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Endlich liegt sie vor, die langersehnte, ausführliche Biografie zur amerikanischen Jahrhundert-Künstlerin Agnes Martin (1912-2004)! Wie hat diese ungewöhnliche Frau gelebt? Wie fand Agnes Martin, die oft als ebenso spröde wie anziehend beschrieben wurde und in hohem Maße auf Autonomie bedacht war, ihren Weg als Malerin? Weshalb verließ sie New York und ihre Freunde (Künstler wie Jasper Johns, Ellsworth Kelly und Ad Reinhardt) schon in jungen Jahren und verzichtete trotz erster Malerfolge jahrelang auf jegliche Kunsttätigkeit? Stattdessen zog sie mit einem Pick-up Truck kreuz und quer durch die…mehr

Produktbeschreibung
Endlich liegt sie vor, die langersehnte, ausführliche Biografie zur amerikanischen Jahrhundert-Künstlerin Agnes Martin (1912-2004)!
Wie hat diese ungewöhnliche Frau gelebt? Wie fand Agnes Martin, die oft als ebenso spröde wie anziehend beschrieben wurde und in hohem Maße auf Autonomie bedacht war, ihren Weg als Malerin? Weshalb verließ sie New York und ihre Freunde (Künstler wie Jasper Johns, Ellsworth Kelly und Ad Reinhardt) schon in jungen Jahren und verzichtete trotz erster Malerfolge jahrelang auf jegliche Kunsttätigkeit? Stattdessen zog sie mit einem Pick-up Truck kreuz und quer durch die USA, bis sie schließlich ihr Zuhause fand: In der Wüste von New Mexiko erbaute sie sich ein Adobe-Haus, in einer Umgebung, die flirrend, leer, magisch und leuchtend ihr zur Inspiration verhalf, Bilder von äußerster Reduktion, Minimalität und Transzendenz zu entwickeln: Flächen, hinter denen sie - die auf Ego-Losigkeit bedachte Buddhistin - verschwinden konnte.
Nancy Princenthal gelingt es dank neu erschlossener Quellen erstmals, Werk und Person in einem klug ausgeleuchteten Bogen zu verschränken, sodass sich beides gegenseitig erhellt. Sie lässt Zeitgenossen und Wegbegleiter von Agnes Martin zu Wort kommen und betrachtet eingehend ihre Lebensorte als Kind, Studentin und Künstlerin. Der sehr anschaulich geschriebene Text gibt auf diskrete Weise Antworten auf die schwierigen Fragen nach dem Woher und Wie dieser außergewöhnlichen Frau - einer Künstlerin, die in der Kunst des 20. Jahrhunderts tatsächlich Einmaliges, Neues und Großes geleistet hat.
Autorenporträt
Prof. Dr. Nancy Princenthal ist eine sehr angesehene US-amerikanische Hochschullehrerin, Autorin und Kunstkritikerin, die sich vor allem mit Künstlerinnen und Feminismus beschäftigt. Bücher, die sie jüngst mitherausbrachte wie The Reckoning: Women Artists of the New Millennium (München: Prestel 2014) und After the Revolution: Women Who Transformed Contemporary Art (München: Prestel 2013) gelten als Standardwerke. Sie unterrichtete u.a. an der Princeton University, der Yale University, an der Rhode Island School of Design und schreibt regelmäßig für Artforum, Parkett, The Village Voice und The New York Times sowie für Art in America, wo sie lange als Senior Editor gewirkt hat. Sie lebt in New York.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 11.04.2017

Abbrüche
und Aufbrüche
Sagen Sie einfach, ich sei Einsiedlerin … Eine
verschlungene Biografie zur Malerin Agnes Martin
VON CATRIN LORCH
Als ich das erste Mal ein Raster machte, habe ich zufällig an die Unschuld von Bäumen gedacht, dass es Unschuld verkörperte. Und deshalb habe ich es gemalt und dann bin ich zufrieden gewesen. Ich dachte, das ist meine Vision.“ So erzählte Agnes Martin vor einem ihrer ersten Gitterbilder, „White Flower“, einem graubraunen Gemälde, das sie im Jahr 1965 mit dünnen weißen Linien überzogen hatte. Wäre es nach ihr gegangen, mehr hätte die Öffentlichkeit auch nicht von ihr erfahren müssen.
