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Der Autor wirft in seinem neuen Buch kurzweilige Blicke auf die Justiz, die sich menschlich und alltäglich, manchmal aber auch ein wenig schrullig, rätselhaft oder forsch zeigt.

Produktbeschreibung
Der Autor wirft in seinem neuen Buch kurzweilige Blicke auf die Justiz, die sich menschlich und alltäglich, manchmal aber auch ein wenig schrullig, rätselhaft oder forsch zeigt.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.01.2003

Die Justiz hat viele Diener
Vor Gericht: Benno Hurt spricht Recht und erzählt davon

Schriftsteller - das ist nach Thomas Mann ein "unabweislicher Beruf", nachzulesen in der Novelle "Einfried", in der ein Schriftsteller namens Spinell als empfindsames und dabei schmarotzerhaftes Geschöpf erscheint; Spinell hat Mühe, morgens das Bett zu verlassen, um an das zu gehen, was er "Arbeit" nennt. Es ist eine der selbstquälerisch getönten Beschreibungen, die Mann gibt. Diejenigen, die diesem unausweichlichen Beruf nachgehen, brauchen Anregungen aus dem "wirklichen" Leben. Sie folgen daraus, daß Schriftsteller oftmals nebenher - oder hauptsächlich? - das betreiben, was man einen "ordentlichen Beruf" nennt.

Zahlreich sind Schriftsteller, die den Beruf des Arztes erlernt haben oder den des Juristen. Das eröffnet Einblicke in das Leben, wie es spielt, den Betroffenen mitspielt. Es gibt Juristen, die diesen Beruf aufgeben und Alltagsschreiber werden für Tageszeitungen, aber es kommt vor, daß ein Schriftsteller einen juristischen Beruf ausübt neben dem Schreiben. Es gibt Professoren des Rechts wie Bernhard Schlink, bei dem der juristische Stoff umgewandelt wird in Richtung Kriminalroman. Benno Hurt ist nebenher (oder hauptsächlich?) Richter. Das Handbuch der Justiz für das Jahr 2000 weist ihn aus als Richter am Amtsgericht Regensburg, ohne Vermerk eines geminderten Pensums und einer entsprechend gekürzten Arbeitszeit. Der Richter Hurt nimmt sich zum Objekt die Justiz in ihren Erscheinungsformen, so wie er selbst sie erfährt. Das ist eine andere Art des Schreibens, als sie etwa Theodor Storm betrieb, der auf kaum mehr erkennbare Weise seinen "Stoff" aus seinem richterlichen Amt schöpfte. Gänzlich anders sieht es bei Goethe aus, dem die Alltagsarbeit des Juristen meilenfern entrückt war.

In den knappen Skizzen, die Hurt zu Papier bringt, geht es um den Gerichtsalltag unserer Tage, ohne den Versuch einer gründlichen Verfremdung. Der langjährige Jugendrichter Hurt liefert Momentaufnahmen von der Bewährungshilfe. Mit verhaltener Sympathie entwirft Hurt eine Typologie der Sozialarbeiterinnen, bei denen die gute Absicht dicht benachbart ist der Gefahr selbstgerechter Bevormundung. Die Laienrichter kommen ins Bild, ohne jeden Anflug des Hochmuts, der den studierten Juristen gegenüber diesen Teilhabern an der Rechtsprechung anwandeln mag. Die Gerichtsdolmetscher treten auf. Der erstinstanzlich urteilende Strafrichter hat es nicht selten zu tun mit Angeklagten, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind. Eine russische Dolmetscherin gibt Hurt Anlaß für eine zarte Schilderung einer sich anbahnenden Beziehung, die - wahrscheinlich - weit vor dem Ende des gesellschaftlich als zulässig Geltenden zu einem Ende kommt, also nach heute herrschender Ansicht bevor sie eigentlich begonnen hat. Hurt zeigt da ganz nebenbei, daß man ohne drastische Schilderung von Einzelheiten durchaus auskommt, ja daß in der Diskretion ein besonderer Reiz liegen kann.

