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Produktdetails
  • Verlag: Weidle Verlag
  • Seitenzahl: 360
  • Deutsch
  • Abmessung: 210mm x 141mm x 30mm
  • Gewicht: 570g
  • ISBN-13: 9783931135935
  • ISBN-10: 3931135934
  • Artikelnr.: 14403821
Autorenporträt
Ana Nohre de Gusmao ist eine der wichtigsten portugiesischen Autorinnen der letzten Jahre. Am 25. Dezember 1952 in Lissabon geboren, studierte sie Design und Philosophie. 1996 erschien ihr erster Roman, "Delito sem corpo" (so der Originaltitel von "Spiegel der Angst"), für den sie den Premio Maxima de Revelacao erhielt und der sofort in die portugiesischen Bestsellerlisten einzog. Seither sind vier weitere Romane von ihr in Portugal publiziert worden.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Als "feinsinnige Studie über die Schrecken des Alters" und den "Abgrund zwischen den Generationen" hat Rezensent Kersten Knipp diesen Roman gelesen. Die portugiesische Autorin verstehe es, in "wenigen Strichen" ihre Charaktere zu skizzieren: die in den "unbarmherzigen Vierzigern gefangene" Protagonistin Celeste, die sich mit einem Zwanzigjährigen einlässt, und eben jenen Marco, den Knipp mit den Etiketten dumpf, "libertär, anmaßend und egozentrisch" versieht. In "durchaus vergnüglichem Stil" findet der Rezensent nun diese Geschichte einer gegenseitigen Ausbeutung über weite Strecken auch spannend erzählt. Dankbar nimmt der das Fehlen kulturpessimistischer und tragischer Töne zur Kenntnis. Allerdings hat die Autorin ihren Roman aus seiner Sicht durch zuviel Personal leicht überfrachtet, was sich für ihn mitunter negativ auf den Erzählfluß auswirkt.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.11.2005

Im Zeichen der Zellulitis
Selbstbedienungsladen Liebe: Ana Nobre de Gusmãos Roman zeigt, was Mann und Frau an Jahren in die Quere kommen kann

Es sind nicht viele Pfunde, die sich um ihre Hüften spannen, aber doch genug, um bei Ästheten Bedenken zu wecken. Ein leichtes Pölsterchen schwabbelt schon um das Becken, und gut kann man sich vorstellen, wie es sich den ganzen Rücken hinauf bis in die Schultern fortsetzt. Dazu dann der erste Faltensatz um Augen, Mund und Wangenknochen, und aus ist's mit der Dame: Welcher Mann wollte sich einlassen auf eine, die ihre besten Jahre so unübersehbar hinter sich gelassen hat?

Das Altern, insbesondere das weibliche, birgt eine gehörige Portion Tragik, und die wird auch dadurch nicht leichter, daß sie oftmals bloß eine gefühlte ist. Der Schrecken der Wechseljahre reitet unbarmherzige Attacken aufs Gemüt, belegt Falten, Fett und Zellulitis auch da mit dem Bannspruch des Skandals, wo sie nichts weiter tun, als blind überschießender Kreatürlichkeit eine Wendung ins Persönliche zu geben, die erschlaffende Kraft eines bis dahin jungen Körpers umzuleiten und fortan zur Erziehung des Herzens einzusetzen. Aber Frau und Verstand, das paßt nicht zusammen - am wenigsten in der weiblichen Vorstellung selber, weshalb Celeste, gefangen in den unbarmherzigen Vierzigern, an wenig anderes als Fettabsaugen und andere Segnungen der Anti-Aging-Industrie denken will. Um so glücklicher glaubt sie sich schätzen zu können, als dann, gänzlich unverhofft, ein frischer Zwanzigjähriger auf die Bühne tritt und den Sommer ihres Lebens für ein paar Wochen am Abgang hindert.

