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'Ein Monumentalwerk, aber ganz und gar unprotzig. Es soll ja Leute geben, die grundsätzlich keine Lyrik im Bücherregal dulden, nun denn; wer aber nur einen einzigen Lyrikband hat, dem ist zu wünschen, daß er diesen hat. Schlüter hat 250 Gedichte vom 13. bis ins beginnende 20. Jahrhundert übersetzt, fast alles Kleinodien der englischen Literatur (und wenn's keine waren, hat Schlüter sie dazu gemacht). Wenig kanonisiertes Zeugs aus den akademischen Anthologien ist dabei; die Auswahl ist frisch, undogmatisch, beherzt. Frischer, undogmatischer, beherzter noch ist Schlüters Übersetzungsprinzip: er…mehr

Produktbeschreibung
'Ein Monumentalwerk, aber ganz und gar unprotzig. Es soll ja Leute geben, die grundsätzlich keine Lyrik im Bücherregal dulden, nun denn; wer aber nur einen einzigen Lyrikband hat, dem ist zu wünschen, daß er diesen hat. Schlüter hat 250 Gedichte vom 13. bis ins beginnende 20. Jahrhundert übersetzt, fast alles Kleinodien der englischen Literatur (und wenn's keine waren, hat Schlüter sie dazu gemacht). Wenig kanonisiertes Zeugs aus den akademischen Anthologien ist dabei; die Auswahl ist frisch, undogmatisch, beherzt. Frischer, undogmatischer, beherzter noch ist Schlüters Übersetzungsprinzip: er übersetzt die Wirkungskraft der Gedichte, und zwar die auf den heutigen Leser; Gedichte, die den Briten heute befremdlich klingen, sollen's in der Übersetzung auch den deutschen Lesern tun. Leicht gesagt, doch schwer verwirklicht - es sei denn, man geht mit Schlüterscher Virtuosität und Präzision zu Werke. ' - schrieb Friedhelm Rathjen, als dieses Buch zum ersten Mal, und damals als exklusiver Privatdruck, erschienen war. Die Neuausgabe ist um nichts weniger fein und zudem ergänzt um die englischen Originalgedichte und ein Nachwort.
Autorenporträt
Wolfgang Schlüter, geb. 1948, lebt als freier Übersetzer und Autor in Berlin. Er hat u. a. einen Band mit englischer Lyrik, John Aubrey, William Cowper, T. H. Lawrence und Christopher Marlowes sämtliche Dramen ins Deutsche übersetzt.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.09.2003

Kuß durchs Taschentuch
Abseits aufgehoben: Wolfgang Schlüters Gedichtübersetzungen

Kein Kuß kommt von allein. Man muß ihn schon wollen, ja so heiß begehren, daß alle Widerstände selbst zur Lust werden und damit schwinden. Eine Übersetzung sei "wie ein Kuß durch ein Taschentuch", zitiert Wolfgang Schlüter seinen Gewährsmann Chaim Nachman Bialik im Nachwort dieser wunderbaren Anthologie und erklärt sodann, warum ebendieses Textil - das Feingewebe aller sprachlichen Textur - unser Begehren recht eigentlich ausmacht. "Ich wags nicht, einen Kuß, / ein Lächeln zu erflehn - / Denn hätt ich's, gäbs Verdruß: / Würd mich vor Stolz nur blähn." So übersetzt Schlüter die erste Strophe eines kleinen Gedichts von Robert Herrick aus der englischen Renaissance - aber was heißt hier übersetzen? So lockt Schlüter die alten Verse, so führt er die knappen Silben in die Fremde und verführt die flehend lächelnden Wörter, um mit ihnen neuen Sinn zu zeugen.

Solche Leidenschaft, versteht sich, gibt wohl auch Verdruß. Die Entscheidungsprozesse eines Übersetzers seien immer Zugriffe und Zudringlichkeiten, ganz wie die Strategien eines Liebeskampfes, läßt er uns im Nachwort wissen. Wir müssen uns daher auf einiges gefaßt machen. Doch während wir noch stirnrunzelnd über so viel Freizügigkeiten zu lesen beginnen, sind wir selbst schon verführt, denn der leise Zweifel an der genialen Dreistigkeit dieses Übersetzers bereitet Lyrikliebhabern die höchste Lust.

In Schlüters Version von Marlowes "Doktor Faustus" war vor vier Jahren gleich im ersten Vers vom "Laptop" des Renaissance-Gelehrten die Rede. In der Anthologie begegnen wir jetzt Shelleys romantisch Reisendem als "Globetrotter aus antiquem Land". Aber seine Sammlung englischer Gedichte vom dreizehnten bis zum frühen zwanzigsten Jahrhundert greift so weit aus und führt in so entlegene, unbekannte Regionen unserer eigenen Sprache, daß derart wohlkalkulierte Irritationen, wie grelle Leuchtsignale einer vertrauten Gegenwart, durchaus willkommen sind. Die meisten Übersetzungen dieses Bandes sind rund zwei Jahrzehnte alt und erschienen bereits 1991 im Privatdruck. Daß sie jetzt endlich in dieser schön und klar gestalteten, zweisprachigen Ausgabe zugänglich sind, ist ein Geschenk an alle Leser, die sich als Globetrotter in fremdes Terrain wagen. Nicht zuletzt kann man hier neben großen und bekannten Werken noch viel mehr Unbekanntes, Randständiges finden. Schwerpunkte in Schlüters Auswahl von 248 Texten liegen im späten Mittelalter und im siebzehnten Jahrhundert. Sie zeigen, wie einst W. G. Sebald sagte, seine "instinktive Zuneigung zu den abseitigen" unter den Gedichten, die gerade deshalb faszinieren, "weil sie lang keiner angeschaut und betastet hat".

