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Über Körpererkundungen findet eine Frau wieder Zutrauen zum Leben. Eine Expedition von berührender Wahrhaftigkeit.
Plötzlich war alles anders geworden, und sie fand nicht mehr in ihr Leben zurück, nicht einmal in ihre Wohnung; ratlos stand sie vor der Tür - dann warf sie den Schlüssel durch den Zeitungsschlitz, drehte sich um und ging. Begonnen hatte der Tag unauffällig: Sie war ins Städtische Parkbad gegangen, um zu massieren, Glieder und Leben einzurenken. Heilen wollte sie, lösen, mit äußerster Vorsicht ging sie ans Werk - doch plötzlich starb der Mann unter ihren Händen: "Er hat mich in…mehr

Produktbeschreibung
Über Körpererkundungen findet eine Frau wieder Zutrauen zum Leben. Eine Expedition von berührender Wahrhaftigkeit.
Plötzlich war alles anders geworden, und sie fand nicht mehr in ihr Leben zurück, nicht einmal in ihre Wohnung; ratlos stand sie vor der Tür - dann warf sie den Schlüssel durch den Zeitungsschlitz, drehte sich um und ging.
Begonnen hatte der Tag unauffällig: Sie war ins Städtische Parkbad gegangen, um zu massieren, Glieder und Leben einzurenken. Heilen wollte sie, lösen, mit äußerster Vorsicht ging sie ans Werk - doch plötzlich starb der Mann unter ihren Händen: "Er hat mich in den Tod mitgerissen und auf der Welt zurückgelassen." Sie müßte sich neu erfinden, das wäre die Rettung, zuvor aber müßte sie sich auslöschen, endgültig.
"Jemand" ist der Roman einer äußeren und inneren Reise. Er erzählt von einer jungen Frau, die sich allein auf einen Weg macht, dessen Ziel sie nicht kennt, nur wünschen (oder träumen) kann. Im italienischen Süden, am Meer, kommt sie ihm schon näher, doch ein Mal muß sie noch zurück, bevor sie - mit aller Entschiedenheit und Kraft - endgültig neu beginnt.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.01.2006

Lehre des Schmetterlings
Seelenmassage: Patricia Josefine Marcharts neuer Roman

Wer schreibt, kämpft. Manche veranstalten Gruppenkämpfe als Schauveranstaltungen, wo man unter sich ist und gehört wird. Patricia Josefine Marchart kämpft für sich allein um eine eigene Identität als Autorin. So setzt sie sich ab von jenen Schreibenden ihrer Generation, die ihren kleinen bescheidenen Lebensraum zwischen Partnerschaft und Bar, zwischen Melancholie und begrenztem Unglück, zwischen Ereignislosigkeit und dem Wunsch nach Überschwang in sanfte, traurige Worte kleiden. Etwas Wildes, Unbändiges arbeitet in ihr, etwas Rohes, Ungeschlachtes, das unter einer zivilisierten Sprachoberfläche ein narkotisiertes Dasein fristet. Jederzeit droht es auszubrechen, dieses wutgeladene, auf das Stillhalten verpflichtete Guerrillaleben der Seele unter kapitalistischen Verhältnissen. Sie geht aufs Ganze und schlägt dem Kleinmut in der Literatur, an den wir uns schon gewöhnt haben, ein Schnippchen. Sie hat viel vor und macht uns jeden Augenblick selbstbewußt darauf aufmerksam - aber ist ihr damit auch schon ein wichtiges Buch gelungen?

Wo ist es bloß zu finden, das Leben? Diese Frage treibt den Roman "Jemand", das zweite Buch der 1971 geborenen österreichischen Autorin, in seinem Innersten an. Kaum kommt einer aus dem Gleichgewicht, schon stellen sich ihm Fragen, auf die es mit einemmal keine verbindlichen Antworten mehr gibt. Gerda Sanders, die Hauptfigur des Romans, verliert von einem Moment auf den anderen die Contenance. Sie arbeitet als Masseurin, und gegen jede Erwartung stirbt ihr ein Kunde, ein durchtrainierter polnischer Athlet, unter den Händen. Von da an ist es um die junge Frau geschehen. Sie hat ihr Ich verloren, fühlt sich derangiert und deplaziert in der Welt. "Ich stand wie angewurzelt vor meiner Wohnung. Ich las: Gerda Sanders. Das sagte mir nichts, das war mein Name."

