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Literarische Beschreibungen des 'Orients' erleben im Frankreich des 19. Jahrhunderts eine Blütezeit. Sie korrespondieren mit dem Wandel von Medium und Visualität. In Texten Nervals, Gautiers, Flauberts und Maupassants bis hin zu Loti artikulieren sich Verhältnisse zum 'Anderen' auch als räumliche Bewegungen des Blicks. Anhand typischer Konstellationen - Schleier, Monstrosität und Rausch - entwirft die Studie eine Phänomenologie literarischer Orientalismen. Die interdisziplinäre VerschränÝ kung mit postkolonialen Fragestellungen positioniert Edward Saids Orientalismus-These im erweiterten Spannungsfeld einer transkulturellen Topografie des Blicks.…mehr

Produktbeschreibung
Literarische Beschreibungen des 'Orients' erleben im Frankreich des 19. Jahrhunderts eine Blütezeit. Sie korrespondieren mit dem Wandel von Medium und Visualität. In Texten Nervals, Gautiers, Flauberts und Maupassants bis hin zu Loti artikulieren sich Verhältnisse zum 'Anderen' auch als räumliche Bewegungen des Blicks. Anhand typischer Konstellationen - Schleier, Monstrosität und Rausch - entwirft die Studie eine Phänomenologie literarischer Orientalismen. Die interdisziplinäre VerschränÝ kung mit postkolonialen Fragestellungen positioniert Edward Saids Orientalismus-These im erweiterten Spannungsfeld einer transkulturellen Topografie des Blicks.
Autorenporträt
Stemmler, SusanneSusanne Stemmler (Dr. phil.) ist Leiterin des Bereiches »Literatur, Gesellschaft, Wissenschaft« am Haus der Kulturen der Welt in Berlin. Ihre Forschungsschwerpunkte sind urbane Kulturen, transkulturelle Prozesse sowie literarische und klangliche Stadtbilder.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Da stöhnt aber eine: Franziska Meier wundert oder vielmehr ärgert sich, "wie ergeben" die zweite Literaturwissenschaftlergeneration den polemischen Positionen Edward Saids folgt, der den Europäern in Hinsicht auf die arabische Welt imperialistische Projektionen unterstellte. Hat nicht Said seine Positionen mittlerweile teilweise revidiert, fragt Meier. Und warum sich dann Susanne Stemmler, Angehörige jener zweiten Literaturwissenschaftlergeneration, positiv auf solche Autoren (Flaubert, Nerval und Gautier) bezieht, die doch Said als "Orientalisierer des Orients" abgemahnt hatte, will ihr auch nicht einleuchten. Nein, Franziska Meiers Begeisterung hält sich stark in Grenzen, zumal sie sich durch einen insgesamt eher verquasten Theorieteil kämpfen musste, in dem der übliche Mix aus Derrida, Lacan und Merleau-Ponty mit Said & Co vermengt wurde. Da geht es ums "Sehen", um den "Blick", um "Schleier" und "Entschleierung" und den Orient "als Narration der Leerstelle", führt Meier aus und konstatiert, dass man auf neue Erkenntisse über die Wahrnehmung des Orients bei den untersuchten Autoren vergebens warte.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 23.02.2005

Leerstellennarration
Strapaziöse Begegnung: Susanne Stemmlers Orientalismen
Orientalinnen, so hielt Gustave Flaubert in seinem Wörterbuch der Gemeinplätze fest, sie sind alle Odalisken. Voll hasserfüllter Akribie spürte der Romancier all den unter französischen Spießbürgern verbreiteten Klischees nach, von denen er sich selbst zu seinem Leidwesen nicht frei wusste. Denn auch er hatte in Ägypten, wohin er seinen Freund, den Fotografen Maxime Du Camp, begleitete, nichts Eiligeres zu tun, als eine schöne Odaliske ausfindig zu machen. Allein, als er sie endlich fand, machte ihn wohl gerade auch sein Hass wieder feinfühlig für all die Schwierigkeiten in der Begegnung von Orient und Okzident. Wie auf andere Weise vor ihm Balzac oder Nerval diagnostizierte Flaubert dabei hellsichtig die Zerstörung, die den Kulturen aus ihrer Begegnung erwachsen musste.
Davon ist in dem Buch der Düsseldorfer Romanistin Susanne Stemmler über literarische Orientalismen bei Flaubert, Nerval und Gautier freilich nichts zu lesen. Über weite Strecken ergeht sie sich zunächst einmal in eher verquasten theoretischen Vorbemerkungen - basierend auf einem Mix aus Jacques Derrida, Lacan und Merleau-Ponty sowie Edward Said und dessen Nach-Denkern, um nur einige zu nennen. Da ist etwa vom Unterschied zwischen „Sehen” und „Blick” die Rede, von der Vorstellung des „Sehens als Berühren”, bei dem sich eine „Zwischenräumlichkeit” oder auch die „Übergänglichkeit von Innen und Außen” ergebe, und schließlich vom Orientalismus als „Konstellation des Blicks”. Denn gerade ein solches „Sehen”, das überdies „traditionelle Denkhorizonte der Subjektivität und Alterität” überschreite, ein solches Denken jenseits dichotomischer Muster und starrer Grenzverläufe” eröffne, so Stemmler, einen neuen Zugang zum Gegenstand.
Auf neue Einsichten, etwa zur Wahrnehmung des Orients bei den untersuchten Autoren, wartet man dann allerdings vergebens. Was die „Blick-Konstellation des Schleiers” angeht, so werden einmal mehr Flauberts viel zitierte Beschreibung einer Art des Bauchtanzes oder Gautiers kritische Darstellung der wissenschaftlichen „Entschleierung” einer Mumie herangezogen - mit dem enttäuschenden Ergebnis, dass „die vorgestellten Texte einerseits die Lust und Macht, das ‚andere Objekt‘ zu betrachten, reflektieren und andererseits die Unmöglichkeit beklagen, es zu erfassen, zu erreichen”. Der Orient erweise sich ihnen als von einem verwirrend durchscheinenden Schleier verdeckt. Eben diese Irritation gebe den französischen Autoren „Anlass zur Narration dieser Leerstelle” - wobei man als Leser eher den Eindruck gewinnt, als habe das vor allem der Romanistin Anlass gegeben zu strapaziös-seminaristischen Spekulationen über das Sehen im 19. Jahrhundert.
Zuletzt mutet es den Leser höchst merkwürdig an, wie ergeben die zweite Literaturwissenschaftlergeneration immer noch der schon stark revidierten Polemik Edward Saids folgt und sämtliche Orientaussagen Europas pauschal einer imperialistischen Projektion bezichtigt; wie sie zugleich aber ausgerechnet in den Autoren, denen Said jene Orientalisierung des Orients vorwirft, wieder Vorbilder sieht, die auch heute noch für den Austausch mit fremden Kulturen maßgebend sein sollen. Der Grund: Sie hätten eine Wahrnehmungsweise ersehnt, in der Subjekt und Objekt wie im Rausch miteinander verschmelzen. So faszinierend die Orient-Erfahrungen dieser französischen Autoren sind, eines sind sie sicher nicht: wegweisend für unsere Zeit.
FRANZISKA MEIER
SUSANNE STEMMLER: Topografien des Blicks. Eine Phänomenologie literarischer Orientalismen des 19. Jahrhunderts in Frankreich. Transcript Verlag, Bielefeld 2004. 265 Seiten, 27,80 Euro.
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Besprochen in: Comptes rendus, (2004-2006), Peter Herr