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Fleet Street, Ende der sechziger Jahre. John Dyson, Leiter der Abteilung für das Kreuzworträtsel und Vermischte Meldungen, träumt von Fernsehruhm und dem Leben eines Gentleman, als sich ihm eines dämmrigen Morgens endlich seine große Chance bietet.
Mit scharfem Auge und einer gehörigen Portion britischen Humors erzählt Michael Frayn in seinem brillanten Klassiker vom Niedergang der Fleet Street.

Produktbeschreibung
Fleet Street, Ende der sechziger Jahre. John Dyson, Leiter der Abteilung für das Kreuzworträtsel und Vermischte Meldungen, träumt von Fernsehruhm und dem Leben eines Gentleman, als sich ihm eines dämmrigen Morgens endlich seine große Chance bietet.

Mit scharfem Auge und einer gehörigen Portion britischen Humors erzählt Michael Frayn in seinem brillanten Klassiker vom Niedergang der Fleet Street.
Autorenporträt
Michael Frayn, 'einer der klügsten britischen Schriftsteller' (Frank Schirrmacher, FAZ), wurde am 8. September 1933 in London geboren, wo er auch heute als äußerst erfolgreicher Dramatiker, Romancier, Drehbuchautor und Übersetzer mit seiner zweiten Frau, Claire Tomalin, Autorin von Biographien und Literaturkritikerin, lebt. Er begann seine Karriere als Journalist beim Guardian und beim Observer in den sechziger Jahren. Die Erfahrungen aus dieser Zeit flossen nicht nur in seinen Roman 'Gegen Ende des Morgens' ('Towards the End of the Morning', 1967), sondern auch in sein erstes bedeutendes Theaterstück ein, 'Alphabetical Order' (1976). Später übersetzte er Tschechow ins Englische. Michael Frayn erhielt für seine Romane zahlreiche Auszeichnungen und Preise. So wurde zum Beispiel 'The Tin Men' (1965) mit dem Somerset-Maugham-Preis ausgezeichnet, 'The Russian Interpreter' (1966) mit dem Hawthornden-Preis, 'Das verschollene Bild' ('Headlong', 1999), die Geschichte der Entdeckung eines

verlorengegangenen Bruegel-Gemäldes, wurde für den Booker-Preis nominiert, sein Roman 'Das Spionagespiel' ('Spies', 2002, deutsch 2004) erhielt den Whitbread-Roman-Preis. 2006 erschien in Großbritannien sein Sachbuch 'The Human Touch: Our Part in the Creation of the Universe', bei Faber and Faber in London.Zu seinen ebenfalls vielfach ausgezeichneten Theaterstücken gehören u. a. 'Copenhagen' (1998), das die Begegnung zwischen den Physikern Werner Heisenberg und Niels Bohr 1941 schildert, und 'Democracy' (2003), das im Berlin der sechziger Jahre spielt.'Gegen Ende des Morgens' hat seit der Erstveröffentlichung in Großbritiannien viele Auflagen erfahren und liegt das erste Mal in deutscher Übersetzung vor.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.11.2007

Duft der Druckerschwärze
Michael Frayns Erstling / Von Felicitas von Lovenberg

Nichts erinnert heute an der Londoner Fleet Street an die bisweilen ruhmreiche, mitunter turbulente, auf jeden Fall stets aufregende Vergangenheit der Straße als Heimat der großen Zeitungshäuser. Die Nachrichtenagentur Reuters hielt immerhin noch bis vor ein paar Jahren durch, doch die meisten Verlage verabschiedeten sich bereits in den Achtzigern von der Gegend. Doch auch wenn sich dort inzwischen vor allem Anwaltsfirmen niedergelassen haben, steht Fleet Street noch immer für das englische Zeitungswesen in seinen ehrwürdigeren Zeiten vor dem Siegeszug des Boulevards.

Es muss tatsächlich eine denkwürdige Ära gewesen sein, wenn selbst der große englische Skeptiker Michael Frayn sich mit einem Anflug von Rührung daran erinnert. Als er von 1962 bis 1968 beim "Observer" arbeitete, hing über dem ganzen Viertel der "graue, emphatische Geruch von Druckerschwärze" - ein Duft übrigens, der in ihm wie Prousts Madeleine sofort jene "Ehrfurcht und Erregung" wachruft, die er zu Beginn seiner Karriere gegenüber dem Journalistenberuf empfunden hat, wie er im Nachwort verrät.

Von jener Ehrfurcht ist allerdings in "Gegen Ende des Morgens" nicht viel zu spüren, zum Glück. Frayns erster ausgewachsener Roman, der im Original 1967 erschien und den ins Deutsche zu übersetzen bislang trotz des auch hiesigen Ruhms des Autors vierzig Jahre lang versäumt wurde, ist eine zärtliche Persiflage auf das Zeitungsgeschäft, die Wichtigtuerei, Selbstüberschätzung und eine mühsam kaschierte Armut als Hauptmerkmale der schreibenden Zunft entlarvt.

