bei uns zusteht, so kommen ihnen doch Menschenrechte zu. Das darf nicht in Vergessenheit geraten: Menschenrechte sind Rechte für jedermann.
CORNELIA SCHMALZ-JACOBSEN
Die Rezensentin ist Bundestagsabgeordnete der FDP.
Mit dem Kopftuch in der Masse untergehen: eine Türkin in Deutschland.
SZ
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Die Diskussion über "Asylanten" hat sich, so die FDP-Bundestagsabgeordnete Cornelia Schmalz-Jacobsen in ihrer Besprechung, inzwischen verschoben auf das Problem der ?Illegalen`. Eine Studie des Instituts für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien an der Universität Osnabrück hat in diesem Band Analysen und Fakten gesammelt über diese per se schwer zu erfassende Bevölkerungsgruppe. Im internationalen Vergleich wird hier nach Schmalz-Jacobsen sowohl der unterschiedliche Umgang mit "Illegalen" vorgestellt als auch über Fallstudien gezeigt, aus welcher Problematik heraus jemand "illegal", das heißt ohne gültige Papiere, ohne Bleiberecht in einem Land lebt. Schmalz-Jacobsen betont, dass natürlich das Gesetz nicht unterlaufen werden darf, dass aber Polizei und Bürokratie überfordert sind und ihnen ein genuin politisches Problem, nämlich das der sich abschottenden "Wohlstandsinsel" Europa zugeschoben wird.

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