Ein paar Wochen, das ist nicht viel. Daß es mehr geworden ist, dürfte Celeste als wichtigen Eintrag auf der Glücksskala ihres Lebens verbuchen. "Die Seherin" heißt der im Original 1997 erschienene Roman der portugiesischen Autorin Ana Nobre de Gusmão, eine feinsinnige Studie über die Schrecken des Alters ebenso wie über den Abgrund zwischen den Generationen - ein Abgrund, der sich in den letzten Jahren unübersehbar geweitet hat.

Marco heißt Celestes junger Liebesdiener, ein arbeitsloser, mehr noch arbeitsscheuer Nichtsnutz aus Lissabons Vorstädten, selbstgerecht, bequem und dumpf, aber nicht so dumpf, daß es nicht noch zu einer gehörigen Portion Zynismus reichen würde. Haschischrauchen, schlafen, abhängen, das ist der Dreiklang seiner Tage, und weil das allzuviel nicht einträgt, versetzt er umgehend die Schlaf- und Beruhigungstabletten seiner neuen Freundin. Überhaupt betrachtet er deren Wohnung - warmes Bad, bequemes Sofa, gefüllter Kühlschrank - als günstigen Selbstbedienungsladen. "Ich kann ihn nicht verstehen", gesteht sich Celeste wieder und wieder, was sie vor allem auf den Altersunterschied zurückführt. Nun mögen zwanzig Jahre nicht wenig sein - enorm vergrößert aber wird die Zeitspanne durch den Unterschied der Mentalitäten, der die Menschen manchmal nicht mehr nur im Rhythmus von Generationen, sondern weniger Jahre trennt. Hier Celeste, verbindlich, fleißig und ein kleines bißchen verzweifelt - dort Marco, libertär, anmaßend und egozentrisch. Die 1952 geborene Ana Gusmão versteht es, in wenigen Strichen das beschränkte Bewußtsein eines Typus zu skizzieren, der auf den Straßen Europas immer häufiger anzutreffen ist: Beschäftigt nur mit sich selbst, nimmt er von der Welt nur jene Teile wahr, die ihm von Nutzen sind - alle anderen sieht und kennt er nicht, noch weniger interessieren sie ihn. Gewohnte Verhaltensweisen sind verlorengegangen, stellt Celeste fest; vor kurzem noch Selbstverständliches versteht sich heute nicht mehr, die Kommunikation ist darum oft nur mit Älteren, ja viel Älteren möglich, während der Kontakt zu den Jüngeren oft ausgesprochen schwierig ist. Ein gründlich verändertes Weltbild hat sich zwischen sie geschoben.

All dies erzählt Gusmão nicht in ernstem, gar kulturpessimistischem oder tragischem Ton. Vielmehr pflegt sie einen durchaus vergnüglichen Stil, schafft es zudem, den Roman über weite Strecken unter Spannung zu halten. Allerdings hat sie ihn durch weiteres Personal etwas überfrachtet. Die "Seherin" des Titels ist Celestes Putzfrau Laurinda, abergläubisch, aber mit Sinn für die Realitäten - die sie oft so treffend einschätzt, daß sie anderen eben wie eine Seherin erscheint. Vor allem aber hat Laurinda ein äußerst loses Mundwerk, weshalb sie ihren anderen Kunden den jeweils neuesten Tratsch von Celestes amour fou erzählt. Für den Leser hat das den Nachteil, das er vieles zweimal erfährt, erst durch die Erzählerin, dann noch einmal durch Laurinda. Der Roman hätte an Stringenz ungemein gewonnen, hätte die Autorin auf diese Doppelung verzichtet, hätte sie auch von den ausführlichen Dialogen um Küche, Kochen, Kinder abgesehen, die dem Roman etwas von seinem Fluß nehmen. Wer sich jedoch davon nicht aufhalten läßt, kommt durchaus auf seine Kosten.

Ana Nobre de Gusmão: "Die Seherin". Roman. Aus dem Portugiesischen übersetzt von Roberto de Hollanda. Weidle Verlag, Bonn 2005. 361 S., geb., 25,- [Euro].

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