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Lothar Lienicke und Franz Bludau zeichnen die Geschichte Michael Gartenschlägers nach. Seinen spektakulären Widerstand gegen ein Regime, dessen Menschenverachtung er der Weltöffentlichkeit vor Augen führen wollte. Die Autoren haben aber auch nach akribischen Recherchen rekonstruiert, wie nicht nur Mielkes Ministerium für Staatssicherheit, sondern auch die Bundesrepublik zu Zeiten der Entspannungspolitik reagierten. Insofern stellt das Buch "Todesautomatik" ebenso eine Würdigung der Person Gartenschlägers sowie ein tragisches Kapitel der deutsch-deutschen Geschichte dar.

Produktbeschreibung
Lothar Lienicke und Franz Bludau zeichnen die Geschichte Michael Gartenschlägers nach. Seinen spektakulären Widerstand gegen ein Regime, dessen Menschenverachtung er der Weltöffentlichkeit vor Augen führen wollte. Die Autoren haben aber auch nach akribischen Recherchen rekonstruiert, wie nicht nur Mielkes Ministerium für Staatssicherheit, sondern auch die Bundesrepublik zu Zeiten der Entspannungspolitik reagierten. Insofern stellt das Buch "Todesautomatik" ebenso eine Würdigung der Person Gartenschlägers sowie ein tragisches Kapitel der deutsch-deutschen Geschichte dar.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Ausstattung, Stil, Herangehensweise - Rezensent Detlef Kühn hält diese politische Biografie für rundum gelungen. Die Dokumente im Anhang gestatten Einblicke in "die Arbeitsweise des MfS, aber auch der westdeutschen Justiz". Überdies ist das Buch "spannend geschrieben" und beruht auf gründlicher Recherche, lobt Kühn. Entscheidend ist für ihn aber, dass Lothar Lienicke und Franz Bludau dabei das Leben des mit 32 Jahren an der innerdeutschen Grenze erschossenen Michael Gartenschläger in größere politische Zusammenhänge einordnen. Auch für Menschen, die die geschilderte Zeit miterlebt haben, gibt es in diesem Band noch Neues zu entdecken und später Geborenen hilft es, einen Zugang zu dieser "aufregenden und in ihrer Komplexität oft verwirrenden Phase der Deutschlandpolitik" zu bekommen, ist Kühn überzeugt.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 04.02.2002

