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Wie man sich über ein Leben lustig macht, das überhaupt nicht lustig ist
Heul doch! - aber das ist leichter gesagt als getan. Und überhaupt, wer sagt denn, daß das hilft? Wer sagt denn, daß da hinterher irgendwas besser ist? Heul doch - bei der Familie? Der Mutter, der Großmutter? Dem Vater? Wie die schon miteinander umgehn, fast so schlimm wie mit mir. Nein, so auch wieder nicht, mit mir war's schlimmer. Heul doch: damit die sehn, wie's mir geht? Wen interessiert denn das? Wen geht das überhaupt etwas an? Mein Bruder ist tot, das könnte die zum Beispiel etwas angehn. Wollen sie aber nicht…mehr

Produktbeschreibung
Wie man sich über ein Leben lustig macht, das überhaupt nicht lustig ist

Heul doch! - aber das ist leichter gesagt als getan. Und überhaupt, wer sagt denn, daß das hilft? Wer sagt denn, daß da hinterher irgendwas besser ist?
Heul doch - bei der Familie? Der Mutter, der Großmutter? Dem Vater? Wie die schon miteinander umgehn, fast so schlimm wie mit mir. Nein, so auch wieder nicht, mit mir war's schlimmer.
Heul doch: damit die sehn, wie's mir geht? Wen interessiert denn das? Wen geht das überhaupt etwas an? Mein Bruder ist tot, das könnte die zum Beispiel etwas angehn. Wollen sie aber nicht wissen, ist wie in der Schule. Obwohl, da ist wenigstens mein Türke.
Heul doch? Davon werd ich auch nicht schöner. Ein Mädchen in meinem Alter. Schaut mich eh keiner an. Erst recht nicht, wenn ich zurückschau. Die wollen doch alle nur, was sie im Kopf haben, nicht was sie sehn. Kann ich noch so frech antworten: die einzige, die mir zuhört, bin ich anscheinend selbst.
Heul doch, heul doch. Ja, ich hätte allen Grund, frag sie, frag alle, frag meinen Vater. Die Antwort kriegst du dann von mir. Und du wirst sehen: es ist eine schlimme Geschichte, die in dieser Geschichte steckt.

Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 27.04.2005

Oma hört nicht auf zu sterben
Die volle Packung: Melanie Arns’ Debütroman „Heul doch”
Görenprosa sei das, befand ein Juror, als Melanie Arns vor zwei Jahren in Klagenfurt las, und er stellte fest: die Simpsons seien in der Literatur angekommen. Vielleicht ärgerte er sich über den Zuspruch, den Melanie Arns mit ihrem Text und dessen rauer Komik beim Publikum bekam, mit seinem Vergleich griff er jedenfalls weit daneben. In der nun publizierten Fassung ist Melanie Arns’ Debütroman „Heul doch!” so angelegt, dass einem das Lachen bald schon im Halse stecken bleibt. Alkoholsucht und verlogene Familienharmonie, Schläge und sexueller Missbrauch, Aids und Bulimie - das ganze Paket also, schonungslos und kurzrhythmisch ausgeworfen von einer jungen Frau, die das rechte Auge verlor, als sie vor einen Laster lief. Ihren Blick aber hat das nur geschärft. „Heul doch!” ist eine böse Schrift des Demaskierens, eine hasserfüllte Karikatur der deutschen Kernfamilie. „Vater hört nicht auf zu nörgeln. Mutter hört nicht auf, sich zu entschuldigen. Oma hört nicht auf zu sterben. Ich fange gar nicht an.”
Es ist eine ruinierte Person, die hier spricht, und man weiß nicht, was mehr wiegt - der Ekel vor sich selbst oder der vor der Welt. „Ich fühle mich wie eine Plastikrose am Schießstand, falls das jemand interessiert.” Das Mädchen quält sich in die Disko, obwohl dort nichts zu holen ist außer einer klebrigen Schicht Zigarettenqualm auf dem Kunstauge. Nein, ein Text der Hoffnung ist „Heul doch!” nicht. Vielleicht muss die Protagonistin die Dinge so abtun, damit sie sich später wieder mit ihnen versöhnen kann; wer darauf hofft, wartet allerdings vergebens. Auch der Türke, ebenfalls ein Außenseiter, und der ersatzväterliche Lehrer („Das ist ein Geschenk, wie du bist”) disqualifizieren sich. Die Klassenfahrt, der Abiball, das Studentenwohnheim - Orte des Alleinseins. Noch schwerer wiegt die Niederlage am Ende. Als sie beim familiären Weihnachtsessen den Missbrauch ihres Vaters öffentlich macht, verpufft die Deklamation in allgemeinem Unverständnis und dem trockenen Imperativ: „Sei zufrieden.”
Erzählt wird in ständigem Wechsel von Komik und Tragik, im Nebeneinander von Belanglosem und Abgründigem, von dem man nie so recht weiß, ob er vorsätzlich geschieht oder unbeabsichtigt. Indizien für eine leichte Selbstreflexivität des Textes finden sich hier und da, mancher Kalauer und Negativitätskitsch ist dennoch schwer zu ertragen. Den dichten Gesamteindruck, den „Heul doch!” hinterlässt, vermag das nur wenig zu trüben. Eine Autorin allerdings, die sich zu einer solchen Sprache durchringt, wird der Versuchung widerstehen müssen, es sich in der Haltung des Weltverneinens bequem zu machen. Die sehr spezifische Energie dieses Textes realisiert sich auf beeindruckende Weise - knapp, derb und zupackend. Sie hat sich damit aber auch erschöpft. Deshalb darf man auf Melanie Arns’ nächstes Buch sehr gespannt sein.
SEBASTIAN HANDKE
MELANIE ARNS: Heul doch! Roman. Jung und Jung Verlag, Salzburg 2004. 106 Seiten, 16 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

In diesem Teenagerdrama wird nichts ausgespart: Der Bruder der Erzählerin ist als Kind erstickt, die Eltern sind Alkoholiker, sie selbst hat bei einem Autounfall ein Auge verloren, der Vater vergewaltigt sie, sie hat Aids. Da fallen Autoaggression und Todessehnsucht schon fast nicht mehr ins Gewicht. Diese "Zumutungen" für den Leser werden aber durch den ein paar Seiten später folgenden Satz "Wer mir glaubt, ist selber schuld. Ich bin nicht krank, ich werde nicht sterben, ich habe kein Aids" wieder relativiert, stellt Rezensentin Susanne Messmer fest. Und eben deswegen sei Melanie Arns Romandebüt kein klassisches Problembuch. Sondern eine mitreißende Geschichte über den Orientierungsverlust in der Pubertät, Großmäuligkeit, ein überzogenes Selbstbewusstsein, das ständig in Minderwertigkeitskomplexe kippt. Und man weiß, dass alles zugleich nicht ganz ernst zu nehmen ist.

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