Mit dem Verlust des Ich bleibt sie nicht länger im Besitz einer Geschichte. Sie kennt Details aus ihrem Leben, doch ein Zusammenhang will sich nicht herstellen: "Mein Leben war auf einen Schlag abgerissen. Kein Mensch, kein Moment aus meiner Vergangenheit gehörte zu mir. Ich war mir unbekannt. Mir fehlte die Spur." Patricia Josefine Marchart fällt als Lösung Traditionelles ein. Das Leben wird ihr zur Reise, deshalb schickt sie ihre Erzählerin auf den Weg, auf daß sie sich gefälligst am Ende wieder als einen runderneuerten, durchgelüfteten Menschen finden möge.

"Ich habe eine Geschichte auf dieser Welt. Ich entkomme ihr nicht. Ich finde sie heraus. Ich schaue mir alles genau an. Das ist mein Schwur." So sieht das Programm aus, mit dessen Hilfe sich Gerda Sanders anschickt, sich eine neue Basis zu schaffen. Sie tritt auf wie ein Racheengel, ihre Feder wird ihr zum flammenden Schwert. Sie würde wie die meisten anderen auch froh in den Tag hineinleben, sich keineswegs von des finsteren Gedankens Blässe ihren Teint verderben lassen, wenn sie nicht diese eine Erfahrung mit dem zufälligen Tod gemacht hätte, die ihr Leben so radikal ummodelt. Der Autorin gibt das das Recht, von nun an nur noch bedeutend auftreten zu dürfen. Allerweltssätze bekommen jetzt einen monumentalen Anspruch: "Wo begann meine Geschichte? Was hatte sie mit dem Tod des Polen zu tun? War ich schuld?" Das fragt sich die Erzählerin, die sich zu vergegenwärtigen beginnt, wie sie als Kind den Tod des Großvaters erlebt hat.

Wer sich so grundlegend verunsichert fühlt, gehört nicht der Spezies des Durchschnittsmenschen an. Tatsächlich ist eine Aura um diese Frau, die auf eine Verbindung mit geheimen inneren Mächten schließen läßt. Sie ist kein Wesen der Vernunft, ist geleitet von Intuition und Gefühl: "Ich lernte das Massieren nicht, ich eignete es mir an." So geht sie auch ihre Suche nach dem wahren Ich an. Sie macht sich nie stark als Meisterin der Reflexion, sie wartet darauf, daß ihr Weisheiten zufliegen. "Was wollte der Tod von mir, was wollte mir der Pole mit seinem Tod sagen?" Die Antwort muß, im eigentlichen Sinn des Wortes, erfahren werden - mit dem Zug und im Bus.

Die Erzählerin beginnt ihre Tour der Versenkung ins eigene Ich mit einer Absage an die Gegenwart, sie möchte andocken an die Ewigkeit. Andere Menschen spielen kaum eine Rolle, sie treten als Störfaktor in Erscheinung. Das Ich ist ein singuläres Wesen, das sich der Gewalt der Natur hingibt, sich dem Meer anvertraut. "Ich war Teil einer Welt, die ich nicht verstehen mußte. Ich existierte. Ich konnte nichts anderes tun, als dazusein. Ich wollte mich für nichts mehr entscheiden." So gerät die Vernunft in diesem Buch unter Generalverdacht.

