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Amrita Sher-Gil stirbt 1941 gerade 28 Jahre alt und hinterlässt 172 Gemälde. Heute wird sie als Begründerin der modernen indischen Malerei, als 'indische Frieda Kahlo' gefeiert. Sie lässt sich zwar in Paris ausbilden, kann aber in Europa nicht malen und reist zurück nach Indien. Nur dort, ist sie überzeugt, kann sie die Farben finden, die sie sucht. Kurz vor der Eröffnung einer Ausstellung ihrer Bilder in Lahore stirbt die Künstlerin an den Folgen einer Abtreibung. 'Amrita' steht in der hinduistischen Mythologie für das Elixier der Unsterblichkeit, das die Götter durch…mehr

Produktbeschreibung
Amrita Sher-Gil stirbt 1941 gerade 28 Jahre alt und hinterlässt 172 Gemälde. Heute wird sie als Begründerin der modernen indischen Malerei, als 'indische Frieda Kahlo' gefeiert. Sie lässt sich zwar in Paris ausbilden, kann aber in Europa nicht malen und reist zurück nach Indien. Nur dort, ist sie überzeugt, kann sie die Farben finden, die sie sucht. Kurz vor der Eröffnung einer Ausstellung ihrer Bilder in Lahore stirbt die Künstlerin an den Folgen einer Abtreibung. 'Amrita' steht in der hinduistischen Mythologie für das Elixier der Unsterblichkeit, das die Götter durch Aufschäumen des 'Milchozeans' gewinnen. Angeregt von der indischen Miniaturmalerei zur Illustration mythologischer Geschichten, erzählt Richard Weihe das Leben Amrita Sher-Gils anhand ihrer Bilder.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.12.2011

Flüchtige Inspiration
Richard Weihe entdeckt die Malerin Amrita Sher-Gil

Der Stoff ist ein grandioser Fund. Die ungarisch-indische Malerin Amrita Sher-Gil, die 1913 in Budapest geboren wurde und mit achtundzwanzig Jahren starb, ist bei uns noch immer kaum bekannt, obwohl sie längst als eine der Begründerinnen der modernen indischen Malerei anerkannt ist. Vor wenigen Jahren veranstaltete das Münchner Haus der Kunst eine umfangreiche Ausstellung, die das Werk Amrita Sher-Gils erstmals einem größeren deutschen Publikum vorstellte und sie zugleich im Kreis ihrer ungewöhnlichen Künstlerfamilie porträtierte: Der Vater Umrao, Abkömmling einer reichen und einflussreichen Sikh-Dynastie, widmete einen großen Teil seiner Zeit der Übersetzung heiliger Schriften aus alten orientalischen Sprachen und erprobte sich zugleich als Fotograf; die Mutter Marie-Antoinette, eine ungarische Sängerin jüdischer Herkunft, liebte zeit ihres Lebens große Auftritte; Amritas jüngere Schwester Indira wurde Konzertpianistin.

Das künstlerische Talent der ältesten Tochter zeigte sich früh. Ihretwegen zog die Familie von Indien nach Paris, wo die sechzehnjährige Amrita 1929 als jüngste Studentin an der renommierten École des Beaux Arts aufgenommen wurde. Während ihrer Ausbildung führte sie das Leben einer Bohemienne und gewann zahlreiche Auszeichnungen für ihre Bilder, die Kritiker mit der Farbenfreude Gauguins verglichen. Später kehrte Amrita nach Indien zurück, studierte die Tradition der indischen Tempel- und Miniaturmalerei und führte eine unglückliche Ehe mit ihrem ungarischen Cousin Victor, einem mäßig erfolgreichen Arzt, den sie gegen den Willen ihrer Familie geheiratet hatte. Kurz vor der Eröffnung ihrer ersten Ausstellung in Lahore, dem "indischen Paris", starb Amrita 1941 an einer Blutvergiftung. Der Verdacht war groß, dass die Ursache dafür eine unsachgemäße Abtreibung war, die ihr Mann an ihr vorgenommen hatte.

Wie gesagt, ein grandioser Stoff für einen Roman. So hat es offenbar auch Richard Weihe empfunden, der, wie das Nachwort schildert, von der Münchner Ausstellung so beeindruckt war, dass er sich auf eine längere biographische Spurensuche in Indien und Pakistan begab, zahlreiche Quellen sichtete und sich umfassend über Amritas kurzes Leben informierte. Entstanden ist aus diesen Studien nun aber keine realiengesättigte Biographie, sondern eine Erzählung, die sich etliche Freiheiten gegenüber den Fakten erlaubt und sich immer wieder in die Gedanken der Künstlerin einzufühlen versucht. Es ist nicht das erste Mal, dass der 1961 geborene Richard Weihe, der als Privatdozent an der Universität Witten-Herdecke lehrt, eine literarische Annäherung an die Kunst Asiens unternimmt. 2003 fand sein literarisches Debüt "Das Meer der Tusche", eine Erzählung über einen chinesischen Kalligraphen, breites und zustimmendes Echo.