„Zur Vermeidung weiterer Provokationen”
Michael Gartenschläger musste mit seinem Leben bezahlen, dass er die DDR als Unrechtsstaat brandmarkte
LOTHAR LIENICKE/FRANZ BLUDAU: Todesautomatik. Stamp Media, Kiel 2001, 456 Seiten, 25,51 Euro.
Strausberg im August 1961: Für den 17-jährigen Lehrling Michael Gartenschläger ist sein Heimatort, östlich von Berlin gelegen, ein spießiges Nest; West-Berlin dagegen gilt als„die frisch-fröhliche Ergänzung des Alltags”. Der Mauerbau am 13. August bedeutet für den jungen Mann zunächst „kein Schallplattennachschub mehr, keine heißen Klamotten, keine Western-Hefte, keine ,Bravo‘, keine subversiven Filme...” Gartenschläger und vier Freunde protestieren. „Macht das Tor auf!” und „Freie Wahlen!” pinseln sie an Scheunentore und Garagen. Dann zünden sie eine Scheune an – als Fanal gegen die Mauer. Die „konterrevolutionäre Terrorbande” wird festgenommen. Beim Schauprozess im Kulturhaus Strausberg droht der Staatsanwalt mit der Todesstrafe. Schließlich werden Michael Gartenschläger und sein Freund Gerd Resag zu lebenslänglichem Zuchthaus verurteilt, die anderen drei zu fünfzehn, zwölf und sechs Jahren Haft.
Mit ihrem Buch „Todesautomatik” haben es sich Lothar Lienicke und Franz Bludau zur Aufgabe gemacht, das kurze Leben des Michael Gartenschläger nachzuzeichnen. Sie tun dies mit kritischer Distanz, dabei einfühlsam, ja liebevoll. Eindringlich schildern sie seine Leidenszeit.„Wenn Sie sich entsprechend führen, können Sie in zwölf bis fünfzehn Jahren ein Gnadengesuch stellen”, sagt zu ihm der Leiter des Torgauer Gefängnisses. Als Staatsverbrecher darf er nicht mal Päckchen empfangen. Seine Eltern sieht Gartenschläger nur viermal im Jahr, für jeweils eine halbe Stunde. Als sie sterben, darf er nicht zu den Beerdigungen. Im Zuchthaus Brandenburg muss er es mit mehr als zwanzig Inhaftierten in der Zelle aushalten, mit Mördern, Räubern, Triebtätern.
Zunehmende Gleichgültigkeit
Zwei Ausbruchsversuche scheitern. Man stuft Gartenschläger als „erziehungsunwürdigen Sondersträfling” ein und hält ihn wochenlang in verschärfter Einzelhaft. Einmal klettert er auf den fünfzig Meter hohen Schornstein der Haftanstalt und fordert von dort aus mit Erfolg die Aufhebung der totalen Isolation für die „Sondersträflinge” sowie die Erhöhung der Brotrationen.Fast zehn Jahre ist Gartenschläger eingesperrt. 1971 von der Bundesregierung freigekauft, lebt er fortan in Hamburg, wo er Lienicke kennen lernt, der ebenfalls in der DDR politischer Häftling gewesen ist. Es sei jedermanns Pflicht, etwas gegen das Unrecht im SED-Staat zu tun, mahnt Gartenschläger seinen neuen Freund. Zwischen 1972 und 1975 holen die beiden als Fluchthelfer 31 Menschen aus der DDR. Wann immer ihm Hilfsbedürftigkeit begegnet sei, schreibt Lienicke, habe sich Gartenschläger verpflichtet gefühlt beizustehen. Die zunehmende Gleichgültigkeit in Westdeutschland gegenüber dem allgegenwärtigen DDR-Unrecht sei ihm unverständlich gewesen.
Den Autoren ist es gelungen, verständlich zu machen, wie Gartenschlägers Geradlinigkeit ihn geradewegs an die DDR-Grenze führt, wo er und Lienicke im Frühjahr 1976 zwei Selbstschussapparate demontieren. Im Spiegel wird umgehend die Funktionsweise der „Todesautomaten” veröffentlicht, deren Existenz die DDR-Führung bis dahin bestritten hat. Als sich Gartenschläger am 30. April1976 erneut in Begleitung seines Freundes Lienicke dem DDR-Grenzzaun nähert, erwartet sie ein Stasi-Kommando „zur Vermeidung weiterer Provokationen und zur Festnahme oder Liquidierung”. Getroffen von neun Kugeln stirbt Gartenschläger im Alter von 32 Jahren.
Die Todesschützen werden im März 2000 vom Landgericht Schwerin freigesprochen. Mit beeindruckender Klarheit analysieren Lienicke und Bludau Tatumstände, Strafprozess und Urteil. Sie halten den Freispruch der drei Stasi- „Kämpfer” für skandalös. Seit Herbst 1997 sind in Berlin drei Vorgesetzte der Schützen wegen Totschlags angeklagt, darunter der bald 90-jährige Stasi- General Karl Kleinjung. Doch sieht sich die Strafkammer des Berliner Landgerichts unter Richter Füllgraf seit vier Jahren überfordert, den Prozess zu terminieren.
Die Lebensgeschichte Michael Gartenschlägers, so die Autoren im Vorwort, verdeutliche, mit welcher Rigorosität das DDR-System, das um des Machterhalts willen die Menschenrechte mit Füßen trat, auf jemanden reagierte, der dem Unrecht kompromisslos Widerstand entgegensetzte. Es zeige aber auch die Macht des Einzelnen, des „kleinen Mannes”, aus dem Gefühl der Verantwortung heraus mit Protestaktionen die menschenverachtende Praxis bloßzustellen und so einen Prozess zu ihrer Beseitigung mitanzustoßen. Das Buch ist einer Form der Zivilcourage gewidmet.
ROMANGRAFE
Der Autor arbeitet als freier Journalist in Frankfurt/Main
Der seinerzeitige Führer des Stasi-Kommandos, Walter Lieberamm (oben rechts), das den „Provokateur” Michael Gartenschläger (rechtes Bild) in der Nacht zum 1. Mai 1976 erschoss – hier mit seinem Anwalt Peter- Michael Diestel, dem letzten Innenminister der DDR. Lieberamm und die beiden Mitangeklagten wurden im März 2000 vom Schweriner Landgericht freigesprochen.
Foto:dpa/SZ
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.02.2002

Selbstschuß und Todesschuß
Michael Gartenschlägers Kampf gegen das real existierende Unrecht

Lothar Lienicke/Franz Bludau: Todesautomatik. Die Staatssicherheit und der Tod des Michael Gartenschläger an der Grenzsäule 231. Vertrieb durch Stampmedia GmbH, Hamburg 2001. 456 Seiten, 25,50 Euro.

Michael Gartenschläger wurde nur 32 Jahre alt. Fast zehn Jahre seines kurzen Lebens verbrachte er in Gefängnissen und Zuchthäusern der DDR. Wenn ihm nun eine politische Biographie gewidmet wird, dann ist das schon ein ungewöhnlicher Versuch. Er ist aber gelungen. Dem Zeitzeugen der Ereignisse vor über 25 Jahren bietet das sorgfältig recherchierte Buch Erinnerungen und manches neue Detail. Dem jüngeren, zeitgeschichtlich interessierten Leser kann er den Zugang zu einer aufregenden und in ihrer Komplexität oft verwirrenden Phase der Deutschland-Politik nach dem Kriege erleichtern.

