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Ulrich Bielefeld zeigt, dass Anerkennung in der Weltgesellschaft weiterhin im Nationalstaat erlangt werden kann. Die Form der Nation jedoch hat sich verändert.
Angesichts einer globalisierten Welt stellt Ulrich Bielefeld die Frage nach der Bedeutung des Begriffs Nation und der aktuellen Problematik der Bildung existentieller politischer Kollektive. Er untersucht die Selbstthematisierungsformen der nationalen Vergesellschaftung anhand von deutsch-französischen Paarbildungen aus den Bereichen der Philosophie, Soziologie und Literatur und zeigt, dass Selbstbilder Realität nicht nur widerspiegeln, sondern gleichzeitig auch situieren.…mehr

Produktbeschreibung
Ulrich Bielefeld zeigt, dass Anerkennung in der Weltgesellschaft weiterhin im Nationalstaat erlangt werden kann. Die Form der Nation jedoch hat sich verändert.

Angesichts einer globalisierten Welt stellt Ulrich Bielefeld die Frage nach der Bedeutung des Begriffs Nation und der aktuellen Problematik der Bildung existentieller politischer Kollektive. Er untersucht die Selbstthematisierungsformen der nationalen Vergesellschaftung anhand von deutsch-französischen Paarbildungen aus den Bereichen der Philosophie, Soziologie und Literatur und zeigt, dass Selbstbilder Realität nicht nur widerspiegeln, sondern gleichzeitig auch situieren.
Autorenporträt
Ulrich Bielefeld, Dr. phil, geb. 1951, Soziologe, Leiter des Arbeitsbereichs "Nation, Ethnizität und Fremdenfeindlichkeit" am Hamburger Institut für Sozialforschung.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 05.05.2003

