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"Kinder statt Inder", Green Card, Leitkultur:Welche Interessen verfolgt die rot-grüne Bundesregierung mit ihren "Reformen" im Bereich des Ausländer- und Asylrechts?Deutsche Leitkultur, Verfassungspatriotismus, Nationalstolz: Seit dem Historikerstreit der achtziger Jahre werden in Deutschland immer wieder Diskussionen über das Selbstverständnis der Nation geführt. Dieses Buch untersucht am Beispiel der Leitkultur-Debatte, welche materiellen Voraussetzungen diesen Diskussionen zu Grunde liegen und welche praktisch-politischen Konsequenzen sie haben. ES beschäftigt sich mit Fragen der stattlichen…mehr

Produktbeschreibung
"Kinder statt Inder", Green Card, Leitkultur:Welche Interessen verfolgt die rot-grüne Bundesregierung mit ihren "Reformen" im Bereich des Ausländer- und Asylrechts?Deutsche Leitkultur, Verfassungspatriotismus, Nationalstolz: Seit dem Historikerstreit der achtziger Jahre werden in Deutschland immer wieder Diskussionen über das Selbstverständnis der Nation geführt. Dieses Buch untersucht am Beispiel der Leitkultur-Debatte, welche materiellen Voraussetzungen diesen Diskussionen zu Grunde liegen und welche praktisch-politischen Konsequenzen sie haben. ES beschäftigt sich mit Fragen der stattlichen Einwanderungs- und Asylpolitik und ihrer ideologischen Verpackung ebenso wie mit den Lebensumständen der hier zu Lande "illegal" Lebenden und der generellen Benachteiligung "ausländischer" Minderheiten. Es vergleicht darüber hinaus die gesellschaftlichen Ausgrenzungsmechanismen in Deutschland mit den Entwicklungen in Frankreich und den USA.Das Buch enthält Beiträge von: Hermann L. Gremliza,
Michael Hahn, Gaby Hommel, Albrecht Kieser, Bernhard Schmid, Oliver Tolmein, Wolf-Dieter Vogel und Kirsten Wiese.
Autorenporträt
Oliver Tolmein arbeitete als Redakteur für die taz und 'konkret' und ist heute unter anderem für den WDR, den Deutschlandfunk, 3sat und die Frankfurter Allgemeine Zeitung tätig. Als Jurist promoviert er am Institut für Kriminalwissenschaften der Universität Hamburg und beschäftigt sich seit Jahren mit dem Gebiet des internationalen Strafrechts. Er erhielt von der Vereinigung "Ärzte für Frieden und soziale Verantwortung" den IPPN-Medienpreis "Medizin und Gewissen".
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 18.07.2001

