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Der aus ursprünglich vier separaten Teilen bestehende Roman spielt im Zeitraum vom Winter 1973 bis zum Winter 1974, in der Endphase der durch Unterdrückung und Gewalt gekennzeichneten Herrschaft des Präsidenten Park Chung Hee. In verschachtelten Rückblenden, in Bewußtseinsströmen und Reflexionen einer vielfach gebrochenen Identität nimmt der Leser teil an den Bemühungen eines etwa zwanzigjährigen jungen Mannes, unter den verwirrenden Bedingungen seiner Zeit sich selbst zu finden und seine Beziehungen zu den Menschen seiner Umwelt sowie seine Rolle in der Gesellschaft zu bestimmen.Die…mehr

Produktbeschreibung
Der aus ursprünglich vier separaten Teilen bestehende Roman spielt im Zeitraum vom Winter 1973 bis zum Winter 1974, in der Endphase der durch Unterdrückung und Gewalt gekennzeichneten Herrschaft des Präsidenten Park Chung Hee. In verschachtelten Rückblenden, in Bewußtseinsströmen und Reflexionen einer vielfach gebrochenen Identität nimmt der Leser teil an den Bemühungen eines etwa zwanzigjährigen jungen Mannes, unter den verwirrenden Bedingungen seiner Zeit sich selbst zu finden und seine Beziehungen zu den Menschen seiner Umwelt sowie seine Rolle in der Gesellschaft zu bestimmen.Die originellen narrativen Strukturen des zwischen 1980 und 1983 entstandenen Buches verändern die gewohnte Beziehung zwischen Autor, Text und Leser - die verschachtelte Konstruktion der Geschichte, die Identitätsspaltungen der Personen, die konsequente Perspektive auf die Hauptfigur und aus ihr heraus erzeugen viele Leerstellen, die der Leser füllen muß, um gewissermaßen zum Mitgestalter des Textes zu werden.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.07.2012

In die Fremde hinein
Koreas Kafka: Yi In-Seong über eine bleierne Zeit

Der 1953 geborene koreanische Autor Yi In-Seong ist ein Meister der doppelten Böden und Seelenspiegelungen. Der Absurdität des als "Fiktion" empfundenen totalitären Alltags begegnet er mit avantgardistischer Literatur und, wie er schreibt, der "Rache der realistischen Phantasie": Der vierteilige Roman "Jahreszeiten des Exils" von 1983 ist ein Initiations- und Herzensbildungsroman als Kontrapunkt zur Entwicklungsdiktatur.

Der Roman spielt zwischen Winter 1973 und Winter 1974. Es ist die Zeit der vierten Republik nach Einführung der Reformen, die die Alleinherrschaft von Präsident Park Chung Hee untermauerten. Das undurchdringliche Kontrollsystem führte zu studentischen Streiks und Demonstrationen. Im Mittelpunkt des Werks, in dem sich Bewusstseinsströme und Zeitebenen überlagern, steht die Gefühlswelt eines jungen Mannes ohne Eigenschaften und Namen in der Existenzkrise. Er wurde wegen politischer Aktivitäten vom Studium ausgeschlossen und zum Militärdienst in die Provinz einberufen. Der erste Teil schildert die Busfahrt des Helden von dort zurück in seine Heimatstadt Seoul.

Der belebten Natur wie der "Bauchhaut" der Berge steht seine "eingeschlossene Seele" gegenüber. In Yis Universum erinnern Strommasten an Zeitwächter, Stauseen an Denkblockaden. In der bis in Sprachregelungen technokratisch gesteuerten Gesellschaft sind noch die "harten Worte Steine" und Stereotypen. Ironisch spielt der Autor mit dem Genre der Heimkehrliteratur, indem er in den glücksfernen Zeiten der Diktatur fragt, wohin der Held über sein "Zuhause hinaus" zurückkehrt.

Die schwierige Selbstvergewisserung der zu Systemmarionetten degradierten Menschen ist bei Yi zur nihilistischen Redewendung des "Daseins des Nichtseins" oder der "Schatten von Menschen" geronnen. Der zweite Teil dann beschreibt, unterbrochen von in surrealistischen Sequenzen und Rückblenden aufgearbeiteten Generationenkonflikten, die Reise in die Nähe der demilitarisierten Zone zum Grab des Vaters. In das offene Grab unter dem des Vaters steigt sein Schatten und Alter Ego ab.

Gepflegt schildert der Autor, eine Art Kafka Koreas, paranoide Verlustgeschichten und Abschiednahmen vom alten Ich, von Autoritäten und Führerfiguren, Häutungsprozesse am "Scheitelpunkt des Lebens". Das Spiegelkabinett der Identitäten erreicht im dritten Teil "Er und ich, jetzt einander gegenüber", der eine Theateraufführung an der Universität beschreibt, den Höhepunkt: Hier ist der Held Autor des Stücks, Hauptfigur als Vatermörder auf der Bühne und kritischer Zuschauer.

Als Ausbruch aus einer illusionären Welt voller Spiegel, Schatten und Beschattungen beschreibt der vierte Teil des Romans die Selbstfindungsreise des Helden aus Seoul an die abgelegene Ostmeerküste. Hier findet er die "Landschaft, die mir jenes unglaubliche Darüberhinaus offenbarte". Als Ausweg aus der "Sackgasse des Bewusstseins" entwickelt Yi einen kreativen Nihilismus. Die "ruinenhaft tote Landschaft" lässt dem Antihelden sein "Treibgut des Lebens" Revue passieren. In Visionen begegnet er dem Alter Ego des Landsers, der im Kinderglauben lebt, sein Gewehr könne niemanden erschießen, und der früheren Geliebten. Erst das Exil lässt ihn die verlorenen Worte, Widerstandsgeister und Liebesgesten wiedererlangen.

STEFFEN GNAM

Yi In-Seong: "Jahreszeiten des Exils". Roman.

Aus dem Koreanischen von Kim Sun-Hi und Edeltrud Kim. Edition Peperkorn, Thunum 2011. 318 S., geb., 22,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Als einen Meister des doppelten Bodens und der Seelenspiegelungen bezeichnet Steffen Gnam den Autor Yi In-Seong. Ein bisschen Kafka entdeckt er bei dem koreanischen Schriftsteller auch, der in diesem vierteiligen Roman von 1983 eine Initiationsgeschichte im Jahre 1973 schreibt, für Gnam als Kontrapunkt zur Diktatur unter Park Chung Hee. Held ist ein junger Dissident, den Yi In-Seong, untermalt von Generationenkonflikten und surrealistischen Momenten, auf Selbstfindungstour schickt. Für Gnam ist das Buch ein Beispiel für einen "kreativen Nihilismus" als "Ausweg aus der 'Sackgasse des Bewusstseins'".

© Perlentaucher Medien GmbH