Normen, Nornen und Nationen
Sechser mit Steuermann: Ulrich Bielefeld rudert an der Gesellschaftsgeschichte vorbei
Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion, seit den postkommunistischen Nationalismen in Osteuropa und vor allem seit dem Bürgerkrieg in Jugoslawien geht die These von der Rückkehr des Nationalismus in Europa um. Mit dieser zurückgekehrten Bedeutung der Nation befasst sich das Buch Ulrich Bielefelds, das am Institut für Sozialforschung in Hamburg entstanden ist. Bielefeld hat vor allem theoretische Ambitionen und möchte ein Konzept für eine Normalnation vorstellen. Er möchte wegkommen von den bisherigen Nationskonzeptionen und trägt in einer langen, recht gewundenen Einleitung ein Konzept vor, zu dem zumindest sechs Elemente gehören:
Zu jeder Nation wie überhaupt zu jeder soziale Gruppierungen, gehört eine „Selbstthematisierung”, eine Reflektion und eine politische Vorstellung von sich selbst. Zu jeder Nation gehört eine Politisierung. Bloße Gemeinsamkeit, sei es nun Sprache oder Werte oder Landschaft oder anderes, reichen nicht aus. Zu jeder Nation gehören politische Intellektuelle, die der Nation eine Geschichte, eine Eigenart, ein Gedächtnis, eine politische Öffentlichkeit geben. Diese Intellektuellen sind wichtig, weil Nationen nicht einfach existieren, sondern sich ihr „empirisches Korrelat” suchen müssen, das wiederum fortwährenden historischen Änderungen unterworfen ist. Zur Nation gehört weiter die Existentialisierung, die Erfahrung der Nation als einer grundlegenden Zugehörigkeit in einer Situation der Bedrohung, Unterdrückung, des Krieges. Zudem existierte keine Nation für sich allein, sondern nur in der Differenz und im Konflikt mit anderen Nationen. Jede Nation ist schließlich auch eng verbunden mit einem Staat, normalerweise mit einem Nationalstaat, manchmal aber auch einem Nationalitätenstaat. Bielefeld kommt es sehr darauf an, scharf zwischen Nation und Nationalsozialismus zu trennen, der in seinen Augen die Nation zerstörte. Das ist alles nicht unbedingt neu. Der Autor hilft dem Leser wenig, wenn er herausfinden will, was er Neues zu diesem viel diskutierten Thema bieten möchte.
Im Hauptteil seines Buchs, dem interessantesten Teil, diskutiert Bielefeld das Nationskonzept von drei französisch-deutschen Autorenpaaren, die teils Wissenschaftler, teils Literaten oder Aktivisten waren: Johann Gottlieb Fichte und Maurice Barrès für das 19. Jahrhundert, Max Weber und Emile Durkheim für das späte 19. und frühe 20. Jahrhundert, Ernst von Salomon und Louis Ferdinand Céline für die Zwischenkriegszeit und die Nachkriegszeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Bielefeld beschränkt sich nicht auf diese Autoren, sondern flicht längere Passagen über Simmel und Renan ein. Dieser Hauptteil des Buches ist gut geschrieben, enthält viele nachdenkenswerte Überlegungen, interessante ideengeschichtliche Verbindungslinien und Interpretationen. In einem Exkurs behandelt er einen siebten Autor, Hitler, und argumentiert, dass Hitler sich zwar als Nationalist verstand, aber seine Rasseidee nichts mehr mit Nation, seine Weltanschauung nichts mehr mit Selbstthematisierung und sein Drittes Reich nichts mehr mit dem Nationalstaat zu tun habe, eine Trennung, die in dieser Schärfe nicht recht überzeugt.
Im Schlussteil seines Buches setzt sich Bielefeld mit den Entwicklungen seit dem Zweiten Weltkrieg auseinander. Er sieht eine wachsende Unklarheit über zentrale Fragen der Nation. Was eine Nation ausmacht, wer zu ihr gehört, was ihr Territorium ist, welche Rolle ethnische Zuschreibungen spielen, wird zunehmend unklar, gleichzeitig die Unverzichtbarkeit der Nation zunehmend unbestreitbar. Der Autor konstatiert einen wachsenden Widerspruch zwischen der Vieldeutigkeit und der zentralen Bedeutung der Nation. Am Ende scheint der Autor etwas ratlos über den Umstand, dass sein Konzept der Nation auf die Gegenwart nicht mehr passt.
Aufstieg und Niedergang
Bielefelds Buch ist in vieler Hinsicht anders, als es sein Titel erwarten lässt. Ein Vergleich zwischen Frankreich und Deutschland will der Autor nicht ziehen, auch wenn ihm bewusst ist, dass beide Länder als exemplarische Kontrastfälle in der Geschichte des nationalen Selbstverständnisses gesehen werden, vielleicht manchmal im Übermaß. Das Buch behandelt die Gesellschaft nicht eingehend, auch wenn sie im Titel vorkommt. Das Buch ist ein Ideenüberblick über sechs wichtige Autoren, die sich sicher auch für Gesellschaft interessierten. Aber die Gesellschafts-, Kultur- und Politikgeschichte als Kontext der Entwicklung der europäischen Nationen bleibt weitgehend ausgespart. Überhaupt präsentiert das Buch eine Nation ohne Geschichte. Es behandelt zwar so etwas wie eine historische Entwicklung des Verständnisses von Nation, die Entstehung der Nation bei Johann Gottlieb Fichte und Maurice Barrès, den Höhepunkt der Nation bei Max Weber und Emile Durkheim und die Auflösung der Nation in völkischem Rassismus bei Ernst von Salomon und Louis Ferdinand Céline. Aber welche Bedeutung diese sechs Autoren für die Geschichte des nationalen Selbstverständnisses hatten und warum gerade diese sechs Autoren ausgewählt wurden, warum nicht zwei weitere Autoren für die ihm so wichtige Wiederkehr der Nation in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ausgewählt wurden, wird nicht gesagt. Man sieht das Desinteresse an Geschichte auch daran, dass wichtige heutige Historiker der Geschichte der Nation wie etwa René Girault, Anne-Marie Thiesse, Heinz-Gerhard Haupt, Heinrich A. Winkler, Charles Maier, Etienne Francois (um ganz unterschiedliche Ansätze zu nennen) unerwähnt bleiben.
Das Buch bietet eine kluge, anregende, facettenreiche Diskussion des Nationskonzept bei wichtigen und unwichtigen Autoren des 19. und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Aber warum der Autor die Geschichte der Nation außen vorlässt und warum er dem Leser nicht sagt, was an seinem Buch neu ist, bleibt unbeantwortet. Nicht nur Nationen, sondern auch Autoren sollten sich selbst einordnen und thematisieren.
HARTMUT KAELBLE
ULRICH BIELEFELD: Nation und Gesellschaft. Selbstthematisierungen in Frankreich und Deutschland. Hamburger Edition, Hamburg 2003. 416 Seiten, 30 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Der Soziologe Ulrich Bielefeld spüre der Herausbildung nationaler Identität ab dem 19. Jahrhundert nach, schöpfe dabei aber laut Kersten Knipp bei weitem nicht seine Möglichkeiten aus. Detailliert beschreibe Bielefeld die Herausbildung von Nationalidentitäten durch Abgrenzung nach außen und innen, versäume es dabei aber leider, diese in die "jeweiligen geschichtlich-politischen Hintergründe" einzubetten. Daher fehle dem Autor die nötige historische Distanz, und er verliere sich in allzu allgemeinen Aussagen, wie der Rezensent bemängelt. Auch bei seinem Ausblick auf zukünftige Konflikte bleibe der Autor weit hinter den Möglichkeiten zurück, indem er nicht berücksichtige, dass diese vor allem von ökonomischen Faktoren geprägt sein werden, nicht aber von überkommenen "pseudotraditionalistischen" Vorstellungen.

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