Als Agnes Martin ihre Kunst auf diese Formel gebracht hatte, blieb sie bei dem Verfahren. Während der täglichen Arbeitszeit im Atelier zwischen halb neun und halb zwölf maß sie mit Klebestreifen die Abstände auf ihren mit Leinwand bespannten, quadratischen Keilrahmen ab, brachte senkrechte Streifen darauf an, legte die Führung der Zeichenschiene an und zog weitere Linien – in dünnem Grafitgrau, mit Zeichenstiften, Malfarbe. Nachmittags las sie Kriminalromane.
Agnes Martin, geboren im Jahr 1912, war schon mehr als vierzig Jahre alt, als sie zu den „entscheidenden Gemälden fand, für die sie in ihrem fünfzigsten Lebensjahrzehnt Anerkennung erhielt“, schreibt ihre Biografin Nancy Princenthal; die erste bedeutende Retrospektive richtete ihr dann das Whitney Museum in New York aus, da war die Malerin schon achtzig Jahre alt. Das Leben, von dem Nancy Princenthal erzählt, wirkt auf den ersten Blick so trocken und stringent, wie die Kunst, die es hinterließ.
Die in Kanada geborene Amerikanerin Agnes Martin gilt als Ausnahme. Nicht nur, weil sie – wenn auch spät - als eine der wenigen Frauen überhaupt im 20. Jahrhundert als Malerin Anerkennung und Ruhm fand und zu ihrem neunzigsten Geburtstag mit dem Goldenen Löwen der Biennale von Venedig ausgezeichnet wurde. Sondern weil ihr Werk, das sich dem Betrachter in seiner vollkommen gegenstandslosen Ausgeglichenheit bereitwillig öffnet, stumm bleibt in Bezug auf alles Anekdotische, auf Motive, sprechende Titel, Narration und Entwicklung. Lange tat sich die Kunstszene, die von der Schönheit und Qualität dieser Malerei wie geblendet war, sogar schwer, Agnes Martin einer Stilrichtung zuzuordnen. Sie selbst rechnete sich zur Generation der Abstrakten Expressionisten – ihr Umfeld verstand sie als Malerin des Minimal. Als sie zur Ausstellung „The Responsive Eye“ eingeladen war, wurde ihr Geburtsjahr versehentlich auf das Jahr 1921 verlegt – ihr Stil war zuverlässig jünger, als die Malerin, die selbst genauso verschlossen schien wie ihre Kunst. „Sagen Sie einfach, ich sei Einsiedlerin“, riet sie Suzanne Delehanty, einer Kuratorin, die im Katalog gerne mehr erzählt hätte, als dass Agnes Martin aus einer „Familie von Pionieren“ stammte.
Dass Agnes Martin von Wahnvorstellungen gepeinigt wurde, war so kein Thema, erst lange nach ihrem Tod im Jahr 2004 wurde bekannt, dass sie lesbisch gewesen war. Sie hatte das Interesse an ihrer Person zu Lebzeiten abgeblockt, ihre Freunde schwiegen zuverlässig bis über den Tod hinaus. Und auch Nancy Princenthal tut sich als Biografin sichtlich schwer, das Schweigegebot zu durchbrechen, respektiert und zitiert Äußerungen wie den Satz: „Ich ertrage einfach keine Biografie, ich präsentiere nicht mein Leben, sondern nur das Werk.“ So lesen sich die ersten vier, fünf Kapitel ihrer immerhin mit dem Pulitzer Preis ausgezeichneten Biografie wie eine buchstäbliche Umsetzung des Titels: „Agnes Martin. Ihr Leben und Werk“. Mal geht es um Ausbildung, künstlerische Begegnungen, Umzüge und Reisen. Dann werden ausführlich Gemälde vorgestellt. Die Brüche dieser Lebensgeschichte, die schon in frühen Jahren unübersehbar sind, bleiben unerzählt – Nancy Princenthal hält lediglich fest, wie Agnes Martin immer wieder ihrer Schizophrenie wegen hospitalisiert wird.
Nicht einmal die Kindheit wird ausgeschmückt – Princenthals Vorschlag, sich das Mädchen vorzustellen wie ein Kind aus dem Klassiker „Unsere kleine Farm“ passt schon deswegen nicht, weil die angedeutete Idylle von Princenthal selbst durch die Auflistung katastrophaler Ereignisse zerrüttet wird. Der geliebte Vater, er handelt mit Farmgeräten, verlässt die Familie, als Agnes noch nicht einmal drei Jahre alt ist. „Meine Mutter hat niemals darüber gesprochen. Sie hatte ein enormes Pflichtbewusstsein und einen starken Gerechtigkeitssinn“, so die Künstlerin, in deren Tonfall noch die Tapferkeit des kleinen Mädchens anklingt, das lieber ohne Begleitung von Bruder und Schwester von der Schule nach Hause lief, „denn das hätte mich von meiner Gemütsverfassung abgelenkt“.