Geradezu mit Liebe nimmt sich Hurt der unteren Diener der Justiz an, der Beamten, die in den Geschäftsstellen ihren Dienst tun, an Rechtskenntnissen gelegentlich mit den Richtern näherungsweise gleichziehend, aber sich selbst den Anspruch auf Gleichrangigkeit versagend, weil dies zu unnötigen Bitterkeiten führen müßte. Ohne Hochmut zeichnet Hurt die Neigung von Justizwachtmeistern zum pünktlich einzunehmenden Frühstücksbrot auf (in Bayern vorzugsweise mit der Zutat des Leberkäs') als eine notwendige Ausdrucksform einer beruflichen Selbstbescheidung.

Die verschiedenen Abarten des studierten Juristen kommen vor: der der Pensionsgrenze entgegenalternde Zivilrichter, der weiß, daß er dem Strafrichter an juristischer Begrifflichkeit überlegen ist, der Staatsanwalt, der den Vorurteilen nicht leicht entrinnen kann, die das Bild des Berufs bestimmen. Sie alle haben gemeinsam das Leiden an einem Amt, dessen Forderungen über ein langes Arbeitsleben hinweg schwer zu erfüllen sind. Am Rande erscheint, ein wenig schemenhaft, die Gerichtsreporterin, die bei den Justizwachtmeistern das Angebot der täglichen "Fälle" abholt und die nur allzu selten etwas findet, was für ihre Zeitung einen Treffer ausmachen kann.

Der Richter, der schreibt, ist in der Versuchung, als Autor seine eigene Rechtsmittelinstanz zu werden, also berufliche Enttäuschungen abzureagieren. Daraus können Konflikte folgen mit der Obrigkeit, die es auch für den kraft Verfassung unabhängigen, nur dem Gesetz unterworfenen Richter gibt. Hier mögen Züge des Autobiographischen zutage treten, etwa wenn Hurt die Unterredung zwischen dem Landgerichtspräsidenten und einem Richter beschreibt, die daraus folgt, daß dieser etwas geschrieben hat, was dem Präsidenten als unter Standesgesichtspunkten unpassend zu rügen von seiner Obrigkeit aufgegeben ist. Der Versuchung freilich, den Herrn Präsidenten schriftstellernd abzukanzeln, erliegt Hurt nicht. Er bleibt weit entfernt davon, eine Karikatur des Präsidenten zu entwerfen, wie sie etwa Kurt Tucholsky gezeichnet hat, der allerdings einer Juristenlaufbahn entsagt hatte. Hurts Präsident führt mit dem seiner Aufsicht unterworfenen Richter ein kollegiales Gespräch, und er hat erkennbar zu tragen an der ihm zugewiesenen, mit einem etwas größeren Dienstzimmer nebst Vorzimmer karg genug belohnten Aufgabe. Er nimmt es hin, ein wenig resignierend, daß der unterstellte Richter ihn kollegial vereinnahmt mit dem Hinweis auf das, was "wir Juristen" gelernt haben.

Der Verfasser des Vorworts zu diesem Buch, Heribert Prantl, hat nicht - wie Hurt - den Versuch unternommen, praktizierender Jurist, sogar in dem verpflichtenden Amt des Richters, zu sein und zugleich Autor, der auf umfassendere Weise frei ist. Prantl war Richter und Staatsanwalt, ist ausgeschieden und bewegt sich in der freien Wildbahn des Justiz- und Gesellschaftskritikers als Innenressort-Chef bei der "Süddeutschen Zeitung". Prantl nennt Hurt einen "zärtlichen Porträtisten" der Justiz. Prantl ist ihr manchmal gnadenloser Kritiker, sofern sie sich nicht seinen Vorstellungen fügt, wie sie eine hinnehmbare Gesellschaft zu gestalten hätte. Hurt sagt nicht, wie die Justiz anders zu sein hätte als die, die wir haben. Damit bewahrt er eine besondere Art der schriftstellerischen Unabhängigkeit.