Brasilianische Verhältnisse
Der Westen spaltet sich nach Klassen, weniger nach Rassen auf
OLIVER TOLMEIN (Hrsg:) Besonderes Kennzeichen: D. Wahre Deutsche, Staatsbürger 2. Klasse und die unsichtbaren Dritten, Konkret Verlag, Hamburg 2001. 162 Seiten, 22,80 Mark.
Das Gezeter um die Leitkultur in Deutschland hat sich wieder gelegt. Die Ruhe ist indes trügerisch. Wir erinnern uns: Der Islamwissenschaftler Bassam Tibi hatte sich mit dem Begriff der Leitkultur gegen den islamischen Fundamentalismus gewandt und vor einem unkritischen Multikulturalismus der »weltfremden Ideologen der 68er-Generation« gewarnt. Eine willkommene Einladung für konservative Kreise, und schon diskutierte die halbe Republik unter Leitung des Fraktionsvorsitzenden der CDU, Friedrich Merz, über den Patriotismus der Deutschen.
Der Journalist und Jurist Oliver Tolmein hat jetzt einige Kollegen gebeten, diese ideologischen Überhitzungen beiseite zu lassen und stattdessen darüber nachzudenken, »welche Wirklichkeit dieser Debatte zugrunde liegt«. Die versammelten Autoren diskutieren beispielsweise, in welcher Lage sich jene Menschen befinden, die sich hier zu Lande ohne deutsche Staatsangehörigkeit aufhalten. Sie erzählen von jungen Kurdinnen, Türken und Vietnamesen in der Provinz, von Menschen, die ohne deutschen Pass versuchen, Geld zu verdienen, und besonders von den Illegalen, die sich in Deutschland eigentlich gar nicht aufhalten dürften.
Die Reportagen sollen zeigen, welcher Alltag hinter den Politscharmützeln steckt. Im Fall des vorliegenden Buches ist das aber leider jener Alltag, der sich auf die Zeit vor der Lockerung des Arbeitsverbots im letzten Dezember bezieht. Seither dürfen Asylbewerber, die nach Mai 1997 eingereist sind, sowie geduldete Ausländer und solche mit einer Aufenthaltsbefugnis nach einem Jahr einen Job annehmen. Allerdings nur, wenn sich vier Wochen lang kein Deutscher und kein Bürger der EU dafür hat finden lassen.
Illegal in Deutschland Lebende haben nach wie vor keinen Zugang zum Gesundheitswesen. Albrecht Kieser zeigt in seinem Beitrag »Rentabel und verfolgt«, welchen unglaublichen Situationen illegale Nichtdeutsche ausgesetzt sind. Hier geht es immerhin um eine Gruppe von 500000 bis eine Million Menschen. Nach Paragraph 76 Ausländergesetz müssen Illegale bei den Ämtern gemeldet werden. Was wiederum Firmen gerne ausnutzen, die billige und rechtlose Arbeitskräfte engagieren: Tellerwäscher, Rosenverkäufer, Türsteher und Pizzafahrer. Allein in Berlin, schätzt man, leben 100000 illegale Einwanderer. In vielen Arbeitsverträgen wird die Notlage der Betroffenen ausgenutzt. Nicht wenige Experten, so etwa der Migrationsforscher Klaus Bade, glauben sogar, dass ohne illegale Arbeitskräfte so mancher Regierungsbau in Berlin nicht im Rahmen der Kostenplanung hätte erstellt werden können.
In fast allen Beiträgen des Bandes geht es den Autoren um das Aufeinanderprallen eines kulturell-hegemonialen deutschen Blocks mit der multikulturellen Vielfalt ausländischer Mitbürger, seien sie nun legal oder ohne Papiere in Deutschland. Dieser kulturelle Hegemonieanspruch ist übrigens ein Grundzug des Rechtsradikalismus, wie Wolfgang Gessenharter in seinen Forschungen seit Jahren hinweist.
Wolf-Dieter Vogel versucht in seinem Beitrag, diese Haltung der CDU anzudichten, was aber weit übers Ziel hinausschießt. »Stramm nach völkischer Auslegung bleibt Kultur für die Union etwas Geschlossenes, das möglichst wenig fremde Elemente übernimmt und sich nach außen abschottet.« Auch wenn so manche Provinzposse um Moscheen und Minarette die Engstirnigkeit von Lokalpolitikern und Geschäftsleuten entlarvt, so ist eine exklusive Schuldzuweisung an die CDU/ CSU jedoch schwer übertrieben. Längst klopfen sich hier Verbündete aus unterschiedlichen Lagern auf die Schulter.
Michael Hahn beweist in seinem lesenswerten Beitrag über die »Angry New Citizens«, wie das Selbstbewusstsein zugewanderter Ausländer in den USA im Steigen begriffen ist. Die steigende Wahlbeteiligung der Latinos ist nur ein Indiz dafür. Hahn warnt aber im gleichen Atemzug davor, dass der ethnische Pluralismus zu einer Brasilianisierung der US-Gesellschaft führe. »Die wahre Bedrohung ist nicht die Balkanisierung, sondern die Brasilianisierung von Amerika, nicht Zersplitterung nach Rassen, sondern die Spaltung nach Klassen.« Fürwahr, wenn man betrachtet, wie sich die weiße Oberschicht in eine abgeschottete Welt zurückzieht – mit eigenen Wohnvierteln, Schulen, Polizei und Gesundheitswesen.
Leider lässt Hahn sich nicht auf den unterschiedlichen Grundzug der jeweiligen Leitkultur ein, wie sie etwa Hermann Sottong thematisiert. Die USA holen ihm zufolge wahllos Angehörige fremder Kulturen ins Land herein, während Europa über unterschiedliche Kulturen ein Dach baut, unter dem Differenz, Gemeinsamkeit, Autonomie und Eigenheit immer neu ausgehandelt und ausbalanciert werden müssen. Europa hält dabei das Bewusstsein wach, dass es stets Alternativen und unterschiedliche Optionen gibt – die USA tendieren wieder stärker dazu, sich selbst für die Option zu halten, der die anderen folgen sollten.
Das Buch von Oliver Tolmein liefert einige wichtige Anstöße zur Debatte um gesellschaftliche Aus- und Abgrenzung, sagt aber leider wenig über Perspektiven von Zuwanderung und Integration. Ein Land, in dem die Arbeitskräfte künftig rar werden, in dem der Euro und mehr Multikulturalismus vor der Tür stehen, sollte schleunigst anfangen, die Weichen dafür zu stellen. Abschottung, so das Credo des Buches, ist hierfür kein Weg. Vielleicht ist das Einwanderungsgesetz ein kleiner Anfang.
PETER FELIXBERGER
Der Rezensent ist Chefredakteur des Online-Magazins www.changeX.de.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Peter Felixberger informiert den Leser, dass es das ausdrückliche Anliegen des Herausgebers Oliver Tolmein war, die "ideologischen Überhitzungen" in Sachen deutscher Leitkultur und Multikulturalismus beiseite zu lassen und sich der Wirklichkeit von legalen und illegalen Einwanderern in Deutschland zuzuwenden. Bedauerlich findet der Rezensent dabei allerdings, dass hier der Alltag dieser Einwanderer in der Zeit vor Dezember 2000 untersucht wird, also die Zeit vor der Lockerung des Arbeitsverbots für Asylbewerber und geduldete Ausländer. Gemeinsam ist nach Felixberger fast allen Beiträgen, dass es um das "Aufeinanderprallen eines kulturell-hegemonialen deutschen Blockes mit der multikulturellen Vielfalt ausländischer Mitbürger" geht. Dass der Hegemonieanspruch in Wolf-Dieter Vogels Beitrag vor allem der CDU angelastet wird, findet der Rezensent jedoch nicht ganz richtig. Seiner Ansicht nach ist dies inzwischen durchaus eine Haltung unterschiedlicher Parteien. Gut gefällt ihm jedoch der Beitrag Michael Hahn, der eine Zersplitterung weniger nach Rassen als nach Klassen diagnostiziert. Insgesamt sieht der Rezensent in diesem Buch viele "wichtige Anstöße zur Debatte um gesellschaftliche Aus- und Abgrenzung". Allerdings vermisst ein Eingehen auf die "Perspektiven von Zuwanderung und Integration".

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