Familienvater John Dyson, Ende dreißig, aber vom gravitätischen Auftreten her gefühlte fünfundfünfzig, leitet das Ressort für Kreuzworträtsel, Naturbetrachtung und Vermischte Meldungen im Gestus jener Abteilungschefs, die allein der Gedanke an alles, was sie zu tun haben, so sehr stresst, dass sie vor lauter Stöhnen und Delegieren kaum mehr selbst zur Sache kommen. Sein Assistent Bob, ein junger Mann von trägem Naturell, lutscht den ganzen Tag über Bonbons und ist so chronisch unfähig zu irgendeiner Form von Aufregung, dass er nicht einmal in Wallung gerät, als seine - mehr aus Bequemlichkeit denn echter Zuneigung geduldete - Freundin Tessa zu Besuch und dann auch noch in sein Bett kommt.

Bob schreibt zwar "wie ein Gott", wie Dyson dem Grünschnabel neidlos versichert, hat aber nicht den Ehrgeiz, seine Situation oder sein Auskommen dadurch zu verbessern. Als Dyson eingeladen wird, an einer politischen Talkshow teilzunehmen, wittert er seine große Chance - und vermasselt den Fernsehauftritt derart gründlich, dass seine Frau daheim kaum noch hinschauen kann. Was aber einer erneuten Aufforderung, an einer weiteren Gesprächsrunde teilzunehmen, natürlich nicht im Wege steht - schließlich hat niemand Relevantes Johns Bildschirmdebüt überhaupt gesehen.

Während sein Vorgesetzter sich also mit den Gesetzmäßigkeiten des Fernsehens, den Schwierigkeiten des Familienlebens und einem renitenten Nachbarn herumschlägt, muss Bob sich mit der plötzlichen Anwesenheit Tessas und den Avancen seiner Vermietern arrangieren - und überdies tatenlos zusehen, wie ein neuer Kollege, den er gerade noch gutmütig einarbeiten will, wie ein Wirbelwind in die stille Schreibstube fegt und das ganze Ressort an sich reißt. In Gestalt von Morris Erskine deutet sich an, welcher Typus vom System des Dilettantismus profitiert - und hier erweist sich Frayn geradezu als prophetisch. Des Opportunisten Stunde schlägt, als der brave John Dyson sich auf einer Pressereise an den Persischen Golf befindet, in deren aberwitzigem Verlauf nicht nur das Klischee vom Spesenritter reichlich bedient wird, sondern mit deren genüsslicher Ausmalung Frayn außerdem klarmacht, dass Menschen, die sich solchen Torturen freiwillig unterwerfen, eigentlich nur zu bedauern sind.

In einer rasanten Mischung aus Witz und Tücke spielt Frayn mit Gemeinplätzen, Stereotypen und Vorurteilen - und es spricht für den Roman, dass er auch nach vierzig Jahren trotz einer Reihe von Anachronismen - wie der ratternden Schreibmaschinen, der bierseligen Lunchpausen der Redakteure und ihres Urvertrauens nicht nur in die höhere Relevanz ihres Berufsstandes, sondern auch die Unkündbarkeit der eigenen Stellung - voller Vitalität ist und überdies nichts an Humor verloren hat. Dabei war selbst damals in der Fleet Street nicht erst das Ende des Morgens, sondern schon des Nachmittags hereingebrochen - "und die Abenddämmerung dräute bereits am Horizont".

Michael Frayns Stern hingegen ging da gerade erst auf. Wie untrüglich sein Gespür für Situationskomik und die Dramaturgie von Dialogen bereits Jahre vor seinen großen Bühnenerfolgen wie "Noises Off" (Der nackte Wahnsinn) oder "Benefactors" (Die Wohltäter) war, beweist dieser frühe Roman über das ständig sich vergrößernde Chaos im Leben eines Jedermann, der im Amerikanischen denn auch den treffenden Titel "Wider die Entropie" trägt. Nicht nur, wer sich noch an die hinreißende Schriftstellerfarce "I don't know how she does it" (Wie macht sie's bloß?, 1989) erinnert, in der Frayn mit seinen immerfort sich selbst entlarvenden, grundsympathischen Charakteren eine ganze Branche und das alltägliche Liebesverhalten demontiert, wird an "Gegen Ende des Morgens" seine helle Freude haben.

Michael Frayn: "Gegen Ende des Morgens". Roman. Mit einem Nachwort des Autors. Aus dem Englischen übersetzt von Miriam Mandelkow. Dörlemann Verlag, Zürich 2007. 317 S., geb., 21,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Das ist Michael Frayns Erstling, erinnert Felicitas von Lovenberg, und es spricht ihrer Meinung nach einiges für den Autor, dass sich sein endlich ins Deutsche übertragene Debüt auch nach vierzig Jahren noch so munter und herzhaft liest. Den Langzeittest hat Frayn deswegen mit Bravour bestanden, erklärt sich die Rezensentin dies, weil seine Darstellung zweier beschaulicher Redakteursexistenzen, die durch einen neuen ehrgeizigen Journalistentypus empfindlich gestört werden, damals nachgerade "prophetisch" war. Schon in seinem Debüt zeigen sich alle Vorzüge Frayns, vermerkt Lovenberg, von der Situationskomik bis zum dialogischen Talent, und so kann sie diese "zärtliche Persiflage" auf das Geschäft mit der Druckerschwärze auch im digitalen 21. Jahrhundert unbesorgt zum Lesen empfehlen.

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