Produktdetails
  • Verlag: Jung und Jung
  • Seitenzahl: 62
  • Deutsch
  • Abmessung: 9mm x 120mm x 189mm
  • Gewicht: 144g
  • ISBN-13: 9783902144485
  • ISBN-10: 3902144483
  • Artikelnr.: 11193173
Autorenporträt
Gert Jonke, geboren 1946 in Klagenfurt. Er machte während der Mittelschule eine Klavierausbildung am Landeskonservatorium in seiner Heimatstadt, ab 1968 studierte er Germanistik, Geschichte, Philosophie und Musikwissenschaft in Wien. Er hielt sich längere Zeit in London, Argentinien und Deutschland auf. 1980 war er Stadtschreiber in Graz. Er erhielt den Ingeborg Bachmann Preis 1977, den manuskripte-Preis 1984 und den Österreichischen Staatspreis für Literatur 2001. Jonkes Stil ist beeinflußt von Techniken und Schreibweisen konkreter Poesie und gesellschaftskritisch. Sein Werk umfaßt Erzählunge, Romane, Essays, Theaterstücke, Drehbücher und Hörspiele. Jonke verstarb im Januar 2009.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 11.04.2003

Der Schwätzer in uns
Gert Jonkes Sprechsonate
„Redner rund um die Uhr”
Wie vielleicht kein anderer Schriftsteller der Gegenwart spürt der in Wien lebende Gert Jonke den Grenzen nach, an denen sich die Wortsprache mit Musik berührt. Er folgt dabei keinem Schema; jedes Buch, in dem der ebenso wortmächtige wie musikalische Autor seine Forschungen weitertreibt, gerät unverwechselbar. So auch sein neuestes, „Redner rund um die Uhr”, dessen musikalischen Charakter der Untertitel benennt: „Eine Sprechsonate”.
In ihm hat die Suada, das haltlose, an keinen Gegenstand gebundene und daher auch unaufhaltsame Reden Gestalt angenommen. Wie Musik will sie einzig um sich selber kreisen, sieht sich indes zum Leidwesen des Redners ein ums andere Mal auf die Notwendigkeit eines Worüber verwiesen. „Ich glaube, ich soll hier, wie man mir vorhin sagte – ich weiß nicht, haben Sie mir das gesagt oder wer sonst –, irgendwas sagen, aber ich weiß nicht zu wem und schon gar nicht was”, heißt es auf der ersten Seite des Textes. Umfassende Ignoranz, die sich hiermit artikuliert, ist indes nicht Hindernis der Suada, sondern ihre erste Bedingung; je weniger man weiß, desto unbeschwerter, fesselloser lässt sich palavern.
Etwas weniger frei als im Hinblick auf ihr Objekt steht die Rede zu ihrem Adressaten. In allem demonstrativen Desinteresse an der besonderen Beschaffenheit des Gegenübers ist es dem „Redner rund um die Uhr” durchaus nicht gleich, ob da überhaupt ein Gegenüber ist. Je weniger ein Dialog stattfindet, desto nachdrücklicher sucht er sich zu versichern, er finde Gehör. Der Beteuerung der Selbstgenügsamkeit des Redens folgt denn auch unmittelbar als ihr Dementi die besorgte Nachfrage nach dem geneigten Ohr: „Und zwar ganz gleich, ob es wer hört oder nicht. Bis jetzt haben Sie mir also zugehört? Fein. ”
Wie das dem Gedenken Ernst Jandls gewidmete Buch die Emanzipation des Redens von seinem Inhalt, die Verflüchtigung jeden Gedankens in Blödsinn, als ein Loskommen des Mundes von seinem Inhaber vorführt, ist ebenso komisch wie verstörend. Verstörend ist es, weil uns hier nicht etwa ein brabbelnder Alter präsentiert wird, auf den wir mit dem Finger zeigen könnten. Mit abgründigem Witz zieht Gert Jonke seinen Leser in eine Komplizenschaft, die ihn auf den Schwätzer in ihm selber stößt.
ANDREAS DORSCHEL
GERT JONKE: Redner rund um die Uhr. Eine Sprechsonate. Verlag Jung und Jung, Salzburg 2003. 63 Seiten, 16 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Ernst Jandl, schreibt Paul Jandl, beherrschte wie kein zweiter die "Trivialisierung der ewigen Modelle eines poetischen Gefühls". Will heißen: Gedicht ist, wenn sich ein Mund öffnet und schließt. Einen solchen - den "Redner rund um die Uhr" - habe Gert Jonke im Geiste des Meisters zur Hauptfigur seiner "Sprechsonate" gemacht, auf das er plappere und palavere und seinen Besitzer um Kopf und Kragen bringe. Dieser wiederum sei der Erzähler von Jonkes "sprachartistischer Prosa" und das Buch somit die Inszenierung einer hintersinnigen Auseinandersetzung von Reden und Schreiben: Mund gegen Mann, "Maulheld" gegen um Ordnung bemühten Erzähler. Das, so Jandl, führt in "Mikrokosmen des Aberwitzes" hinein und geradewegs zu einem "unverwechselbaren Werk", das die Bedeutung eines "Textes" ganz neu definiere: "Nicht der Zusammenhalt der Ideen, Bilder und Sätze fixiert das Gemeinte, sondern ihr beharrliches Auseinanderstreben."

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