Die knappen Schilderungen sind respektvoll gegenüber der jungen Frau, die aus finanziellen Gründen zunächst als Lehrerin, unter anderem von schwer erziehbaren Kindern, arbeitet. Doch sie sind übervorsichtig erzählt, die meisten Pointen wie verschenkt. Zum Beispiel, dass Agnes Martin Anfang der Dreißiger Jahre als Köchin in Los Angeles anheuerte, nur um den Sohn der wohlhabenden Familie, den jungen John Huston – damals noch nicht als Regisseur tätig – durch die Gegend zu chauffieren. Oder dass Agnes Martin als hervorragende Schwimmerin die Aufnahme in das olympische Kader nur knapp verpasste, also nicht 1936 nach Berlin zu den Sommerspielen fuhr.
Auch der Beginn der Karriere als Künstlerin – 1941 zieht sie nach New York und schreibt sich auf Anraten ihrer Freunde an der Columbia University ein, 1950 wird sie amerikanische Staatsbürgerin – bleibt wenigausgemalt. Dass sich Agnes Martin in den Fünfzigerjahren in Taos, New Mexico, niederlässt, wird nicht nur mit den Adobe-Bauten und den Textilien des Südwestens begründet, sondern immerhin auch damit, dass man dort „ganz offen schwul und trotzdem ein geachtetes Mitglied der Gemeinschaft sein konnte“, wie der Kurator des Harwood Museum David Witt zitiert wird. Angekommen ist Agnes Martin mit ihren Gemäldenin dieser Zeit noch nicht, „am Ende eines jeden Jahres habe ich immer ein großes Feuer gemacht und sie verbrannt“.
Als jedoch die Galeristin Betty Parsons ihr anbietet, sie auszustellen, wenn sie zurück nach New York käme, zieht sie in ein Loft im Hafenviertel Counties Slip, wo sie inmitten einer deutlich jüngeren Szene landet, weit entfernt von der „geschwätzigen Uptown-Horde“, von denen sie nur wenige – wie Ad Reinhardt– als Freunde akzeptiert. Martin ist anerkannt und auf dem Weg zur Berühmtheit, als sie sich plötzlich wieder aufmacht. Das Preisgeld des National Endowment of the Arts investiert sie in einen Dodge, verschenkt ihre Malsachen, Pinsel, Leinwände und Keilrahmen und bricht in Richtung Pazifik auf.
„Ich bin 1967 aus New York weggegangen, weil ich plötzlich jeden Tag das Gefühl hatte, sterben zu wollen, und es mit dem Malen zu tun hatte …“ Der Einschnitt in das Leben der Künstlerin ist der Wendepunkt des Buches. Aber nicht nur weil das rastlose Leben von Agnes Martin eine neue Richtung einschlägt. Als sei sie nun lange genug die wohltemperierte Erzählerin gewesen, und vielleicht auch, als sei man nach hundert Seiten des Durchhaltens mit dem Leser nun endlich unter sich, holt Nancy Princenthal aus. Und schildert all das bis dahin nur Angedeutete, Ungesagte. Sie berichtet von früheren Einweisungen Martins in die Psychiatrie und von einem Zusammenbruch im Jahr 1967, einer Episode, die inmitten von Ratten und Schmutz im Bellevue Hospital in New York endet. Gewalttätige Mitpatienten, mangelnde Hygiene, Elektroschocks, die Verhältnisse waren so grausam, dass befreundete Künstler einen einflussreichen Psychiater und Kunstsammler um Hilfe bitten mussten, der eine Überweisung in ein anderes Krankenhaus veranlasste. Ein ganzes Kapitel handelt minutiös von Behandlungsmethoden, von berühmten Künstlerinnen, die an Wahnvorstellungen litten und zitiert aus Sylvia Plaths „Glasglocke“; drastischer und präziser geht es nicht.
