Marktplatzangebote
2 Angebote ab € 2,00 €
  • Buch mit Leinen-Einband

"Stellen Sie sich Medusa vor, die im falben Widerschein des Bronzeschilds ihr grauenhaftes, verzauberndes Haupt sieht." Paul d'Aspremont folgt seiner schönen Verlobten Alicia Ward nach Neapel, wohin sie ihrer angeschlagenen Gesundheit wegen gereist ist. Er freut sich auf das Wiedersehen, doch das geflügelte Wort "Vedi Napoli e poi mori" - "Neapel sehen und sterben" wird für ihn zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung. Die abergläubischen Neapolitaner sagen dem jungen Franzosen den bösen Blick nach. Muß er sich von seiner Liebe lossagen, um Alicia zu schützen? In dieser phantastischen…mehr

Andere Kunden interessierten sich auch für
Produktbeschreibung
"Stellen Sie sich Medusa vor, die im falben Widerschein des Bronzeschilds ihr grauenhaftes, verzauberndes Haupt sieht." Paul d'Aspremont folgt seiner schönen Verlobten Alicia Ward nach Neapel, wohin sie ihrer angeschlagenen Gesundheit wegen gereist ist. Er freut sich auf das Wiedersehen, doch das geflügelte Wort "Vedi Napoli e poi mori" - "Neapel sehen und sterben" wird für ihn zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung. Die abergläubischen Neapolitaner sagen dem jungen Franzosen den bösen Blick nach. Muß er sich von seiner Liebe lossagen, um Alicia zu schützen? In dieser phantastischen Novelle ergründet Théophile Gautier unsere innersten Ängste und erzählt, wie selbst im Zeitalter der Vernunft Leidenschaft über Logik zu siegen vermag. "Schon manch ein Besucher Neapels, der sich über die Jettatura lustig machte, hat sich vorsichtshalber mit Hörnern gewappnet... Ist der Verstand auch noch so aufgeklärt, irgendwo findet sich immer ein dunkler Winkel, in dem die grauenhaften Schimären der Leichtgläubigkeit kauern und die Fledermäuse des Aberglaubens sich festklammern. Schon das Alltagsleben steckt so voller unlösbarer Probleme, daß das Unmögliche wahrscheinlich wird. Man kann alles glauben oder leugnen: Je nach Blickwinkel ist der Traum ebenso wirklich wie die Wirklichkeit."
Autorenporträt
Théophile Gautier, geboren 30. August 1811 in Tarbes (Département Hautes-Pyrénées), wuchs in Paris auf. Ende der 1820er Jahre trat er dem 'Cénacle' genannten Kreis um Victor Hugo bei. Unter dessen Einfluß wandte sich Gautier der Schriftstellerei zu, arbeitete ab 1836 als Korrespondent für die Presse und verfaßte Artikel zu Gesellschaftsthemen und Kultur, Kunstkritiken und Reiseberichte. Er ist der Wegbereiter einer zweckfreien, nur ästhetischen Maßstäben verpflichteten Kunstauffassung, 'L'art pour l'art'. Théophile Gautier starb am 23. Oktober 1872 in Neuilly-sur-Seine bei Paris.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.04.2006

Getigerte Pupillen
Flirrend: Théophile Gautiers Neapel-Novelle "Jettatura"

Wenn eine Kutsche über einen Stein fährt und stockt, ist das ein Unfall und nichts sonst. Wenn eine junge Engländerin am Golf von Neapel Blut hustet, leidet sie vermutlich am ungewohnten Klima, das ihre Krankheit begünstigt. Und wenn der Strick einer Hängematte reißt, dann war er eben mürbe.

Weil sich all diese Ereignisse aber zu häufen scheinen, sobald der junge Franzose Paul d'Aspremont in der Nähe ist, kommt er unter den Neapolitanern in den Verdacht, er verbreite den bösen Blick, sei also schuld an all dem Unglück. Und damit auch am schlechten Zustand seiner schwindsüchtigen englischen Verlobten.

Man müßte sich kaum mit Théophile Gautiers Novelle "Jettatura" von 1853/57 beschäftigen, wollte er nur den Aberglauben anprangern oder umgekehrt die Räuberpistole vom bösen Blick neu erzählen. Doch Gautier, der gern das Prinzip "L'art pour l'art" beschwor, in der Beschreibung von Farben und Formen schwelgte und mit Gérard de Nerval und Victor Hugo befreundet war, läßt sich weder auf eine Bestätigung noch auf die Widerlegung dieses Aberglaubens ein.

Denn Paul d'Aspremont, das ist der entscheidende Kunstgriff der Novelle, verfällt selbst in einem seltsamen Gemisch aus Einbildung und äußerlicher Zuschreibung dem Wahn, er füge unbewußt und ungewollt denjenigen Übles zu, die er ansehe, was sich speziell gegenüber seiner kränkelnden Verlobten zur Katastrophe auswächst. Daß es zunächst nichts als seine Physis ist, die unter den als zutiefst abergläubisch geschilderten Bewohnern der neapolitanischen Küste den Eindruck des bösen Blicks hervorruft, hilft ihm am Ende wenig, da er im Verlauf der Novelle jeden Zufall selbst in dieser Hinsicht deutet.