Diesmal aber ist es Weihe schwerer gefallen, eine angemessene Form für seinen Stoff zu finden. Immer wieder wechselt er die Stillage, oft ohne erkenntlichen Grund. Von Amritas Eltern erzählt er im Ton eines behäbigen Märchenonkels; ihr selbst legt er die Umgangssprache unserer Tage in den Mund: "Amrita ärgerte sich, als sie die Ausstellung aller eingereichten Arbeiten sah. Wie viel Mist war doch darunter!" Auch die Gründe für die sachlichen Veränderungen gegenüber den historischen Quellen, im Anhang sind sie akribisch aufgelistet, erschließen sich nicht immer. Denn warum muss die Amrita des Romans die Modelle für ihr Gemälde "Drei Mädchen" von der Straße holen, während die tatsächliche Malerin die Enkeltöchter ihres Onkels porträtierte? Vermutlich kam es Weihe darauf an, den sozialen Aspekt von Amrita Sher-Gils Malerei zu betonen und den Kontrast zu dem großbürgerlichen Leben ihrer Eltern zu verstärken. Während die Mutter der Erzählung in den Aktbildern ihrer Tochter nichts als "Schweinereien" zu erkennen vermag, begegneten die Eltern der realen Künstlerin viel offener.

Die größte Hürde für Richard Weihe aber bleibt die selbstgestellte Aufgabe, die Entstehung einzelner Gemälde Amritas zu beschreiben. Nun ist es immer eine heikle Aufgabe, die alle Künstlernovellen und -romane zu bewältigen haben, von den flüchtigen Momenten der Inspiration und den oft verschlungenen und schwer nachvollziehbaren Prozessen der Kreativität zu erzählen. Für Weihe stellt sich das Phänomen künstlerischer Originalität weitgehend als recht simples Reiz-Reaktions-Schema dar. Ermuntert von Lehrern und Mentoren, eignet sich Amrita Sher-Gil mit Fleiß und Disziplin immer neue Ausdrucksmöglichkeiten an, bleibt aber, wenn wir Weihes Darstellung glauben, stets auf die Existenz eines passenden Modells angewiesen, dessen Wahl oft mit einem naiven Realismus dargestellt wird, der hinter der Ausdruckskraft ihrer Bilder weit zurückbleibt.

Davon können sich die Leser selbst einen Eindruck verschaffen, denn der Verlag hat dem Buch erfreulicherweise sechs farbige Reproduktionen von Sher-Gils Werken beigefügt, wenn auch mit verwirrenden Titel- und Seitenangaben. Zu jedem der Gemälde wird nun ausführlich eine Entstehungsgeschichte präsentiert, deren Ziel es ist, das jeweilige Sujet mit der Biographie der Künstlerin zu verknüpfen. Manches wirkt dabei recht banal, wenn es etwa über die blendend weißen Gartenmauern auf dem Bild eines Geschichtenerzählers heißt, dass sie "in Wirklichkeit" hellbraun gewesen seien. Welcher Betrachter, der die Bilder van Goghs, Mackes oder eben Gauguins kennt, würde denn einen solchen farbgetreuen Abbildrealismus erwarten? An anderer Stelle verfällt Weihe in den belehrenden Tonfall eines Kunsterziehers, wenn er der Malerin Erwägungen über den Bildaufbau zuschreibt: "Mit dieser klaren geometrischen Folie wollte Amrita den Aufbau der verschiedenen Bildteile festigen." So etwas liest man allenfalls in einer Handreichung für den fortgeschrittenen Kunstunterricht gern, muss aber doch daran zweifeln, ob sich künstlerische Produktivität tatsächlich in solch didaktisch klaren Willensbekundungen äußert.

So bleibt die Heldin dieser Erzählung ein seltsam blasses Zwitterwesen, das zwischen exotischen Lebensumständen und braven Lehrbuchsätzen immer wieder hin und her schwankt. Das unbestrittene Verdienst der Erzählung aber ist es, das faszinierende Werk der Malerin Amrita Sher-Gil vorzustellen und Neugier auch auf ihre übrigen Gemälde zu wecken.

SABINE DOERING.

Richard Weihe: "Der Milchozean". Erzählung in sechs Bildern.

Elster Verlag, Zürich 2010. 232 S., geb., 24,80 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Ein Verdienst hat diese Erzählung laut Sabine Doering, und es ist ein eher unliterarischer: Der Autor macht uns mit der indischen Malerin Amrita Sher-Gil bekannt und weckt Lust, ihr Werk kennenzulernen. Als Erzählung allerdings taugt der Text von Richard Weihe der Rezensentin weniger. Doering moniert seine stilistische Unentschiedenheit zwischen Märchenonkelton und Umgangssprache, zwischen exotischer Biografie und lehrbuchartiger Kunstbetrachtung. So schwierig es auch ist, den Prozess kreativen Schaffens zu erklären und in Worte zu fassen - derart simpel, als Reiz-Reaktions-Schema, wie es sich der Autor in seinem Buch vorstellt, hofft Doering, kann es nicht sein.

© Perlentaucher Medien GmbH