48,00 €
inkl. MwSt.
Versandkostenfrei*
Sofort lieferbar
payback
0 °P sammeln
Produktdetails
  • Verlag: Brinkmann u. Bose
  • Seitenzahl: 622
  • Erscheinungstermin: Oktober 2003
  • Deutsch
  • Abmessung: 238mm x 149mm x 40mm
  • Gewicht: 968g
  • ISBN-13: 9783922660804
  • ISBN-10: 3922660800
  • Artikelnr.: 11644622
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 29.10.2003

Tanz auf dem Flip-Flop-Kippschalter
Bordschreiber auf dem Ozean der Zeichen und Signale: Bernhard Siegerts Logbuch der Wissenschaften in der Passage zum Digitalen
Bernhard Siegert lässt die okzidentale Weltgeschichte aus Büros und Laboratorien hervorgehen, also aus der schlecht beleumdeten Bürokratie des Staates und der Wissenschaften. Dort sitzen die tintebefleckten Leute, die nach Gottfried Benns verächtlichem Wort im männlichen Sitzen das höhere Abendland produziert haben. Aber Siegerts neue Sicht der Dinge führt minuziös den Nachweis, dass die Alte und die Neue Welt überhaupt nur aus Graphien, aus ihrem Geschriebensein in Texten, Zahlen, Protokollen und Formeln hervorgehen konnte. Die alte Heldenhistorie zeichnete nur eine Art unruhiger Fieberkurve, unter der das stille Kontinuum der Inquisitionen, Vermessungen, der Experimente und Automaten läuft.
Bernhard Siegert ist Professor für Geschichte und Theorie der Kulturtechniken an der Bauhaus-Universität in Weimar. Dort hat er ein Forschungsprogramm entwickelt, das die Schicksale des Wissens und der Wissenschaften sowohl im Gebrauch der Bilder, Zahlen und Zeichen als auch in ihrer Kopplung mit Medien und Institutionen verfolgt.
Möglich geworden ist dieses Programm durch Michel Foucault, der im Anschluss an Nietzsche eine neue Wissenschaft begründete. Diese Historiographie beschreibt nicht mehr den in Bibliotheken niedergelegten Geist, sondern sie analysiert die Disziplin, die Regeln und die Macht, die diesen Schreiberhänden die Feder führten. Friedrich Kittler hat im Anschluss an Foucault vor Augen geführt, wie seit 1800 zunehmend Maschinen an die Stelle dieser Schreibhände und Denkerköpfe rücken. Und Cornelia Vismanns vor drei Jahren erschienene Geschichte der Akten erbrachte den Nachweis, dass auch das Recht ein Medienschicksal hat. „Staat” heißt der geschriebene Zustand (état) eines Landes. Der Staat taucht aus den Möglichkeiten der Welt empor, seit die Souveräne die buchhalterische Bestandsaufnahme der Landesverhältnisse befahlen und systematisch Daten erhoben.
Reiche des papiernen Königs
Was Cornelia Vismann in das 17. Jahrhundert legt und als seitdem gängige Regierungspraxis ausweist, hebt bei Bernhard Siegert früher an. Dieser frühere Beginn in einer beginnlosen Welt hängt mit einer Erweiterung der Perspektive zusammen, denn der Staat selbst und das ihn begründende Wissen setzen Verfahren und Methoden voraus. Eine Wissenschaft der Welt gibt es nur dank technischer Erfindungen wie Schrift, Papier, Tinte, Buchstaben, Zahlen, Rubriken, Spalten. Die Historie der „Zeichenpraktiken” erfasst mithin nicht nur die Spuren der Schreiberhände, sondern zunächst die materiellen, technischen und graphischen Bedingungen.