Dabei lässt Princenthal nun Künstler wie Harmony Hammond zu Wort kommen, die Ende der Siebzigerjahre bei einer Reise mit Martin über ihre „Wächter und Drachen“ sprach. „Sie sagte, ihre Stimmen rieten ihr, kein Eigentum zu besitzen und sich weiterhin einzuschränken. Das erste, wovon sie sich befreite, war zwanghaftes Denken. Dann legte sie die Dinge ab, die sie nicht an sich mochte.“ Die akustischen Halluzinationen, ihre inneren Stimmen hatten aber offensichtlich keinen kreativen Effekt für ihr Werk – darauf insistieren alle Weggefährten von Agnes Martin. Der Psychiater Donald Fineberg, der sie viele Jahre lang behandelte, meint: „Die Intensität und Sensibilität, mit der sie trotz einer Erkrankung, die für viele andere Menschen zerstörerisch sein würde, ihrer Kunst nachgehen konnte, macht sie außergewöhnlich.“
Erst im Jahr 1968 wird Agnes Martin wieder sesshaft. Und als das Buch den Faden der Chronologie hier aufnimmt, hat es zu einem wärmeren Ton gefunden, ist sogar humorvoll und entspannt. Agnes Martin taucht an einer Tankstelle nordwestlich von Santa Fe auf und fragt ohne Umschweife, ob es in der Nähe ein Stück Land zu pachten gäbe. Dann baut sie auf der Mesa Portales, für die sie fünfzig Dollar im Monat bezahlt, eigenhändig ein Haus im Adobe-Stil, die Entfernung zum nächsten Nachbarn beträgt zehn Kilometer. Holzofen, Wasserpumpe, Nähmaschine und Spüle, Besucher sind frappiert, wie einfach Agnes Martin dort lebt. Sie bleibt fast zehn Jahre, erst als ihr im Jahr 1977 gekündigt wird, entscheidet sie, „dass es kein natürlicher Lebensstil für einen Menschen ist, so einsam zu sein, weshalb ich wieder herunter gekommen bin“.
Es beginnt die Zeit der Anerkennung. In Galisteo, New Mexico, lebt sie in finanzieller Sicherheit. Sie wird zur Größe, deren Bilder auf dem Kunstmarkt gehandelt werden. Und sie wird, wie die Kritikerin Lucy Lippard beobachtet, von Nachbarn und jüngeren Künstlerinnen umringt , die ihr huldigten, „eine wahre Bienenkönigin“. Eignet sich ihr Leben zum Vorbild? Vor allem für weibliche Künstler? „Durch die Befragung des eigenen Geistes ist es möglich, ganz und gar originäre Gedanken zu haben“, wendet sie sich an Studentinnen bei einem Vortrag. „Ihre Konditionierung hat Sie gelehrt, sich mit anderen zu identifizieren – deren Emotionen und deren Bedürfnissen. Ich möchte Ihnen aber dringend dazu raten, auf sich selbst zu bauen. In unserer Konvention ist das für Frauen besonders schwer.“
Agnes Martin ist zu pragmatisch, vielleicht auch schon zu alt, um den Feministinnen der Siebziger Jahre viel zu raten: „Ich möchte Malerinnen sagen, dass sie verheiratet sein und ihre Kinder haben können, und wenn die Kinder groß sind, sie immer noch genügend Jahre zum Malen haben – jedenfalls wenn sie so lange leben wie ich.“
Agnes Martin, die ihr Leben, wenn auch mit Verzögerung, früh der Konzentration auf die Kunst gewidmet hat, wird immerhin alt genug, um ihren Ruhm noch zu erleben. Nach der Einzelschau im Whitney Museum lässt sie sich in Taos nieder. Während ihr Werk in Ausstellungen im Amsterdamer Stedelijk Museum und in der Serpentine in London gefeiert wird und der deutsche Verlag Hatje Cantz ihre Schriften veröffentlicht, zieht sie in ein Seniorenheim – was „perfekt für mich ist, ich muss mich um nichts kümmern“ – und fährt bis kurz vor ihrem Tod im Jahr 2004 jeden Tag mit ihrem Auto ins Atelier – um zu arbeiten.
Eine Rede an Studentinnen:
„Ich möchte Ihnen aber dringend
raten, auf sich selbst zu bauen.“
Nancy Princenthal:
Agnes Martin. Ihr Leben und Werk. Aus dem Englischen von Angelika Franz. Piet Meyer Verlag, Bern 2016. 416 Seiten,
34 Euro.
Agnes Martin in ihrem Studio in Taos, New Mexico, etwa 1954.

Foto:  Mildred Tolbert, courtesy Harwood Museum, Taos, NM © Kunstsammlung NRW
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