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Für Journalisten ist er ein Star: Alan Rusbridger, seit 20 Jahren Chefredakteur des britischen Guardian, hat seine Zeitung zum führenden kritischen englischsprachigen Blatt gemacht, auf beiden Seiten des Atlantik. Und er hat wie kein zweiter in der Branche die revolutionären Herausforderungen des Internet angenommen. Im vergangenen Jahr erhielt Rusbridger zusammen mit dem Enthüller der amerikanischen Geheimdienstpraktiken Edward Snowden den alternativen Nobelpreis für seine unerschrockene Aufklärungsarbeit im öffentlichen Interesse.
Doch es gibt noch eine ganz andere Seite des
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Produktbeschreibung
Für Journalisten ist er ein Star: Alan Rusbridger, seit 20 Jahren Chefredakteur des britischen Guardian, hat seine Zeitung zum führenden kritischen englischsprachigen Blatt gemacht, auf beiden Seiten des Atlantik. Und er hat wie kein zweiter in der Branche die revolutionären Herausforderungen des Internet angenommen. Im vergangenen Jahr erhielt Rusbridger zusammen mit dem Enthüller der amerikanischen Geheimdienstpraktiken Edward Snowden den alternativen Nobelpreis für seine unerschrockene Aufklärungsarbeit im öffentlichen Interesse.

Doch es gibt noch eine ganz andere Seite des hochdekorierten Journalisten: der Klavierspieler Rusbridger, der sich seinem Instrument mit ähnlicher Hingabe verschrieben hat, wie dem Kampf gegen staatliche Willkür. Als er während eines Workshops in Frankreich einen Hobby-Pianisten Chopins Ballade Nr. 1 spielen hört, packt ihn der Ehrgeiz. Ein Jahr lang übt er jeden Tag 20 Minuten lang das Furcht einflößende Stück, das zu den schwierigsten des Repertoires gehört. In seinem Buch nimmt Rusbridger uns mit an die Grenzen dessen, was ein Freizeit-Musiker an Fingerfertigkeit, Konzentration, Beherrschung und Musikalität erreichen kann. Wir erfahren, was Pianisten wie Murray Perahia, Richard Goode, Emanuel Ax, Daniel Barenboim, Stephen Hough and Alfred Brendel ihm raten, wie Musikhistoriker und -theoretiker ihn anspornen und Neurowissenschaftler ihm auf ganz andere Weise erklären, was Klavierspielen eigentlich ist.

Gleichzeitig sind wir dabei, wie Rusbridger in Tripolis während des Bürgerkrieges in Libyen Reporter aus Geiselhaft befreit, wie er eine komplizierte Partnerschaft mit dem eigenwilligen WikiLeaks-Gründer Julian Assange, der New York Times und dem deutschen Spiegel managt und wie er den Telefon-Abhörskandal des britischen Magazins News of the World an die Öffentlichkeit bringt.
Autorenporträt
ALAN RUSBRIDGER (geb. 1953 in Lusaka im damaligen Nordrhodesien) ist seit 20 Jahren Chefredakteur des britischen 'Guardian' und einer der angesehensten Journalisten weltweit. 2014 wurde ihm der alternative Nobelpreisverliehen ¿für den Aufbau einer globalen Medienorganisation, die sich verantwortlichem Journalismus im öffentlichen Interesse verschrieben hat". Rusbridger hat Englische Literatur studiert und drei Kinderbücher geschrieben. Im Sommer 2015 wird er seinen Posten als Chefredakteur aufgeben und 2016 den Vorsitz des 'Scott Trust' übernehmen, der den 'Guardian' und andere Zeitungen besitzt.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 29.09.2015

