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Produktdetails
  • Verlag: Chemnitzer Verlag
  • Seitenzahl: 233
  • Abmessung: 240mm
  • Gewicht: 1130g
  • ISBN-13: 9783928678636
  • ISBN-10: 3928678639
  • Artikelnr.: 09735385
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.06.2001

Schelm, wer Kunst dabei denkt
Marianne Brandts Stern glühte kurz und schuf dabei große Leuchten

Während die hochfliegenden Ideen und Ideologien der Moderne längst bruchgelandet sind, stürzt sich das postmoderne Zeitalter mit der Gier der Nostalgiker auf deren ästhetische Hinterlassenschaften. Ohne den "Bauhausklassiker", sozusagen das kleine Schwarze in Möbel- oder Accessoireform, kommt heute kein gehobener Inneneinrichter mehr aus. Der Konsens scheint unangreifbar: Nichts eignet sich besser, um fortschrittliches, aber zugleich durch eine bedeutende Tradition legitimiertes ästhetisches Bewußtsein zu demonstrieren.

Zu den wiederbelebten Fundsachen aus dem gewinnbringend durchforsteten Bauhausarchiv gehört ein Tee- und Kaffeeservice, eine der ersten Arbeiten von Marianne Brandt aus der Metallwerkstatt und zugleich eine der berühmtesten des Bauhauses überhaupt. Es kostet als Replik bei Alessi heute rund 45 000 Mark und unterstreicht damit den elitären Anspruch, den die gestrenge Bauhausästhetik in der gehobenen Kulturgüterindustrie behauptet.

Die 1893 geborene Marianne Brandt gehört, anders als ihr Förderer Làszló Moholy-Nagy, zu den weniger bekannten Bauhaus-Figuren. Doch vor allem ihre Entwürfe von Leuchten und Tischgerät, alle recht bald nach ihrem Eintritt ins Bauhaus 1924 entstanden, sind als Lehrbeispiele in wichtige Designsammlungen eingegangen. Während die aus getriebenem Silber gefertigten "Teeextraktkännchen" kaum für jene industrielle Fertigung gedacht waren, die Walter Gropius vorschwebte, entsprachen ihre bestechend schlichten und eleganten Lampen den Vorstellungen aufgeschlossener Leuchtenfabrikanten. Die Leipziger Firma Kandem verkaufte zwischen 1928 und 1932 mehr als 50 000 Bauhaus-"Beleuchtungskörper", darunter viele nach Entwürfen Marianne Brandts.

Die auf Fotografien schwerblütig wirkende Brandt verließ das Bauhaus 1929, arbeitete noch kurze Zeit für Gropius in Berlin, bis dieser emigrierte, leitete dann die Entwurfsabteilung einer Metallwarenfabrik und schlug sich nach 1932 als Malerin mit auffallend volksnahen Motiven und mit kleinen Gestaltungsaufträgen im heimatlichen Chemnitz durch. In der Nachkriegszeit wirkte sie als Dozentin an der Dresdner Hochschule für Werkkunst und ging 1951 bis 1954 ans Institut für industrielle Gestaltung in Ost-Berlin. Ihr Bauhaus-Niveau sollte die Künstlerin bis zu ihrem Tod 1983 nicht mehr erreichen.

Ein umfangreicher, nach einer etwas undurchsichtigen Logik illustrierter Band dokumentiert nun zum ersten Mal ihr Leben und Werk. Die Texte - wer sie verfaßt hat, wird außer beim künstlerischen Testament Marianne Brandts, den Erinnerungen von Hans Brockhage, einem Schüler Brandts, und einem verquasten Essay von Alberto Alessi nicht klar - würdigen zwar das merkwürdig heterogene Werk und die Person. Eine kritische Einbettung in die moderne Designgeschichte vermißt man hingegen. Auch die bohrende Frage, warum ihr Stern so schnell verglühte, bleibt letztlich offen. Waren es nur die widrigen Zeitläufte, denen Brandt nicht auszuweichen verstand, oder lag es vielleicht doch eher daran, daß sie weder Theoretikerin war noch in den diskursprägenden Disziplinen der Kunst oder Architektur brillierte? Es scheint, als habe genau diese mangelnde Identifikation mit der modernen Ästhetik ihre weitere Entwicklung behindert.

BARBARA BASTING

Hans Brockhage, Reinhold Lindner: "Marianne Brandt". , . . . Hab ich je an Kunst gedacht'. Chemnitzer Verlag, Chemnitz 2001. 233 S., Abb., geb., 39,80 DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Barbara Basting scheint es zwar grundsätzlich zu begrüßen, dass hier ein Band über die wenig bekannte Bauhaus-Künstlerin, die in wenigen Jahren einige recht bedeutende Werke (Tafelgeschirr, Lampen) geschaffen hat, erschienen ist. Doch bleiben für die Rezensentin nach der Lektüre einige Fragen offen. Zum einen bemängelt sie, dass bei den meisten Texten nicht ersichtlich ist, wer sie überhaupt verfasst hat. Auch vermisst sie eine "kritische Einbettung in die moderne Designgeschichte". Vor allem aber hätte Basting doch gerne mehr darüber erfahren, wieso Brandts "Stern so schnell verglühte". Denn für die Rezensentin bleibt unklar, ob es eher an den geschichtlichen Umständen gelegen hat oder vielmehr daran, dass Brandt nicht als Theoretikerin hervortrat bzw. nicht "in den diskursprägenden Disziplinen der Kunst oder Architektur brillierte". Insgesamt sieht die Rezensentin hier jedoch das Werk und die Künstlerin durchaus gewürdigt.

© Perlentaucher Medien GmbH