Wir Bürokratieverächter können uns kaum noch vorstellen, dass dieses Aufschreiben der Aufschreibepraktiken eine spannende Geschichte ergeben könnte. Aber ein solches Kunststück führt uns Bernhard Siegert vor. Sein Buch bietet ein hinreißendes intellektuelles Vergnügen. Allerdings ist es Wissenschaft, die in ihrer Genauigkeit, ihrem theoretischen Anspruch und ihrer konsequenten Zusammenführung von Zeichenpraxis und Medien, von Technik und Notation an den Leser erhebliche Anforderungen stellt. Denn es geht ihm darum, jenen langen Lauf der Dinge nachzuzeichnen, an dessen Ende die „Passage des Digitalen” möglich wird. Dieser Parcours besteht aus kleinen, hell erleuchteten Augenblicken in einer Teleologie der Moderne, die ihr Schicksal heute nicht mehr der Zuverlässigkeit von sitzenden Beamten anvertraut, sondern den immer komplexer gebauten und immer schneller oszillierenden Schaltungen, die nur noch ja oder nein sagen. Der Leser sieht sich nicht nur mit einem gewaltigen Anekdotenschatz unterhalten, der die Geschichte der Wissenschaften mit Foucault als Reich der Ereignisse und Dinge durchleuchtet; er wird auch durch die sorgsam in Formeln, Funktionen, Schaltplänen dokumentierte Diskursgeschichte der Mathematik und vieler ihrer Anwendungen geleitet.
Die von Bernhard Siegert aus dem Kontinuum der Welt ausgeschnittene Zeit und aus dem Meer der Graphien geschöpften Beispiele sind die vier Jahrhunderte von 1500 bis 1900. Er steckt einen weiteren Rahmen als das von Foucault in „Les mots et les choses” analysierte Zeitalter der Repräsentation. Diese Repräsentation, so wird uns gezeigt, bildete nicht das letzte Geheimnis, das jener Epoche ihre Einheit verlieh. Es war vielmehr die Heraufkunft einer Methode, die diese Kohärenz garantierte: die Analysis, das mathematische Verfahren, jeden Punkt von Raum und Zeit exakt anzuschreiben.
Siegerts feierlich auf den Thron dieser Epoche und ihrer Errungenschaften gehobener Held ist Kaiser Philipp II, der aktenverliebte „papierne König”. Philipp setzte eine Reihe von Verwaltungsreformen in Gang, die die vollständige kartographische Erfassung Amerikas einleiteten und erhebliche Fortschritte in der Navigationswissenschaft anregten. Indem durch Philipp über die Praxis der Seefahrt hinaus eine Wissenschaft der Navigation und ihrer Medien in die Welt kam, konnte überhaupt die „Experimentalwissenschaft” entstehen.
Damit war etwas angestoßen, was vor allem in der Royal Society weitergeführt wurde: Zunächst schaffte man das Untersuchungsmodell der gerichtlichen Inquisition ab. Die Royal Society begründet einen neuen Typ von Zeugenschaft (Daten), Beweisverfahren und Urteil. Damit ergreifen nach und nach Instrumente und Medien die Macht und bereiten jenen fundamentalen Wandel um 1800 vor, den Foucault noch als Wiederkehr der Sprache beschrieb, als Selbsterkenntnis der Wörter. Siegert setzt hier erneut an und zeigt, dass nun auch ein neues Schreiben einsetzt, das Selbstschreiben der Dinge, die wie Chladnis Klangfiguren im Schall oder auch die Funken der Elektrizität eine andere physikalische Dimension erschließen als nur Körper, die bis dahin die Grundlage der Physik bildeten.
Epoche der Klangfiguren