Der Preis, um an der Spitze zu bleiben
Alan Rusbridger, ehemaliger Chef des britischen „Guardian“, über die Snowden-Papiere und Klavierballaden
von Chopin, und über die Möglichkeiten, modernen Journalismus und Musik zusammenzubringen
INTERVIEW: CARSTEN HUECK
Er war für einen Tag nach Deutschland gekommen. Und wie immer hate Alan Rusbridger zu wenig Zeit. Dabei spielt er gar nicht mehr täglich Chopin und gab in diesem Jahr auch seinen Posten als Chefredakteur und Herausgeber des Guardian ab. Der Träger des alternativen Nobelpreises 2014 schaut verschmitzt über den Rand seiner Brille. Und lässt sich lächelnd auf ein weiteres Interview ein.
SZ: Gerade ist Ihr Buch „Play It Again – An Amateur Against the Impossible“ auf Deutsch erschienen. Sie erzählen darin von dem Jahr, in dem Sie im Guardian die Snowden-Papiere veröffentlichten und sich vorgenommen hatten, Chopins Ballade Nr. 1 in g-Moll, op. 23 zu erlernen. Erwarten Sie, als Musiker oder doch als Journalist interviewt zu werden?
Alan Rusbridger: Sowohl als auch. Ich hatte mit großem Vergnügen ein Buch über Musik begonnen. Dann flossen aber alle anderen Ereignisse mit ein. Und ich stellte plötzlich Verbindungen her. Wer sich für alles interessiert, wird am meisten Freude mit dem Buch haben.
Chopins Ballade ist eine große Herausforderung – selbst für Profimusiker. Sie sind 1953 geboren, warum wollten Sie nicht einfach ein paar „Beatles-„ oder „Rolling Stones“-Songs nachspielen?
Als Teenager mochte ich die Beatles. Und auch noch ein, zwei andere Gruppen. Aber ich muss zugeben, ihre Lieder sind aus meinem Gedächtnis gelöscht. Das mag schade sein, aber was Musik betrifft, war ich immer ein bisschen snobistisch. Mich fasziniert klassische Musik. Und deswegen lief es darauf hinaus, dass ich Chopin statt Lennon/McCartney spiele.
Mit sechs Jahren begannen Sie im Kirchenchor. Mit acht lernten Sie Klavier, mit zehn Klarinette. Hätte es nicht nahe gelegen, professioneller Musiker zu werden?
Ich bin heilfroh, dass ich das nicht getan habe. Einer meiner Freunde, ursprünglich Klarinettist, entschied sich, professionell Fagott zu spielen, und ich sah, was das bedeutete. Er übte vier Stunden täglich Tonleitern und Arpeggien – diese Art Hingabe hatte ich nicht.
Sind Sie deshalb Journalist geworden?
Das passte besser zu mir. Journalismus ist für diejenigen attraktiv, die nicht in einer einzigen Disziplin gut, sondern vielfältig interessiert sind.
Ihr Buch umfasst die Zeit von Sommer 2010 bis zum Winter 2011, in der Sie mit zahlreichen großartigen Pianisten, darunter Alfred Brendel und Daniel Barenboim in Kontakt waren . . .
Wunderbare, sehr erfolgreiche Musiker. Als ich sie für mein Buch befragte, wurde mir klar, was für einen enormen Preis sie zahlen, um an der Spitze zu bleiben. Es gibt andere, die ebenfalls sehr gut sind, das aber nicht schaffen. Ich habe sehr gute Violinisten getroffen, die den ganzen Tag in irgendwelchen Studios zubringen, um Hintergrundmusik für Suppenwerbung einzuspielen. Dabei würden sie gerne ein Schubert-Oktett spielen. Doch davon können sie nicht leben. Der Beruf des Musikers ist sehr stressig. Mein Buch vermittelt unter anderem die Einsicht, dass es unendlich vergnüglicher ist, ein guter Amateur zu sein als ein fantastischer Profi. Man öffnet eine Flasche Wein, trifft sich mit Freunden und spielt großartige Musik zusammen.
Sie haben WikiLeaks-Materialien und Edward Snowdens Papiere über die Spähpraktiken der NSA veröffentlicht, Einschüchterungsaktionen von Geheimdiensten und Regierungsvertretern widerstanden, und zeitgleich Chopins g-Moll-Ballade geübt, so dass Sie nach einem Jahr öffentlich auftreten konnten. Und Sie haben währenddessen noch dieses Buch geschrieben. Wie macht man das?
Am Anfang wollte ich nur ein paar Notizen darüber machen, wie man die Schwierigkeiten, die das Chopin-Stück einem aufgibt, überwindet. Doch war ich in dieser Zeit mit so vielen spannenden Dingen beschäftigt, dass ich das einfach festhalten musste. Manchmal habe ich abends noch etwas geschrieben, manchmal etwas aufgenommen und zum Transkribieren gegeben. Manchmal habe ich am Wochenende etwas zusammengefasst, so dass ich eigentlich die ganze Zeit am Ball blieb, und am Ende habe ich das alles zu einem Buch zusammengefügt.
      
Wie hat Ihre Familie auf Ihren übervollen Stundenplan reagiert?
Meine Töchter haben irgendwann begonnen, mich „Steven“ zu nennen. Wenn wir uns in der Küche begegnet sind, sagten sie: „Hi, Steven“. Um mir zu zeigen, dass sie mich kaum noch kennen.
        