Wie es dazu kommt, steht auf den ersten Seiten des Buchs, als Pauls Gesicht beschrieben wird: "Vor allem seine Augen waren außergewöhnlich", heißt es, "die schwarzen Wimpern, die sie einfaßten, paßten nicht zur fahlgrauen Farbe der Pupillen und zum bisterbraunen Ton des Haars. Der recht schmale Nasenrücken ließ sie näher beieinanderliegen, als es das Gesetz der Proportion erlaubt, und in ihrem Ausdruck waren sie wahrhaft undurchschaubar. Schweiften sie umher, spiegelte sich in dem feuchten Schleier eine unbestimmte Melancholie, eine sehnsuchtsvolle Neigung wider; und blieben sie an einer Person oder an einem Gegenstand hängen, zogen sich die Brauen zusammen, näherten sich einander und schnitten eine senkrechte Falte in die Stirn: Die grauen Pupillen färbten sich grün, wurden von schwarzen Flecken getigert, von feinen gelben Fasern durchzogen. Ein scharfer, beinahe kränkender Blick schoß aus ihnen hervor, dann kehrten sie zu ihrer ursprünglichen Sanftmut zurück, und die Gestalt mit dem mephistophelischen Einschlag wurde wieder zu einem jungen Mann von Welt."

Es lohnt sich, diese Passage genauer zu lesen. Es sind die Augen selbst, die sich in seltener Autonomie bewegen, an etwas hängenbleiben oder sich einander annähern. Schließlich ändern sie eigenmächtig ihre Farbe, ein bestimmter Blick schießt unvermittelt hervor, sie werden wieder sanft, und jetzt erst kommt der junge Mann, um dessen Gesicht es geht, wieder ins Bild - als ob er, zwischenzeitlich verdrängt von einer anderen Instanz, nun wieder bis auf weiteres die Regie übernehmen dürfe.

Und so feiert Gautiers flirrendes kleines Kunstwerk, das jetzt in gediegener neuer Übersetzung bei Dörlemann erschienen ist, das große Fest der autonomen Augen. Kein anderes Sinnesorgan kommt hier so zu seinem Recht wie sie, als Medium zur Wahrnehmung der Welt wie auch zu deren radikaler Veränderung. Paul jedenfalls, der anfänglich so gern seine Blicke in der großartigen Bucht schweifen läßt, erlebt seine Augen zunehmend als dominant und bedrohlich, und als es einmal zum Duell mit einem jungen italienischen Grafen kommt, der Pauls Verlobte heiraten will, um sie vor dem bösen Blick zu retten, wie er behauptet, läßt Paul sich und dem Gegner die Augen verbinden, damit er von der tödlichen Waffe in seiner Stirn keinen unfairen Vorteil habe.

Daß er sich jedenfalls am Ende der Novelle nur noch zu helfen weiß, indem er sich blendet, ist keine Überraschung. Der Sklave seines Auges versucht alles, um seine Freiheit zurückzugewinnen. Daß die Verzweiflungstat weder den Tod der Geliebten noch den des Nebenbuhlers verhindert, ist in der Anlage der Novelle nur konsequent. Wenn sich die drei Hauptpersonen schon nicht retten können, so gehen sie wenigstens in Würde unter.

Nur der Commodore, der einst so trinkfreudige, lebenslustige und nicht sonderlich abergläubische Onkel von Pauls Verlobter, überlebt das Drama: "Seine rühmliche Körperfülle ist verschwunden", heißt es, "er schüttet keinen Rum mehr in seinen Tee, redet keine zwei Worte am Tag - der Commodore ist blaß geworden." Wie er die Sache mit dem bösen Blick jetzt einschätzt, erfährt man nicht.

Théophile Gautier: "Jettatura". Novelle. Aus dem Französischen übersetzt von Holger Fock. Dörlemann Verlag, Zürich 2006. 220 S., geb., 17,80 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Kunst- und lustvoll zugleich sei Gautiers Novelle geschrieben, erfreut sich Rezensentin Barbara Villiger Heilig an dem "erzählerischem Bijou" des 19. Jahrhunderts. Schon die Ankunft des Hauptdarstellers Paul im Hafen von Neapel sei ein Fest für die Augen des Lesers, denn Gautier könne den Golf von Neapel "wie mit der Filmkamera" festhalten. Der junge Paul fängt sich in Neapel den "bösen Blick" ein, er wird als Unglücksbringer verschrieen. Als aufgeklärter Mensch glaubt Paul zunächst nicht an solche übersinnlichen Phänomene, doch irgendwie ereigneten sich um ihn herum ständig rätselhafte Unfälle. Gautier selbst, informiert die Rezensentin, hat selbst eine Schwäche für abergläubische Erklärungen gehabt, in "Jettatura" jedoch lässt er den Leser gekonnt im Unklaren, ob etwas dran ist an Pauls "bösem Blick". Gautier bediene sich geschickt bei den Erzählmustern einschlägiger Liebes- und Schauerromane, um sie mit einer steten Ironie in seine formvollendete Novelle zu transponieren. Die Story, analysiert die Rezensentin, handelt von der Möglichkeit des Übersinnlichen, der "eigentliche Text" dagegen von der "Ausweitung der Wahrnehmung durch die Transzendenz der Kunst".

© Perlentaucher Medien GmbH