Diesem neuen Paradigma der Wellen, der Flüsse und der Ströme, die das Reale ausmachen, aber nur mit Hilfe von Medien bei ihrem Tun beobachtet werden können, folgt dann auch eine neue Mathematik. Lange Zeit hält die Entwicklung der Differential- und Integralrechnung mit der Beschreibung dieser unruhigen Natur Schritt. Aber es musste eine in regelmäßigen Bewegungen schwingende Natur sein. Erst mit Fourier erhebt sich eine neue Welt der unperiodischen Ereignisse aus Schall und Rauch empor. Alle Weltphänomene können nun als regelmäßig und unregelmäßig oszillierende Einheiten Geltung erlangen. Sie dürfen sich so geben, weil auch Zickzacklinien in Fouriers Integral aufgeschrieben werden können.
Das ist, wie Siegert es nennt, der große Riss, der die alte Welt und die neue Welt trennt. Mit dem Take-off der Medien setzt auch die Epoche des rein Symbolischen und der elektrischen und elektronischen Steuerungen ein, die uns immer noch umschlossen hält. Der Gang der Dinge wird nun weiter verfolgt über Chladni, Soemmering, Kant, Hegel, Ørsted, in deren Namensreihe unwiderstehlich jenes Gespenst erscheint, das man das postcartesische Subjekt nennen könnte. Das ist der seiner absoluten Souveränität des Bewusstseins beraubte Mensch. Gleichzeitig damit läuft eine theoretische Entwicklung der Mathematik, an deren Ende die Erkenntnis steht, dass den Zahlen (wie den Wörtern) im Prinzip nichts in der Welt entspricht, dass sie also freie Erfindungen des Menschengeistes sind. Und das Ende des Buches und einer alten Welt markiert die Erfindung des Flip-Flop-Kippschalters, in der Raum und Zählen, Welt und Befehl, zusammenfallen. Das Subjekt überlebt mit Mühe und Not als „Funktion von signalverarbeitenden Instrumenten”.
Was Bernhard Siegerts Geschichte der Zeichenpraktiken so einzigartig und zukunftweisend macht, gleich ob man ihre kühnen Verbindungen und Befunde teilt oder nicht, ist der Einschluss der Disziplinen Philosophie, Mathematik, Physik, Psychoanalyse in eine Diskursanalyse. Siegerts Diskursanalyse verortet auch jene großartigen Wissenschaften in einem Feld, wo sie nicht als Herren ihres Schicksals auftreten. Welche Erkenntnisse zu einer bestimmten Zeit möglich sind, bestimmen eben nicht die Professoren oder Erfinder. Diese Voraussetzung einer den Fährnissen des Möglichen und Zufälligen ausgesetzten Wissenschaft fasst die das Buch durchziehende paradigmatische Reihe der Navigation zusammen.
In seinem Vorwort merkt Bernhard Siegert an, dass er dieses Buch auch als eine Geschichte des Meeres, der Wellen und der Seefahrt hätte schreiben können. Für eine solche Historie könnte ein anderer Beamter der neuzeitlichen Welterfassung bürgen, nämlich der königliche Sekretär an Bord der spanischen Schiffe seit etwa 1400. Nach einem Befehl Alfons des Weisen sollte ein solcher Bordnotar alle Dinge festhalten, die sich „unterwegs von Tag zu Tag ereigneten”. Siegert sieht sich selbst als einen Widergänger dieses Sekretärs, freilich als Beobachter zweiter Ordnung, der auf dem Ozean der Geschichte des Wissens nicht alle, aber die großen Ereignisse dieser Passage festhält. So setzt er seinen Namen auf ein brillantes Werk der Wissenschaftsgeschichte, das mit den schönsten Seeabenteuerbüchern mithalten kann. Große Wissenschaft, glänzende farbige, dramatische und detailreiche Darstellung: Bewegte Bilder aus der Historie des Wissens in einem liebevoll gestalteten Buch. Tolle et lege!
MANFRED SCHNEIDER
BERNHARD SIEGERT: Passage des Digitalen. Zeichenpraktiken der neuzeitlichen Wissenschaften 1500-1900. Brinkmann & Bose Verlag, Berlin 2003. 622 Seiten, 48 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
…mehr