Sehen Sie Parallelen zwischen der Arbeit des Journalisten und der eines Musikers?
Ich glaube, es gibt mehr Unterschiede als Gemeinsamkeiten. Aber ich war schon als Kind verbissen und stolz. Wenn ich an eine Geschichte glaube und mich Leute dafür angreifen, werde ich umso störrischer. Derselbe Charakterzug zwang mich herauszufinden, wie das Chopin-Stück funktionierte – vielleicht liegt da eine Parallele. Manchmal ist es genauso schwierig, eine Story zu veröffentlichen, wie ein Stück Musik zu spielen. Man muss haargenau den Punkt treffen. In beiden Fällen wollte ich diesen Grad der Perfektion erreichen.
Hatte Sie nie Zweifel, die Snowden-Papiere zu veröffentlichen?
Oh, doch. Ich hatte lange Auseinandersetzungen mit Kollegen und etlichen anderen Menschen. Aber vor allem mit mir. Es stand viel auf dem Spiel. Hier die Balance zu finden, war für mich die größte Herausforderung, der ich mich im Zusammenhang mit einer Veröffentlichung jemals stellen musste.
Um den Chopin spielen zu können, brauchten Sie sieben Lehrer. Wie viele hatten Sie als Journalist?
Viele. Das ist das Schöne am Journalismus, er erlaubt einem Dinge, die es im normalen Leben nicht gibt. Mich interessiert vor allem auch, wie Lehren funktioniert. Ein Lehrer war sehr penibel, er ließ mich nicht spielen, bevor wir nicht mit einem Stift über jede Note geschrieben hatten, mit welchem Finger sie zu spielen sei. Das war anfangs sehr gut für mich, aber schließlich brauchte ich mehr. Ich ging zu Murray Perahia, der mir erst einmal die Geschichte des Stückes erzählte, seine Struktur entfaltete und erklärte, wie es klingen sollte. Und dann ging ich zu einem weiteren Lehrer, den interessierte, wie man in einer bestimmten Passage etwas ausdrückt oder wie das Stück jenseits der Konzentration auf die Anschläge zu Musik wird. Ich denke gerade darüber nach, was für eine Art Lehrer ich noch möchte. Jemanden, der mich zur Disziplin anhält oder einen, der mich in eine wunderbare Musik einführt? Zeit, Anleitung und Begabung – das sind die drei entscheidenden Dinge.
Unterrichten Sie als Zeitungsmann auch junge Journalisten?
Nachdem ich im Sommer meinen Posten beim Guardian zur Verfügung gestellt hatte, habe ich drei Wochen lang in Indien unterrichtet. Das ist sehr faszinierend. Denn wenn man unterrichtet, muss man sich hinsetzen und selbst darüber nachdenken, was man vom Journalismus hält. Viele Journalisten haben niemals Gelegenheit sich die Frage zu stellen: Woran glaube ich? Was mache ich hier? Und wie komme ich zum nächsten Punkt?
        