Eigentlich ist dieser Roman der Gegenentwurf zu einer hochartifiziellen Literatur eines Norbert Niemann oder eines Thomas Meinecke, in der einem authentischen Leben grundsätzlich abgeschworen wird. Der Mensch gilt diesen Autoren als ein Konstrukt, als ein Medienereignis, das seine Identität aus zweiter Hand zusammenstoppelt. Solch ein Leben ist stets nur Wiederholung und Imitat. Marchart aber macht sich stark für das eigentliche Leben, rein und unverfälscht. Wo Meinecke und Niemann theoriegesättigte Literatur zur neuesten ideologischen Stimmung nachliefern, unternimmt Marchart die Anstrengung, den Menschen aus der Theorie zu entlassen und als Gefühls- und Erfahrungswesen neu in sein Recht zu setzen. Die Erzählerin springt harsch um mit ihrem früheren Leben, als sie ein funktionierendes Mitglied der Gesellschaft war: "Nie hatte ich etwas entschieden, immer getan, was man von mir verlangte. Dafür wurde ich geliebt. Alles, was ich wußte, hatte ich von anderen Menschen erzählt bekommen." Jetzt geht es ihr nicht mehr ums Wissen, sondern um das Leben, was ihr die Entdeckung einer neuen, unbekannten Sinnlichkeit bedeutet.

Aus dem Vernunftwesen wird ein Gefühlsspeicher. Die Erneuerung der Person beginnt mit der Absage an die Dominanz der Sprache. Als Kind, schreibt die junge Frau, sei sie irritiert gewesen vom Erzählen, "es kam mir verlogen vor. Ich hatte nur Bilder im Kopf. Ich konnte sie nicht beschreiben." Jetzt liefert sie die Rechtfertigung nach für diese Haltung.

Als arm erweist sich die Sprache des Romans. Er begnügt sich mit knappen Sätzen, wahren Kümmergestalten, denen nicht viel zuzutrauen ist. Sie fertigen den Leser kurz und bündig ab. Sie wollen nicht gedreht und gewendet werden, sind einfache Botschaften, die sich der Interpretation widersetzen. "Ich habe keine Ahnung." Mit dieser Botschaft müssen wir leben. Die Erzählerin hat sich nach Italien zurückgezogen und empfindet Glück, wenn sie einem Schmetterling das Leben rettet. "So einfach ist es." So einfach ist es? Gewiß nicht. Patricia Josefine Marchart legt mit ihrem Roman den Beweis ab, daß Literatur ohne Reflexion doch nur eine halbe Sache ist.

ANTON THUSWALDNER

Patricia Josefine Marchart: "Jemand". Roman. Verlag Jung und Jung, Salzburg 2005. 166 S., geb., 19,50 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Anton Thuswaldner entdeckt im zweiten Roman von Patricia Josefine Marchart "etwas Wildes, Unbändiges", ja, etwas "Rohes Ungeschlachtes", was das Buch zunächst einmal von denen gleichaltriger Autoren absetzt, die sich einem ruhigeren, "sanfteren" Ton und Sujet verschrieben haben. Hier geht eine Schriftstellerin "aufs Ganze" und wendet sich damit vom gängigen "Kleinmut in der Literatur" ab, so der Rezensent zunächst anerkennend. Trotzdem ist er sich nicht sicher, ob Marchart mit dieser Haltung bereits ein "wichtiges Buch gelungen" ist. "Jemand" handelt von einer Masseurin, die durch den überraschenden Tod eines Kunden einen massiven Ich-Verlust erleidet und aus ihrem bisherigen Leben ausbricht, fasst Thuswaldner zusammen. Die österreichische Autorin zeigt ihre Protagonistin auf der Suche nach dem wirklichen, unverfälschten Leben, wobei sie sie ganz als Gefühlsmenschen inszeniert, so der Rezensent weiter. Damit stelle Marchart einen "Gegenentwurf" zur "hochartifiziellen Literatur" von Autoren wie Thomas Meinecke oder Norbert Niemann auf, die dem "authentischen Leben" grundsätzlich entsagt haben, stellt Thuswaldner fest. Am Ende zeigt sich der Rezensent unzufrieden, denn er meint, "ohne Reflexion", nur auf Gefühle zurückgeworfen, das werde bei diesem Roman deutlich, bleibt "Literatur" eben "doch nur eine halbe Sache".

© Perlentaucher Medien GmbH
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"Marcharts Frauengestalten haben etwas Archetypisches, sie lieben und stehen dem Tod gegenüber, sie haben Sex, essen, kochen, gebären Kinder, erleiden Gewalt und schrecken ihrerseits nicht vor grausamen Handlungen zurück, wenn sie es ihren Peinigern heimzahlen."
(Heide Stockinger, Kultur Oberösterreich)