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.09.2003

So macht Medientheorie Laune
Famos: Bernhard Siegert erzählt die Geschichte der Mathematik

Medientheoretiker übersetzen Literatur in Technik, sie bilden Benjamin Franklin, den Erfinder des Blitzableiters, auf Frankenstein, Mary Shelleys Schöpfer des elektrisch animierten Monsters, ab. Ist es jedoch wirklich nötig, immer neue Details aus Schriften von Goethe, Nietzsche, Heidegger oder Kafka im Licht der Medientheorie zu deuten?

Bernhard Siegert hat jetzt eine monumentale Studie über die "Zeichenpraktiken der neuzeitlichen Wissenschaften" vorgelegt, die den Überdruß an der Medientheorie bestätigt - und ihn zur selben Zeit grandios widerlegt. Der ebenso lapidare wie hermetische, voraussetzungsvolle Stil, die mathematischen Formeln und fremdsprachigen Zitate stoßen den medientheologisch Uneingeweihten zurück, sollte er sich durch Erich Brinkmanns bibliophile Gestaltung des Bandes angezogen fühlen. Doch die Fülle teils exotischer, teils klassischer, aber für den Kulturhistoriker ungewohnter Quellen, die Siegert vor uns ausbreitet, der Reichtum der Beziehungen, die er zwischen ihnen knüpft, die Delikatesse, mit der er die ungeheuren Stoffmassen philosophisch durchdringt - sie elektrisieren uns trotz der Schicht auftrumpfender Manierismen, unter denen Siegert herumstolziert. Muß immer alles "ganz", "exakt", "streng" oder "präzise" sein, wie vom Standpunkt des allwissenden, Laplaceschen Dämons aus gesehen, welcher in ein und derselben analytischen Formel die Bewegungen der größten Himmelskörper und die des leichtesten Atoms umfaßt und vorausberechnet?

Dieser Gestus ist um so erstaunlicher, als es in Siegerts Buch gerade um das Ende der determinierten Welt von Laplace geht und um den Anfang einer neuen Welt, in der sich kontingente Daten nicht mehr durch eine stetige Funktion beschreiben lassen. Zur Geschichte dieses Begriffs der "Funktion" von Newtons Lehrer Barrow bis Cantor sagt Siegert inhaltlich zunächst nichts anderes als das, was wir auch im Historischen Wörterbuch der Philosophie nachlesen können, vor allem, daß in dem halben Jahrhundert zwischen Leonhard Euler und Jean-Baptiste Joseph Fourier etwas nicht mehr Dar- und Vorstellbares auftritt und die Welt kontinuierlicher Kurven sprengt. Siegert erreicht jedoch auf geniale Weise sein Ziel, die historische Textur dieses Kontinuums zu rekonstruieren: So können wir hören, wie der Vorhang reißt, und wir sehen, wie der Fels zu "Cantor-Staub" zerfällt.

Um das Unhörbare hörbar zu machen, erzählt Siegert die Geschichte der Mathematik nicht als Fortschreiten einer "autarken symbolischen Ordnung", als dialektische Bewegung reiner Begriffe. Sondern er betrachtet ihre Aussagen "streng" nach Michel Foucault "als Ereignisse und Dinge", die innerhalb eines weitläufigen kommunikativen Resonanzraums mit anderen Aussagen, Handlungen, technischen Erfindungen, experimentalwissenschaftlichen Versuchsanordnungen, künstlerischen Methoden, philosophischen Begriffen oder bürokratischen Verfahrensordnungen zusammenstoßen. Diese Stöße, Beben und Erschütterungen erzeugen ein bestimmtes historisches Klangbild, ein Muster von Analogien und Korrespondenzen, die Siegert mit phänomenal trainierter Sensibilität verzeichnet. Solche Korrespondenzen sind etwa: der Einsatz des neuen, vergänglichen Mediums Papier und die Vorstellung, in einer Welt kontingenter Tatsachen zu leben; die bürokratische Verwaltung der neuen Welt durch die Kosmographen Philips II. und die Entstehung der modernen experimentellen Wissenschaften; der Buchdruck mit beweglichen Lettern und das algebraische Buchstabenrechnen; die Gleichursprünglichkeit der Zahl Null, der Leerstelle im typographischen Zeichensatz und des Fluchtpunkts der zentralperspektivischen Repräsentation; die politische Arithmetik staatlicher Bürokratie und ihre Ontologisierung in der Metaphysik und dem Infinitesimalkalkül von Leibniz.