Und das wäre ?
Man kann Journalismus auf einen Punkt reduzieren: Er ist die akkurate Beschreibung der Welt. Ehrlich und so, dass es den Menschen ermöglicht, den Zusammenhang einzelner Informationen zu verstehen und sie zu verknüpfen. Er muss in der Lage sein, dies schnell und genau zu tun. Das ist keine besonders aufregende Definition, beschreibt Journalismus aber letztlich als das, was er ist. Als ich begann, war alles sehr einfach. Wir schrieben Wörter auf Papierbögen. Wir wussten Bescheid, andere nicht, wir wussten wie man Geld macht. Total einfach. Ein Termin pro Tag.
Was raten Sie einem jungen Menschen, der Journalist werden möchte?
Es gibt bestimmte Fertigkeiten des Journalismus, die ich für unglaublich wichtig halte, beispielsweise das Stenografieren. Ich mache von allem Audio-Aufnahmen, aber wenn man einen Artikel schreibt und sich dann stundenlang Material anhören muss – da ist Steno doch sehr praktisch. Dann ist es auch wichtig, für verschiedene Medien zu arbeiten. Es ist möglich, dass die nächste Generation noch viel stärker visuell ausgerichtet ist. Geschichten in Bildern erzählen – da könnte etwas zu holen sein.
Also sollte man sich die technischen Fertigkeiten rechtzeitig aneignen?
Ich glaube, die größte Veränderung liegt in der Beziehung zum Publikum. Ich habe mich inzwischen vollkommen dem Konzept des „offenen Journalismus“ verschrieben. Der tiefgehende Wandel einer Gesellschaft, in der heute jeder die Möglichkeit hat, Informationen zu teilen und zu veröffentlichen, ist eine Riesensache, für die sich Journalisten extrem interessieren sollten – weil es neue journalistische und ökonomische Modelle geben wird, die daraus hervorgehen werden. Ich würde also sagen: Fang mit dem Journalismus an, aber sei völlig frei in deinem Denken darüber, wie die Leser dir helfen können, die interessantesten und relevantesten Dinge hervorzubringen. Dann hast du sofort einen Vorteil gegenüber all den verschreckten, nicht mehr ganz so jungen Leuten, die in ihrem Newsroom sitzen und sich Sorgen machen, ob ihre Zeitung in sechs Jahren noch existieren wird.
Sie selbst haben den Guardian ins digitale Zeitalter geführt. Sie haben als Herausgeber dafür gesorgt, dass die gute alte Papierzeitung in den Hintergrund tritt und Artikel zuerst im Internet erscheinen.
Auf der ganzen Welt werden tolle Blätter gemacht, doch die bittere Wahrheit ist, dass die Menschen in den meisten Ländern solche Geräte bevorzugen (er zeigt auf sein iPhone). Hier wird diskutiert, geteilt, gelacht, kommentiert. Wir selbst müssen uns aufmerksam darum kümmern, welche Form der digitale Journalismus annimmt. Die meisten Snowden-Papiere veröffentlichten wir nicht in der Printausgabe. Wir haben nicht die Zeitungsdeadline um 20.30 Uhr abgewartet, die war gar nicht in unseren Köpfen. Niemand hatte jemals solches Material gesehen. Es hatte zuvor keinen Whistleblower bei der NSA gegeben. Es waren hochgeheime Papiere – ich wusste, dass das ein Riesending werden würde. Wobei ich am ersten Tag allerdings nicht die Dimension absah, die es dann bekommen hat.
Würden Sie jungen Journalisten raten, auch ein Instrument zu spielen?
Ja, ich glaube schon, dass es für jeden wichtig ist, etwas Manuelles zu machen. Es muss aber nicht Musik sein. Ich habe besonders bei meinen jüngeren Kollegen bemerkt, dass sie die eigenen Hände gebrauchen. Einige backen, einige stricken, manche malen. Wir haben sogar eine Beilage in der Zeitung gestartet, die „Do Something“ heißt, sich also genau diesem Thema widmet. Da geht es um Leute, die etwas tun, anstatt sich – wie meine Generation – abends nur noch vor den Fernseher zu setzen.
„Journalismus ist für
die attraktiv, die nicht nur in
einer Disziplin gut sind.“
„Über jede Note musste
ich hinschreiben, mit welchem
Finger ich sie spielen würde.“
„Die meisten Snowden-
Papiere veröffentlichten wir
nicht in der Printausgabe.“
Ich denke gerade darüber nach, sagt Alan Rusbridger, was für eine Art Lehrer ich noch möchte.
Foto: Getty Images/Jeff J. Mitchell
        
    
Alan Rusbridger: Play It Again – Ein Jahr zwischen Noten und Nachrichten. Aus dem Englischen von Simon Elson. Secession Verlag, Zürich und Berlin 2015.
480 Seiten, 25 Euro.
E-Book 19,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Es ist seltsam, aber man glaubt dem Rezensenten Wolfram Goertz, dass Alan Rusbridger, ehemaliger Chefredakteur des Guardian, das Kraxeln in "Chopins Nordwand", das ja auch erst einmal überambitioniert wirken könnte, dabei half, normal zu bleiben. Goertz zitiert eine Stelle aus Rusbridgers Protokoll seiner Mühen im virtuosen Stück, wo er sagt, dass Chefredakteure, die sich im Glanz von Politik und Gesellschaft sonnen können, eben oft nicht mehr "normal" sind. Aber bei Chopin wird man eben bescheiden und lernt Grenzen kennen, von denen andere in ihrer Arroganz gar nichts ahnen: Etwa, dass man schlecht die Sprünge in der Linken vollführen kann, wenn man es nicht hinkriegt, das Stück auswendig zu lernen. Irgendwann klappt es dann bei Rusbridger, und er schafft es, das Stück vor anderen Amateuren einigermaßen fehlerfrei zu bewältigen. Für Goertz war es eine packende Lektüre.

© Perlentaucher Medien GmbH