Thematisch überwiegen Tod- und Trauertexte. Darum aber wirken die erotischen Momente nur um so inniger. Die zweite Strophe von Robert Herricks keusch begehrendem Liebesseufzer übersetzt Schlüter so: "Mein höchst Begehr vielmehr, / das sey, daß ihrs nur wißt: / Dem Äther hiermit ei- / nen Kuß! da er Dich küßt'." Mit welch subtiler Raffinesse hier die schlichten Verse des Originals in ein Geflecht verschränkter Binnenreime überführt werden, bis der gewaltsame Zeilensprung am Ende erschrocken innehält und doch sehnsüchtig vorwärtsdrängt - dies läßt uns diesen heißen Luftkuß stärker spüren als das textilfreie Original. Darf das Übersetzen die Dichtung bessern? Wenn sie dies kann, unbedingt!

TOBIAS DÖRING

"My Second Self When I Am Gone". Englische Gedichte übersetzt von Wolfgang Schlüter. Urs Engeler Editor, Basel 2003. 250 S., geb., 38,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Es handelt sich um die wohl umfangreichste Sammlung englischer Gedichte, die ein einzelner Übersetzer je vorgelegt hat, vermutet Dieter M. Gräf. Was mag einen Mann wie Wolfgang Schlüter, der eigentlich Schriftsteller ist, dazu bewogen haben, mehr als ein Jahrzehnt mit englischen Gedichten zuzubringen, fragt er. Seiner Meinung nach muss Schlüter die pure Lust am Übersetzen getrieben haben. Denn "gut ist, was gefällt", kalauert Gräf, gut ist, "was man so noch nie zu Ohren bekommen hat". Er konstatiert bei Schlüter einen Hang zur Extravaganz: nicht "Alraune" darf es heißen, sondern "Mandragora", zitiert er, "curious frame" wurde zur "curieusen Wandung" usw. Da kann das (ebenfalls abgedruckte) Original schon mal Erleichterung bedeuten, setzt Gräf trocken hinzu. Fünf Jahrhunderte deckt Schlüters Gedichtauswahl ab, informiert er und rät zum Kauf dieser bibliophilen Ausgabe in der Urs Engeler Edition, die sich aufs Beste ergänzen würde mit einem anderen Standardwerk, der vierbändigen "Englische und Amerikanische Dichtung" im Beck Verlag, einer verlegerischen Großtat, mit der Schlüter (der eigentlich früher dran war) so nicht mithalten könne. Aber seine "voll heikler Qualitäten" steckenden Übertragungen tragen zum Reichtum der Übersetzungen bei, meint Gräf, sie fordern ihre Leser zum Widerspruch heraus und machen ihn so autark.

© Perlentaucher Medien GmbH
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Mai 2003, 02:16, Neue Zürcher Zeitung
Souveräner Wort-VerschwenderWolfgang Schlüters Anthologie englischer Dichtung
Von Jürgen Brocan
Die Übersetzung: ein Brückenbau. Gemäss diesem oft zitierten Bild träte der Übersetzer an als jemand, der aus den Trümmern Babels gangbare Wege vom Ufer der einen zum Ufer einer anderen Sprache schafft. Doch nach welchen Plänen, Grundrissen und Massstäben soll er bei seiner Arbeit vorgehen? Die Suche nach solchen normativen Vorgaben durchzieht spätestens seit der Aufklärung die Äusserungen von Theoretikern und Praktikern zur Übersetzungsproblematik, ohne dass sich aus ihren Kontroversen ein verbindlicher Leitfaden ableiten liesse.Das Übersetzen, vor allem literarischer Texte, bedeutet in jedem Fall mehr als die blosse handwerkliche Tätigkeit des Verpflanzens und Versetzens, die im Ursprung des Wortes translatio steckt. Das Lateinische kennt für die übersetzerische Arbeit mehrere Worte, die dem Bedeutungsbereich des Interpretierens angehören. Interpretation erschöpft sich nicht im Verstehen grammatischer und lexikalischer Strukturen des Originals, sondern erfasst auch dessen konnotative Spielräume. Die Entscheidungen, die der Übersetzer zu treffen hat, wären somit bereits zumindest im Ansatz kreative Wiederholungen.Insbesondere der Übersetzer von Lyrik weiss, dass die Beschäftigung mit theoretischen Grundlagen hilfreich ist, weil sie für bestimmte Fragestellungen sensibilisiert, obwohl sie ihn im Einzelfall kaum weiterführt. Jedes Gedicht bringt eine Eigengesetzlichkeit mit, deren Wiedergabe höchstens in sich stimmig sein muss. Am sinnfälligsten scheint es also, die Übersetzung als Prozess aufzufassen: als dauernde Bewegung zwischen dem Eigenen und dem Anderen...…mehr