Eine Dame, Vertreterin eines gedachten Vereins für die Wahrnehmung der Interessen "vergewaltigter und belästigter Frauen und Mädchen", tritt bei Hurt mit den - für seine Verhältnisse - scharfen Zügen einer Karikatur auf. Zu deren Merkmalen macht er die Sprache jener Dame, vor allem ihre gänzlich unbefangene Befangenheit in von ihr selbst keineswegs erkannten Vorurteilen. So gewappnet, tritt sie den Vertretern des Volkes gegenüber, die in Justizpalästen am ehesten vorkommen, den unteren Justizbeamten, die sich, anders als die studierten Justizpersonen, die Freiheit nehmen dürfen, eine so auftretende Dame nicht recht ernst zu nehmen.

Zählen die Arbeiten von Benno Hurt zu dem, was die Note "Literatur" verdiente? Schwer zu sagen. Im Gewand der sanft vorgetragenen gesellschaftskritischen Absicht stellt sich die Kunstfertigkeit des Autors dem Urteil. Gelegentlich kann da als Merkmal die Treffsicherheit beim Finden der Namen dienen. Erfundener Personen. Dabei bleibt Hurt hinter Autoren zurück, die als Schriftsteller anerkannt sind. Die Dame vom Verein vergewaltigter und belästigter Frauen heißt Jabuschinsky-Rotluft. Das ist ein bißchen zu deutlich, als daß es so überzeugen könnte wie etwa Bendix Grünlich bei Thomas Mann.

FRIEDRICH KARL FROMME.

Benno Hurt: "Der Samt der Robe". Erzählungen aus der Justiz. Lichtung Verlag, Viechtach 2002. 206 S., br., 13,20 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Es gibt Autoren, eröffnet Friedrich Karl Fromme seine Besprechung, die sind von Haus aus Ärzte oder Juristen; ihnen verschafft ihr Beruf Einblicke ins normale Leben, dem sie fortan in ihrer Schriftstellerexistenz entsagen werden. Nur wenige Autoren arbeiten weiter in ihrem Beruf; Fromme führt Bernhard Schlink an - und Benno Hurt, der am Amtsgericht Regensburg tätig ist. Seine Erzählungen findet Fromme ziemlich gut. Zum einen, weil Hurt die Geschichten nicht benutzt, um seine beruflichen Enttäuschungen abzureagieren; zum anderen, weil er die Leser nicht belehrt, wie die Justiz sein könnte. Hurt schildere in seinen knappen Erzählungen den Justizalltag der heutigen Zeit, fasst Fromme zusammen, ohne Versuch einer Verfremdung. Mit Sympathie und ohne (richterliche) Arroganz skizziere er in kleinen Portraits und Geschichten die Leute in und um das Gericht: die Gerichtsdiener, die Bewährungshelferinnen, den Laienrichter oder den Gerichtsdolmetscher. Die kriminelle Seite scheint dagegen nicht vorzukommen, zumindest wird sie vom Rezensenten nicht erwähnt. Dieser lobt, dass sich Hurt eine innere Unabhängigkeit bewahrt habe; aber ob die Erzählungen das eigenständige Label "Literatur" verdienen, lässt Fromme offen.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Benno Hurt ist Richter; als Mund der Justiz. Aber er ist zugleich Auge und Ohr. Er ist also Richter und Zeuge zugleich. Zum einen spricht er selbst Recht - zum anderen beobachtet er all die, die den Lauf der Gerechtigkeit und der Aktenwägen organisieren: Anwälte, Wachtmeister, Inspektoren. Er beobachtet sie mit scharfem und zugleich liebevollem Auge, er hört hinein die die Geschäftsstellen, Schreibstuben und Wachtmeistereien. Er möchte wissen, was sich hinter der Bühne tut ... (Heribert Prantl im Vorwort)