Im Jahre 1961 war Gartenschläger ein Schlosserlehrling in Strausberg bei Berlin, der am 13. August durch die Sperrmaßnahmen der DDR mit seinen Freunden von den Freizeitvergnügungen und Informationsmöglichkeiten im nahen West-Berlin abgeschnitten wurde. Die jungen Leute wollten spontan Widerstand leisten, malten antikommunistische Parolen an Wände und ließen sich leider auch zur Brandstiftung an einer alten Scheune hinreißen. Das Regime reagierte auf diese jugendliche Torheit mit brutaler Härte. In einem Schauprozeß, bei dem das Urteil von vornherein feststand, wurde der noch minderjährige Gartenschläger, ebenso wie ein Freund, zu lebenslangem Zuchthaus verurteilt, wovon er neun Jahre und zehn Monate verbüßen mußte, bis ihn die Bundesrepublik endlich freikaufen konnte.

Diese unmenschliche Strafe hat Gartenschläger nicht gebrochen, aber sicherlich entscheidend dazu beigetragen, daß seine Abneigung gegen das DDR-Regime in blanken Haß umschlug. Er wollte etwas gegen das real existierende Unrecht tun. Zusammen mit seinem Freund Lienicke, dem Mitautor des jetzt vorliegenden Buches, verhalf er innerhalb von drei Jahren 31 Personen zur Flucht aus der DDR. Dem Ministerium für Staatssicherheit (MfS) blieb das natürlich nicht verborgen. Berühmt wurde Gartenschläger jedoch erst, als er 1976 innerhalb weniger Wochen mit Glück und technischem Geschick zweimal an der Zonengrenze installierte Selbstschußgeräte der DDR abbaute und diese mörderischen Waffen, die gegen die eigene Bevölkerung gerichtet waren und die Wirkung von Dumdumgeschossen hatten, der Öffentlichkeit präsentierte. Bei einem dritten Versuch in der Nacht vom 30. April zum 1. Mai geriet Gartenschläger in einen vom MfS gelegten Hinterhalt und wurde von vier "Kämpfern" kaltblütig erschossen.

Die letzten hundert Seiten des spannend geschriebenen Buches behandeln die Ereignisse nach Gartenschlägers Tod und vor allem nach der Wende, als einigen der Täter im wiedervereinigten Deutschland der Prozeß gemacht wurde. Er endete mit Freisprüchen, da den Schützen nicht widerlegt werden konnte, daß sie zumindest in Putativnotwehr gehandelt hatten. Mit diesem Urteil setzen sich die Autoren mit Sachverstand auseinander. Man muß ihnen zubilligen, daß sie gute Gründe für die Annahme haben, Gartenschläger habe von vornherein "liquidiert" werden sollen, sein Tod sei von der Führung des MfS, wenn nicht sogar beabsichtigt, so doch billigend in Kauf genommen worden. Der irdischen Gerechtigkeit dient dies Ergebnis nicht mehr. Es wird aber wenigstens das Urteil der Geschichte zugunsten des Opfers beeinflussen.

Zu den Vorzügen des Buches gehört, daß es das Leben Gartenschlägers in die Ereignisse der "großen Politik" einordnet. Dabei werden die Schlachten der siebziger Jahre um Sinn oder Unsinn der Ostpolitik der SPD-FDP-Koalition noch einmal geschlagen. Selbst wer, wie der Rezensent, den Autoren dabei in ihrer kritischen Einstellung nicht folgen mag, muß zugeben, daß Gartenschläger Grund hatte, mit der Zurückhaltung der westlichen Gesellschaft gegenüber dem offenkundigen Unrecht in der unmittelbaren Nachbarschaft unzufrieden zu sein. Er wollte die Öffentlichkeit aufrütteln, und das ist ihm zeitweise auch gelungen. Allerdings mußte er dafür mit seinem Leben bezahlen. Die Todesautomaten "sicherten" noch acht Jahre lang die DDR-Staatsgrenze gegen Fluchtversuche der eigenen Bevölkerung. Dann wurden sie abgebaut, weil Honecker in Vorbereitung seines Staatsbesuchs in Bonn und als Gegenleistung für den von Strauß "eingefädelten" Milliardenkredit etwas für das Image der DDR tun wollte.

Der gediegen ausgestattete Band endet mit Dokumenten, die Einblicke in die Arbeitsweise des MfS, aber auch der westdeutschen Justiz bieten - etwa wenn letztere es für möglich hält, Gartenschläger könnte durch den Abbau eines Todesautomaten gegen das Waffengesetz verstoßen haben. Die Namen hoher MfS-Offiziere, die schon aufgrund ihrer Stellung Personen der Zeitgeschichte sein dürften, werden nur abgekürzt wiedergegeben. Allerdings kann man die meisten von ihnen anhand einschlägiger Veröffentlichungen unschwer identifizieren.

DETLEF KÜHN

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