Dann kommt der große Knall und Blitz, der Einbruch des Diskontinuierlichen und der nichtanalytischen Funktionen, die es beschreiben: Auf einem Kupferstich wird der Physiker Georg Wilhelm Richmann in seinem Labor von einem Blitz erschlagen, der die Gestalt eines Eulerschen Impulsdiagramms hat. Siegert liest dem Bild die "neue Ordnung der elektrischen Medien" ab, in der "das Reale" sich selbst aufschreibt. Der Mensch ist in dieser Ordnung gleichzeitig Subjekt und Objekt. Um das "klassische Denken" zu retten, wollte der Philosoph Immanuel Kant diese Unterscheidung "transzendental" festschreiben. Doch die heroischen Selbstversuche etwa eines Johann Wilhelm Ritter lassen das mit seinem elektrischen Unbewußten rückgekoppelte menschliche Dasein fortan zwischen Batteriepolen oder Schaltzuständen oszillieren, zusammen mit Froschbeinen, guillotinierten Köpfen oder somnambulen Körpern.

In diesem cancan tanzenden "Diskursraum" des Unnatürlichen, Anorganischen, Verkrampften, Diskontinuierlichen wird das Dasein und seine neue Mathematik durchzuckt von zickzackförmigen telegraphischen Signalschriften, Treppenliniengraphen, Kathodenstrahlen; es spiegelt sich in Boris Karloffs vernarbtem Gesicht, Schaltplänen rückgekoppelter Ströme, die aus Verstärkerröhren Radiosender machen, oder - seit dem Ersten Weltkrieg - schließlich in Röhren, die Ingenieure zu künstlichen Gedächtnissen und digitalen Elektronenhirnen verschalten.

Auf den Schiffen Philips II., schreibt Siegert, hatte ein Schreiber während der Querung des Raums über alle Menschen und Dinge Buch zu führen. Der "rechnende Raum" des elektromagnetischen Imperiums dagegen schreibt sich selbst. Wir Menschen sind nur "Funktion von signalverarbeitenden Instrumenten", so wie das frühneuzeitliche Sekretärssubjekt "Effekt von Instrumenten, Maschinen und Codes der Repräsentation" war. Dieses allgemeine Fazit bekräftigt nur aufs neue die bekannten Dogmen der Diskurs- und Medientheorie. Siegert rekonstruiert quellennah den Sitz der scheinbar geschichtslosen mathematischen Kultur im bürokratisch verwalteten oder elektrisch geschalteten Leben. So schreibt er die orthodoxe Medienhistorie nicht nur gelehrt fort. Er erzählt auch eine spannende Schauergeschichte.

CHRISTOPH ALBRECHT

Bernhard Siegert: "Passage des Digitalen". Zeichenpraktiken der neuzeitlichen Wissenschaften 1500-1900. Verlag Brinkmann und Bose, Berlin 2003. 622 S., 72 Abb., geb., 48,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Manfred Schneider ist von diesem Buch über die Geschichte der Zeichenpraktiken von 1500 bis 1900 absolut begeistert. Dass eine Schilderung der "Aufschreibepraktiken", wie Bernhard Siegert sie hier vorgelegt hat, überhaupt "spannend" sein kann, hatte sich der Rezensent nicht vorstellen können, nun ist er aber angenehm überrascht, was für ein "hinreißendes intellektuelles Vergnügen" die Lektüre darstellt. Allerdings verlangt das Buch durch seine wissenschaftliche "Genauigkeit" und den hohen "theoretischen Anspruch" seinen Lesern einiges ab, warnt Schneider. Nimmt man aber diese Anstrengungen auf sich, wird man nicht nur durch einen "gewaltigen Anekdotenschatz" amüsiert, sondern zugleich durch eine "sorgsam in Formeln, Funktionen, Schaltplänen dokumentierte Diskursgeschichte" geführt, so der Rezensent beeindruckt. Was die Darstellung für ihn so "einzigartig und zukunftweisend" macht, ist Siegerts Verschmelzen von Philosophie, Mathematik, Physik und Psychoanalyse zu einer "Diskursanalyse", so Schneider hingerissen. Der Rezensent preist das Buch als "brillantes Werk", das bei aller Wissenschaftlichkeit auch neben den "schönsten Seeabenteuerbüchern" bestehen könne, weil es derart fesselnd und unterhaltsam ist, und er ist beinahe überwältigt von dieser "glänzenden, farbigen, dramatischen und detailreichen" Studie.

© Perlentaucher Medien GmbH
…mehr